Sat Dec 18 23:05:03 CET 2010
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GaryK
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Kommentare (202)
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LPG Grundlagen
So, kommen wir nun zum ersten Teil der Neverending-Story "Gas brennt heißer" und der Ausrede Nummer eins (fast) aller Umrüster, sollte doch mal was am Motor kaputt gehen.
Hier wird es leider/glücklicherweise etwas theoretisch, aber ich versuche das ganze so einfach wie möglich zu formulieren. Bei der Frage wie "heiß" Gas brennt müssen wir zwei Fälle betrachten. Zum einen die Temperatur der Flamme an sich (quasi eine "Naturkonstante"), zum anderen die Temperatur der Gase im Motor. Durch die Druckwechsel des Kolbens ist letzte nämlich vom Zeitpunkt abhängig, dazu später.
Bei der "normalen" Flamme ist die maximale mögliche Temperatur die adiabate Flammentemperatur. Adiabat bedeutet, es wird keine Wärme mit der Umgebung ausgetauscht und die komplette Energie der Verbrennung wird in die Temperaturerhöhung der Brenngase gesteckt. Diese Temperatur ist nur vom Energieinhalt des Brennstoffs und der Sauerstoffkonzentration der Luft abhängig. An letzter kann man kaum was ändern, alle Motoren saugen die selbe Luft an.
Die Verdampfung des Kraftstoffs hat einen kleinen Einfluss auf die Spitzentemperatur. Dieser liegt allerdings nur im Promillebereich. Propan z.B. braucht 16 kJ/mol um zu verdampfen, setzt aber bei der Verbrennung 2200 kJ/mol frei. Das sind 7 Promille Energieverlust für die Verdampfung, diese kann man getrost in den Skat drücken. Isooktan verhält sich als "Benzin" ähnlich: 35 kJ/mol Verdampfungsenthalpie auf 5426 kJ/mol Verbrennungswärme sind 6,4 Promille. Bei Alkoholen ist die Kühlwirkung hingegen ca. vier mal höher wie bei LPG oder Benzin. Dort werden zum Verdampfen 42 kJ/mol gebraucht, während bei der Verbrennung dieses kurzen Moleküls nur 1366 kJ/mol frei werden. 3%, das ist eher ein Wort. Wenn etwas spürbar heißer brennt ist die Verdampfung des Kraftstoffs also erstmal nicht der hauptverdächtige Verursacher.
Eine Übersicht der adiabaten Flammtemperaturen und etwas Hintergrund ist der englischen Wikipedia zu entnehmen, siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Adiabatic_flame_temperature . Man kommt ziemlich schnell auf den Trichter, dass die meisten Brennstoffe in der Luft ähnlich heiß verbrennen. Im Folgenden eine Grafik aus einer Veröffentlichung: Society of Automotive Engineers Paper 2004-01-2936, Molecular Structure Effects On Laminar Burning Velocities At Elevated Temperature And Pressure.
Leider ist der Motor nicht ganz so einfach. Wir betrachten nämlich keinen Bunsenbrenner, sondern einen Kolbenmotor. Wesen des Kolbens ist, dass dieser zyklisch hoch und runter fährt. Dabei wird das Gemisch mit typisch 9 bis 11 zu 1 verdichtet und gezündet. Druck und Temperatur verändern sich wenn komprimiert und gezündet wird. Wenn man eine Luftpumpe unten zupresst und komprimiert, dann wird das Gas innen durch den Druck heiß. Und exakt am komprimierten / heißen Punkt kommt die Verbrennungswärme durch Zündung dazu und heizt dieses Gas um ca. 2000°C zusätzlich auf. Das bringt erst den Druck auf den Kolben und damit die Kurbelwelle. Wobei die Verbrennung in Form einer (relativ langsamen) Flammenfront läuft und nicht "detonativ" ist. Detonativ ausbreitende Zündungen wären übrigens das Hochgeschwindigkeitsklingeln bei Motoren.
Die Flammengeschwindigkeiten sind endlich und bestimmen zusammen mit der adiabaten Flammentemperatur, wie heiß es im Brennraum bei einer idealen Zündung kurz hinter dem oberen Totpunkt (also im Maximum) werden kann. Vereinfacht gesagt: Eine schnelle Flamme sorgt dafür, dass das Gemisch weit oben während der Kompression durchbrennt, eine sehr langsame würde dem nach unten fahrenden Kolben hinterherlaufen und weniger Druck aufbauen können. Druck und Temperatur hängen bei einem Gas zusammen. Damit brennt eine schnelle Flamme oben lokal heißer. Bei der langsamen Flamme bewegt sich der Kolben bereits wieder nach unten, daher ist die Temperaturspitze nahe des oberen Totpunkts geringer. Klingt "cool", ist es aber ganz und gar nicht.
Flammgeschwindigkeiten verschiedener "Kraftstoffkomponenten" unter erhöhten Drücken und Temperaturen sind in den folgenden Abbildungen dargestellt, Quelle ist wieder die o.g. Publikation der Society of Automotive Engineers. Kurzfassung: bei Phi gleich 1 liegen Benzinkomponenten wie längere und isomerisierte Alkane genau wie substituierte Aromaten und der früher gängige Oktanbooster MTBE etwa bei 60 cm/s. Methan hat die selbe Größenordnung, während Propan und Butan bei etwa 70 cm/s liegen und Ethanol ganze 85 cm/s auf die Beine stellt.
Randbemerkung: Turbulente Flammgeschwindigkeiten entstehen durch Ausgleichsbewegungen heißer Gase im Brennraum und sind deutlich höher im zweistelligen m/s Bereich, aber die laminare Geschwindigkeit ist eine Art "mikroskopische Grundlage" des Verbrennungsvorgangs. Deswegen bleibe ich bei diesen Daten. Die maximale Kolbengeschwindigkeit ist wesentlich durch die Flammgeschwindigkeit begrenzt. Aktuelle "Rennmotoren" wie Porsche GT3 oder eine BMW S1000R erreichen etwa 22 m/s, während kräftige Alltagsmotoren wie (m)ein Audi V6, ein x30er BMW bei etwa 19-19.5 m/s liegen. Ein 20 Jahre alter Ford Fiasko liegt bei etwa 16 m/s.
Man kann sich nun überlegen was passiert, wenn es zu früh oder zu spät zündet. Bei zu früher Zündung oder schneller Flamme wird sich die Druckspitze nach links bewegen und schlimmstenfalls vor dem OT fertig sein. Damit arbeitet die Druckspitze der Kurbelwellenbewegung sogar zunehmend entgegen. Passiert u.a. beim "klingeln" wenn sich die Druckwelle im Brennraum schneller als erwartet (weil detonativ) ausbreitet. Zudem steigen Spitzendrücke und Temperaturen, was bei nicht ausreichend klopffesten Kraftstoffen zu detonativer Verbrennung führt. Derartige Schläge mag kein Lager, das zerlegt recht sicher den Motor.
Ist die Flamme langsam und/oder wird zu spät gezündet, dann rennt diese dem Kolben hinterher. Eine hinterherrennende Flamme hat einen geringeren Spitzendruck im Brennraum und somit zunächst weniger Drehmoment. Die Spitzentemperatur ist durch den geringeren Spitzendruck ebenfalls niedriger. Das klingt erstmal nach "gut" weil "kalt". Aber diese langsame Verbrennung hat einen ganz hässlichen Einfluss auf die Abgastemperatur. Das ist die Temperatur, die Auslassventile, Ventilsitze, Krümmer, Katalysator und ggf. den Turbo "grillt".
Wenn eine Kompression eine Temperatuerhöhung ist, so ist die Expansion durch den nach unten laufenden Kolben eine Abkühlung. Und diese kommt bei langsamen Flammen sehr spät. Weiter im nächsten Teil - dort wird erklärt, wieso eine magere Verbrennung "obenrum" kalt und am Auslass trotzdem heißer ist. |
Sat Dec 18 23:22:20 CET 2010 |
the_master
Oje, das ist mir heute Abend zu hoch
Muss ich mir morgen noch einmal anschauen
Sat Dec 18 23:37:08 CET 2010 |
Provaider
Ist doch nur ein bischen Thermodynamik, Vergleichsprozesse und Motorprozesse.
Es gibt aber auch durchaus Serienmotoren die mit 12,5:1 (geometrisch) verdichten, die Turbomotoren sind natürlich geometrisch geringer da die Aufladung das kompenziert.
Geringer Spitzendruck ist auch schlecht für den Wirkungsgrad.
Interessant sind Großgasottomotoren, die verbrennen mit Lambda >2 und erreichen dabei Wirkungsgrade von ~50%. Allerdings mit 6Bar Ladedruck und eine Definierten Lastpunkt. Sind halt Stationärmotoren.
Sun Jan 23 13:06:16 CET 2011 |
Reifenfüller18914
Wirklich sehr gut geschrieben!
Vielen Dank, da steckt viel Mühe drin.
Gruß,
A4MCM
Sat Oct 08 12:45:18 CEST 2011 |
Minzestrauch
Faszinierend kenntnisreich und korrekt und dabei so weit wie irgend möglich allgemeinverständlich geschrieben. Chapeau!
Deine Antwort auf ""Gas brennt heißer", Teil 1"