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Tue Jan 13 21:02:33 CET 2009    |    taue2512    |    Kommentare (10)    |   Stichworte: Better Place, E-Auto, Elektro, Israel, Nissan, Renault, USA

Wie bereits angedeutet kommt heute nun mein vierter und letzter Teil, der sich mit der automobilen Zukunft befasst. Diesmal geht es um ein Projekt, welches bereits heute verfügbare Automodelle geringfügig modifiziert und mit Lithium-Ion-Batterien ausrüstet. Die Idee ist simpel: Ein Kind, das mit seinem neuen Fernlenkrenner spielt, möchte nicht warten bis der Akku zuende geladen ist. Er tauscht einfach das Batteriepack gegen einen bereits voll geladenes aus.

 

Die Tage der Mineralölbetriebenen Autos sind also gezählt. Der verantwortliche? Ein Israeli namens Shai Agassi, der im Alter von 40 Jahren den Autoabgasen den Kampf angesagt hat. Um sein Ziel zu erreichen, schrieb er sich auf die Fahne den Kohlendioxyd-Ausstoss in den nächsten 10 Jahren um 20% und bis zum Jahr 2030 sogar um bis zu 60% zu verringern. Bleibt dies ein Traum, oder kann es Wirklichkeit werden?

 

Shai Agassi ist einer der reichsten Männer Israels und wird - mittlerweile in die USA ausgewandert - dort in einem Atemzug mit Steve Jobs von Apple oder dem ehemaligen Boss von Microsoft, Bill Gates, genannt. Und doch ist er "nur" der Chef einer Firma, aber einer Firma mit guten Ideen und noch besseren Kontakten: Better Place.

 

Die Kernaufgabe dieses Unternehmens ist die sukzessive Abschaffung aller mineralölbetriebenen Vehikel und deren Austausch mit elektrisch getriebenen Versionen. Zugegeben, diese Idee an sich ist nicht neu denn bereits im Jahre 1897 kam man bei Ford in den USA auf den E-Motor als Lösung einiger Probleme. Die Umsetzung und Durchführung dieser Initiative von Better Place lässt hoffen!

 

 

Als General Motors im Jahre 1996 in den USA z.B. auf Leasingbasis den ersten in Grossserie produzierten Familienwagen für Privatkunden namens EV1 anbot, wurde GM sehr schnell von Lobbyisten der Mineralölkonzerne in einer dreckigen Anti-Kampagne sabotiert, der Wagen entwickelte sich zu einem wirtschaftlichen Deasaster. Der Filmemacher namens Chris Paine drehte dazu einen sehr interessanten Film namens "Who killed the electric car?".

 

GM EV1GM EV1

 

Ob Sabotageopfer oder nicht, ein elektrisch getriebenes Auto hatte bislang immer mit diversen Problemen zu kämpfen: Batterien, die den Aktionsradius beschränken, Gewichtsprobleme, Platzprobleme, mangelnde Alltagstauglichkeit, sehr hohe Kosten für Batterien und nicht zuletzt lange Ladezeiten. Einen EV1 zu laden dauerte z.B. 1996 noch über 4h, während ein modernes herkömmlich betriebenes Fahrzeug nach einem Tankstopp von gerade einmal 5 Minuten weitere hunderte Kilometer weit fahren kann. Lädt man heutzutage mit modernster Technik eine Batterie für 5 Minuten, kommen dabei am Ende gerade einmal maximal 15km Reichweitensteigerung heraus. Punktsieg für den Ottomotor!

 

 

Der Herr Agassi hat dieses Kernproblem nun ganz simpel bezwungen: Frei nach dem Motto "Ihr - werte Autokonstrukteure - liefert nur das Chassis und wir - Better Place - lediglich das Know-How und die Batterien". Better Place arbeitet in Sachen Li-Ion-Batterien eng mit der japanischen Firma NEC, welche übrigens zur NISSAN-Gruppe gehört zusammen. Die ersten Pilotfahrzeuge waren Laguna und Megane der Firma Renault, was bei dieser Konstellation auch kaum verwundert. Neben den Batterien kümmert sich Better Place aber auch um das E-Tankstellennetz, hier kurz ERGO für "Electronic Grid Operator" genannt. Ein solches Netz in einem Land zu betreiben ist eine enorme Herausforderung, es muss viel Geld in die Bereitstellung einer komplett neuen Infrastruktur fliessen - fast ähnlich wie bei dem Aufbau der ersten Mobiltelefonnetze.

 

Kernidee hier wieder einmal, die bestehenden Tankstellen sukzessive durch ERGO zu ersetzen, also keine Migration in Stile von "Big-Bang". Diese ERGO-Stationen stehen dann jedem Nutzer von Better Place Techniken für einen Batterietausch im vorbeifahren bereit, der über ein entsprechendes Abo verfügt. Es soll verschiedene Abo-Systeme in Zukunft geben. Denkbar wäre ein mehrstufiges Bezahlsystem für "Unbegrenzte Kilometer", "x km pro Monat" oder "pay-per-use" mit entsprechenden Preisvorteilen bei den beiden ersten Paketen.

 

Ein elektronisches Navigationssystem namens "autOS", welches in jedem mit Better Place Technik ausgerüstetem Auto vorhanden ist, zeigt dem Fahrer den Energiestatus, den Weg zur nächsten Station, regelt den Bezahlvorgang und den Austausch der Batterieeinheit.

 

Der Fahrer braucht während des Batterie-Austauschvorgangs noch nicht einmal den Wagen zu verlassen, alles passiert vollautomatisch und hydraulisch gesteuert. Auf öffentlichen Parkplätzen und in der Nähe von Bürokmplexen entstehen nun zusätzlich Ladeterminals, die einem bis zu 160km Autonomie verschaffen. Grosse Firmen haben bereits Risiko-Starthilfekapital in das junge Unternehmen des Herrn Agassi gepumpt: Morgan Stanley, VantagePoint und ManivEngery Capital beteiligten sich mit sage und schreibe 70 Mio EUR. Diese Finanzspritze zusammen mit dem Eigenkaptial der anderen Beteiligten erbringen rund 200 Mio EUR Stammkapital - ein dickes Polster für ein so junges Unternehmen mit einer ehrgeizigen Idee und avanciert Better Place in die Top 5 der wichtigsten Projekte aus dem Silicon Valley.

 

Sogar die Deutsche Bank möchte einsteigen, denn Analysten haben errechnet das ein Fahrer eines Better Place Autos nur 0,04 EUR pro Kilometer im Gegensatz zu 0,24 EUR/km bei einem herkömmlichen Wagen aufwenden muss. Man denkt derzeit ferner darüber nach, die Autos wie den Urahn EV1 seinerzeit in einem rabattierten Leasingsystem an die Fahrer zu bringen. Angepeilter Preis hierfür: 500 EUR pro Monat. Better Place macht derweil Gewinn mit dem Wiederverkauf alternativ gewonnener elektrischer Energie an den ERGO-Stationen.

 

Das erinnert alles ein wenig an Lizenzpreisen von Softwarepaketen, und das kommt nicht von ungefähr. Shai Agassi war vor ein paar Jahren noch als die Nummer zwei beim deutschen Softwareriesen SAP gehandelt worden. Dank finanzkräftigem Elternhaus besuchte er diverse Hochschulen und ist Mitglied der Vereinigung "Young Global Leaders". Die Idee zu Better Place kam ihm während eines Semiars dieser Vereinigung in der Schweiz im Jahr 2005 in den Kopf. Die Studenten sollten Konzepte vorstellen die Welt bis zum Jahre 2020 zu einem "better place" zu machen, der Name war also Programm.

 

Ganze 35% der amerikanischen CO2-Emissionen gehen auf das Automobil mit Verbrennungsmotor zurück. Die Lösung? Abschaffen! Bereits 2006 hielt Shai einen Vortrag in Washington beim "WorldForum" und erhielt eine Anerkennung für sein Engagement vom damaligen Präsidenten Bill Clinton. Darufhin erhielt er einen Anruf von Shimon Perez, der ihm allen erdenklichen Support seinen Heimatlandes zusagt. Zur selben Zeit erfährt er auch das jemand anderes die Führung von SAP übernimmt, er erschafft sein eigenes Start-Up: Better Place war geboren.

 

 

Ohne Wissen über die Automobilindustrie, aber mit dem Wissen wie man Software konzipiert. Im Jahre 2007 lernt er den Direktor von Renault - Carlos Ghosn - kennen. Ghosn möchte den Vorsprung zu seinen Konkurrenten ausbauen und da kommt ihm die Idee des Israelis gerade recht. Beide kommen ins Geschäft und man einigt sich das Renault die ersten Testwagen entwickelt und 50 Autos der Serien Laguna und Mégane kostenfrei liefert. In Israel werden nun derweil in der nächsten Zeit Dank der tatkräftigen Mithilfe von Shimon Perez 1000 ERGO-Stationen entstehen.

 

Israel wird somit zum Vorreiter! Moment, warum gerade Israel? Nicht etwa, weil es das Geburtsland Agassis ist. Es gibt dort bereits jetzt ein Regierungsprogramm das Israel bis zum Jahr 2020 von der Abhängigkeit des Mineralöls befreien möchte. Zudem hat das israelische Parlament gerade die KfZ-Steuern angepasst: Abgasfreie Autos werden nur noch ein zehntel der heutigen Steuer kosten, während "normale" Autos mit einer Anhebung der Steuer um über 70 Prozent bedacht werden sollen. Doch das ist nur der Anfang: Bis zum Jahre 2011 sollen insgesamt 100.000 andere Renault und NISSAN mit Better Place Technik folgen.

 

 

Bereits jetzt hat Better Place eine Absichtererklärung mit DONG Energy in Dänemark unterzeichnet, da auch dieses Land seine Abhängigkeit vom Erdöl im Bereich des öffentlichen Transports runterschrauben will. Gerade erst hat Ende 2008 Australien als nächster Kandidat Verhandlungen mit Better Place gestartet, wenn Better Place dort wie vorgesehen ab 2012 sein ERGO-Netz ausbaut, beweist der Einsatz im sechstgrösten Lande der Welt das die Technologie überall einsetzbar ist. 

 

Es ist an der Zeit damit aufzuhören, jährlich über 700 Mio EUR an Eröl zu verbrennen und der Chef Agassi fügt hinzu: "Unsere Mission ist nicht nur in allen Ländern vertreten zu sein, sondern das Ende des Öls einzuleiten, nicht weniger!"

 

Website: www.betterplace.com 

 

Bleibt's ein Start-Up? Denkbar in Deutschland? Was meint Ihr?


Tue Jan 13 21:12:14 CET 2009    |    Achsmanschette51801

Batterietausch ist doch eigentlich die Lösung, die die bisherigen Vorbehalte gegen Elektroautos in Sachen Reichweite und Ladezeiten aushebeln kann. Die dann noch in möglichst wenig verschiedenen Größen - oder bei größeren Autos mehrere zusammen - das wärs.

Tue Jan 13 21:25:56 CET 2009    |    Spiralschlauch33274

Stellt sich nur die Frage: Wie stellen wir dieses riesen Kontingent an elektrischer Energie her und wie bringen wir diese Energie an jede ERGO-Tankstelle?

Tue Jan 13 23:13:49 CET 2009    |    Trackback

Kommentiert auf: PASSAT CC TDI DSG:

 

Umfrage: Welches alternative Antriebskonzept würdet Ihr favorisieren?

 

[...] aber Gas ist auch nicht unendlich verfügbar und wird auch immer teurer.

 

Zuguterletzt zeigt uns die Firma Better Place mit elektrogetriebenen Autos und ihrem Wechselakkusystem ein Beispiel wie man unter Ausnutzung alternativ [...]

 

Artikel lesen ...

Wed Jan 14 20:07:09 CET 2009    |    Druckluftschrauber132830

"denn Analysten haben errechnet das ein Fahrer eines Better Place Autos nur 0,04 EUR pro Kilometer im Gegensatz zu 0,24 EUR/km bei einem herkömmlichen Wagen aufwenden muss...Angepeilter Preis hierfür: 500 EUR pro Monat."

 

Wie soll das gehen? 500€/0,04€/km macht 12500km. Ich muss also 12500km pro Monat fahren, um 0,04€/km zu bezahlen.

 

Genau der selbe Megane kostet mich derzeit als Diesel und Kombi insgesamt 0,13€/km und ca. 0,055€/km an Spritkosten. Bei ca.2500km/Monat macht das 325€ pro Monat. Die Reichweite liegt je nach Fahrweise zwischen 900 und 1300km mit einer Tankfüllung.

 

Also heißt es weiter warten auf bezahlbare Alternativen!

Wed Jan 14 20:16:12 CET 2009    |    dc-viper

Spätestens, wenn der Diesel dann die 3,00 € pro Liter übersteigt, wird man sicherlich nochmal darüber reden. ;)

 

Und die Zeit werden wir alle noch erleben. Das dauert keine 10 Jahre mehr.

Wed Jan 14 21:01:21 CET 2009    |    Spiralschlauch33274

Kneipa, da hast du etwas missverstanden. Um den Leuten das auto zur Verfügung zu stellen wollen die 500€ Leasinggebühr haben.

Aber wie kommen die auf die 0,24 pro kilometer (so wie ich es verstanden habe)

Sagen wir 8 Liter auf 100km: 8 * 1.24€ pro liter= 9.92 - also 9.92€ pro 100km macht 0.099€ pro 1km.

Die müssten dann entweder einen Verbrauch von ca. 19 Liter oder einen Literpreis von 3€ voraus gesetzt haben.

Wed Jan 14 21:22:24 CET 2009    |    _RGTech

Zitat:

2006 hielt Shai einen Vortrag in Washington beim "WorldForum" und erhielt eine Anerkennung für sein Engagement vom damaligen Präsidenten Bill Clinton.

Wuss? :confused:

Hab ich da im Weltgeschehen was verschlafen?

Wed Jan 14 21:38:14 CET 2009    |    Druckluftschrauber132830

@DC-Viper

Bei 3€ pro Liter Diesel bezahle ich halt statt 120€ monatlich eben 330€ für Diesel. Die Leasingrate für solche Fahrzeuge wird bis dahin sicherlich über 700€ liegen.

Thu Jan 15 15:09:35 CET 2009    |    Achsmanschette51801

Eine Karre leasen kommt für viele Leute - u.A. mich - eh nicht in Frage.

Tue Sep 04 11:55:40 CEST 2012    |    Trackback

Kommentiert auf: PASSAT CC TDI DSG:

 

WAVE: Grösste Elektrofahrzeug-Rallye der Welt startet am 9. September

 

[...] scheinen zumindest sehr positiv aufgenommen zu werden. Ich hatte mal hier im Blog drüber berichtet:

 

www.motor-talk.de/.../...e-mobile-elektrische-revolution-t2114956.html 

[...]

 

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