Sat Jun 27 01:23:24 CEST 2015 | Jack GT | Kommentare (7)
Immer um die Urlaubszeit kommt unser Bulli an's laufen. Den größten Teil des Jahres schläft der mittlerweile knapp 25 Jahre alte VW T4 in einem Schuppen, um dann gefordert zu werden. Bei mittlerweile 6 Erdumrundungen (also 240.000 km) fällt dann auch der eine oder andere Verschleiss an - so neulich passiert in Südschweden. Der Inhalt dieses Beitrags erzählt über dieses kleine Malheur und einen findigen Kundenberater.
Alles hat einen Anfang...
T4-Cockpit mit "langer Stange"
Der Ursprung des Defektes liegt eigentlich schon mehrere Jahre zurück. Zu diesem Zeitpunkt versuchte ein Mensch sich von hinten nach vorne im Bulli zu bewegen und kollidierte mit dem Schalthebel. Wie man gut auf dem Innenraumbild sehen kann, ist es keine gute Idee, sich zwischen Stuhl und Schalthebel vorbeizuquetschen, sondern man "umläuft" ihn schlauerweise am Armaturenbrett. Das wusste betreffender Mensch aber leider nicht, was dazu führte, dass sich seitdem der 1. Gang schwer einlegen lässt. Und ja, wäre ich schlauer gewesen, dann hätte ich die Schaltung neu eingestellt (aber bekannntlich ist man hinterher ja sowieso schlauer...).
Ab in den Norden!
Schöne Stadt: Helsingborg, Rathaus
Dieses Jahr ging's geplant wieder einmal in den Norden (Ziel: Schärengärten). Da der alte Trecker ein Fortbewegungsmittel für gemütliche reisende Menschen ist, fahren wir weder schnell, noch rasten wir wenig. So fuhren wir nach ausführlicher Besichtigung im schwedischen Helsingborg erst am Nachmittag Richtung nördlicher Küstenschnellstraße ab. Wir hatten allerdings die Rechnung ohne Rushhour und Kreisverkehr gemacht. Beide gibt es auch in Schweden und wenn eine vielbefahrene Autobahnausfahrt und eine mindestens genauso befahrene Schnellstraße in einem Kreisverkehr zusammentreffen, führt dies zu furchtbaren Staus. Das wiederum sorgte dafür, dass ich andauernd in den 1. Gang schalten und auskuppeln musste.
Das war die Idee: Mit dem Bulli ab in die Schären
Kreisverkehr integriert
Endlich in den Kreisel eingeschert, freute ich mich, den Kreisverkehr hinter mir zu haben. Also ab in den 2. Gang - dachte ich. Der war aber nicht mehr anzutreffen. Stattdessen hatte ich den Kreisverkehr nun in der Schaltung - ich konnte in alle Richtungen rühren, ohne einen Gang zu finden. Glücklicherweise hatten wir durch die Beschleunigung im "gegangenen" 1. Gang noch ein bißchen Geschwindigkeit und ich rollte auf der leicht abschüssigen Schnellstraße mit einem Pulk Autos hinter mir bei eingeschaltetem Warnblinker entlang.
Treffer...
Nachdem ich eine Ausfahrt in ein Industriegebiet sah, rollte ich dort von der Schnellstraße ab. Rechts stand ein großes Gewerbegebietsschild, auf dessen grünen Rasen ich zuhielt und mit letztem Schwung den Bulli von der Straße bekam. Was also nun machen? Wenn man schon ein Gewerbeschild vor der Nase hat, kann man ja gleich einmal schauen, was sich so alles im Gewerbegebiet befindet. Und siehe da: Volkswagen Helsinborg war keinen Kilometer entfernt von mir samt Telefonnummer verzeichnet. Nachdem ich dort angerufen und diverse Male weiterverbunden worden war, erklärte mir der Händler, er könne mir vielleicht helfen, jedoch könne er das Auto nicht die paar Blocks ziehen - dafür bräuchte ich einen Abschleppdienst.
Einen Gang zurückschalten...
Bevor ich einen Abschleppdienst rief (es war mittlerweile16.45h), überlegte ich, ob ich das Auto nicht schneller zu VW bekäme. Nach einigem Rütteln und Herumfummeln im Motorraum war klar: Im Getriebe geht noch was: Ich konnte per "Handeingriff" am Getriebe Gänge einlegen - diese aber weder wechseln noch herausnehmen. Was für ein Glüück: Also offensichtlich "nur" ein Defekt im Schaltgestänge. Auf gut Glück erwischte ich den 3. Gang und konnte nun immerhin weiter zum Händler fahren
Schwedische Kuriositäten
Beim Händler angekommen, traf ich den Serviceberater an, mit dem ich telefoniert hatte. Glücklicherweise hatte er ab 17h noch einen Mechaniker zur Hand, der sich mit mir das Auto ansah. Da er kein Englisch und ich kein Schwedisch konnte, gestaltete sich das ganze leicht kompliziert. Während er von vorne den Motorraum anschaute, versuchte ich den Defekt am Gestänge zu erläutern. Gleichzeitig stellte ich fest, dass die Wählhebelstange sich in alle Richtungen bewegen ließ. Daher kroch ich unter's Auto und konnte den Defekt sehen und fotografieren: Eine gebrochene Schaltstange, wie auf dem Bild zu sehen:
Schluss mit Schalten: Bruch im Guss
Mit Bild und dem schweigenden Mechaniker ging's wieder zu VW rein. Ja, wenn man repariere, dauere dies wohl ein paar Tage - so lange wollte ich aber nicht warten und fragte nach, ob das Teil denn vorhanden sei. Ein Blick in ETKA (den elektronischen Ersatzteilkatalog von VW) ergab, dass in ganz Schweden keine entsprechende Schaltstange vorhanden war: Schicken aus Deutschland würde also schon 5 Tage dauern. Express-Service halt...
Spezielle Lösungen
Das war denn doch etwas blöde: Eine Woche beim VW den Urlaub "verbraten"? Nachdem ich den Händler nach Schrottplätzen (alte T4 mit entsprechenden Teilen) und alternativen Bastellösungen gefragt hatte, wurde plötzlich der vorher stille Mechaniker (der immer noch mit uns zwei vor dem ETKA stand) aktiv: Gestikulierend erklärte er dem skeptisch dreinschauenden Serviceratgeber, über was ich auch gesprochen hatte: Das Teil wieder zusammenzuflicken. Der Vorschlag: VW versucht das Teil wieder zusammenzubekommen - ohne Garantie und Haltbarkeitsangabe - dazu stehe ich am Folgetag um 7h vor der Tür.
All you need: ein Industriegebiet
So übernachteten wir unfreiwillig ein paar Meter weiter auf einem alten Industriegelände in Helsingborg. Während meine Frau im Bulli Essen kochte, schaute ich mir die Sache noch einmal von unten an. Lustigerweise ergab sich auf dem Parkplatz noch ein Schnack mit einem deutschen Transporterfahrer, der Autoteile für Volvo per Express quer durch Skandinavien fuhr und auch dort übernachtete. Am nächsten Morgen waren wir bei VW, der Serviceberater hatte seinem Kollegen den ganzen Prozeß übergeben und nach über 3 Stunden hatte VW Helsinborg diese Lösung gefunden:
Für mich eine prima Lösung, hat sie doch den Urlaub gerettet. Denn obwohl der "Ratgeber" (auf schwedisch heisst der Kundenberater "Servicerådgivare") noch einmal betonte, die Lösung könne auch nur ein paar Kilometer halten, stehen mittlerweile über 1000 zusätzliche Kilometer auf der Uhr. In Kürze kommt hoffentlich das Originalteil über Classic Parts in Dänemark an. Als ich mich vor Abfahrt in die Schären noch einmal bei VW Helsingborg ("Din Bil Sverige") für die unkonventionelle Lösung bedankte, kam zurück: "Genau dafür machen wir doch unseren Job".
Anbei ein paarn Bilder vom Scherengarten, die Dank der speziellen Reperatur doch noch möglich wurden:
Ab in die schwedische Landschaft - Dank spezieller Lösung passt's Wer weit genug oben ist, sieht Mee(h)r Querung von Zuflüssen mittels Schwimmbrücken |
Sat Jun 27 08:53:16 CEST 2015 | PIPD black
Improvisationen halten am längsten.
Sat Jun 27 09:51:41 CEST 2015 | Jakob1982
Mein Kühler Provisorium hält auch nun 5 Jahre schön
Sat Jun 27 10:41:41 CEST 2015 | Acanthus1
Gute Arbeit! Da hast ja noch nen kompetenten Mechaniker gefunden.
Wie war denn genau deine Route durch Schweden?
Sat Jun 27 13:23:05 CEST 2015 | Jack GT
@PIPD black: So ist's . Immerhin hat das alte Teil 25 Jahre gehalten
@Jakob1982: Was hast Du denn beim Kühler improvisiert? Am Golf 2?
@Acanthus1: Genaugenommen ging's von Trelleborg die Westküste hoch. Da begrenzte Zeit, haben wir uns die Ostküste für die Zukunft aufgespart .
Sat Jun 27 19:09:45 CEST 2015 | dieselschwabe
Sehr nette Geschichte!
Und einfallsreiche Reparatur
Sat Jun 27 21:37:57 CEST 2015 | astra33
Schöne Geschichte, gute Foto's und Schweden ist dieses Jahr auch mein Urlaubsziel. Die Heimat von Volvo.
Thu Oct 15 02:43:31 CEST 2015 | Trackback
Kommentiert auf: Tüddelkram und andere Katastrophen:
Alter Schwede: Der Neue
[...] Übung" .
Blieben nun eigentlich nur noch Volvos und Saabs mit den Kriterien übrig. Das passte, da ich es eh mit Skandinavien habe.
Den besten Eindruck hinterließ ein Mindener Saab 9³ Sportkombi, den ich mir auch anschaute. [...]
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