Das Wort Gymkhana sieht so kompliziert aus, wie es die Sportart ist. Wir haben den Meister des Präzisions-Drifts getroffen: Ken Block, der fast immer rutscht, aber nie abhebt.
Köln - Ken Block muss man nicht erklären. Der Gymkhana-Drift-Athlet zirkelt seit Jahren mit seinen Autos durch die Welt und dreht mitten in San Francisco Pirouetten, bis selbst Autohasser verträumt zuschauen. Seine Videos wurden im Internet mehr als 220 Millionen Mal angeschaut. Seit 2005 nimmt der Selfmade-Millionär an Rallyes teil: anfangs nur in der Serie Rallye America, ab 2007 in der World Rallye Championship (WRC) und seit 2012 im amerikanischen Global Rallycross Championship. Wir trafen Ken Block in Köln und lernten einen bescheidenen Mann kennen. Wie die Rallye-Meister der 80er-JahreKen, Du giltst als jemand, der Fliegen mit den Seitenscheiben erschlägt. Wann hast Du damit begonnen? KB: Mein erstes Auto war ein Toyota Corolla Kombi, mit Frontantrieb. Mit dem fuhr ich zur Schule, nicht sehr dynamisch. Aber mein Vater fuhr damals einen Ford F-150. Damit konnte ich ausprobieren, wie man driftet und rutscht. Meine Vorbilder waren die Rallyefahrer der 80er-Jahre. Diesen Fahrstil wollte ich immer imitieren. MT: Du zirkelst wirklich sehr genau mit Deinem Auto über den Asphalt. Das lernt man doch nicht auf öffentlichen US-Straßen? KB: Echtes quer Fahren mit Allrad habe ich tatsächlich erst bei Gymkhana gelernt. Das war 2007, als ich auf Asphalt das Auto richtig rutschen lassen wollte. Die meisten amerikanischen Rallyes finden nämlich nur auf Schotter statt. MT: Mit den Gymkhana-Videos bist Du zum Weltstar geworden. Wie kamst Du darauf, Dich zu filmen? KB: Das erste Gymkhana-Video (Anmerkung der Redaktion: „Testing und Practice“) entstand im Rahmen eines Fahrzeugtests, bei dem wir nebenbei gefilmt haben. Ich wollte für Gymkhana trainieren und wir haben beim Üben Kameras laufen lassen. Ein paar Wochen später habe ich das Rohmaterial gesehen und gedacht: Wow, da müssen wir mehr draus machen. Dann haben wir noch einen Tag gedreht und fertig war das erste Gymkhana-Video. Es war wirklich nur ein Spaß, der in zwei Tagen entstand. Von den Reaktionen war ich total überrascht und bin es immer noch – bei allen Videos. 40 Reifen in vier TagenMT: Bei so einem Dreh raucht es gewaltig. Wie viele Gummis gehen denn pro Video drauf? KB: 20 Reifen waren es bei Gymkhana 6, bei den anderen Videos doppelt so viele. Für Gymkhana 6 haben wir nur zwei Tage gedreht und das nur an einem Ort. Bei Gymkhana 5 in San Francisco waren es vier Tage – das frisst Material. Dazu kommt: Manche Übungen klappen beim ersten Mal, manche fahre ich mehrmals, bis es wirklich spektakulär aussieht. MT: Apropos San Francisco. Wie sperrt man eine US-Großstadt vier Tage lang? KB: Das war kein großes Problem. San Francisco ist gut zum Drehen, weil hier viele Filme und Werbesport produziert werden. Die Verantwortlichen der Stadt wissen, wie es abläuft, selbst die Polizei kennt sich mit Filmdrehs aus. MT: Und der aufgeblasene Motor des Fiesta hält vier Tage? KB: Mein Fiesta hat einen speziellen 2,0-Liter-Rennmotor, der für die WRC entwickelt wurde. Abhängig von der Aufladung leistet der 350 bis 650 PS. Wie lange der Motor hält, hängt davon ab, was ich mit ihm anstelle. Normalerweise schafft er zehn harte Betriebsstunden. Erst dann muss er überholt werden. Der Fiesta ist mein TraumwagenMT: Der Super-Star der Auto-Szene fährt Fiesta. Warum? KB: Ganz ehrlich: Mein Rallyewagen ist mein Traumwagen. Klein und extrem stark, da kann kein Supersportwagen mithalten. Es gibt tolle Autos von Porsche, den Ford GT oder Gruppe-B-Fahrzeuge wie den Ford RS200. Aber ich bin Fahrer. Und das Fahren, wie ich es mag, geht sehr gut mit meinem Fiesta. Tatsächlich ist er das extremste Auto, das ich je gefahren bin. MT: Was fährst Du privat? KB: Einen Ford F-150, wie damals mein Vater, nur als Raptor. Der passt gut in die Berge und zum Schnee. Dazu noch einen Focus ST, einen Mercedes CLS 450 Brabus und noch einen Ford Escort MKII für Oldtimer-Rallyes. MT: Und mit dem F-150 bringst Du Deine Kinder driftend zur Schule? KB: Nein, die sind doch erst zwei, drei und sieben Jahre alt. Wenn meine Kinder an Bord sind, fahre ich sehr vorsichtig. Im normalen Straßenverkehr fahre ich sowieso zurückhaltend. Wenn ich mich austoben will, dann im Rallyeauto. MT: Du bist 46 Jahre alt, sitzt viel im Auto. Wie hältst Du dich fit? KB: Im Winter mit Snowboarden, im Sommer beim Mountainbiken. Dazwischen trainiere ich viel mit einem ehemaligen Kick-Box-Weltmeister. Das hält mich fit, ohne viel Muskelmasse aufzubauen. Beim Rallyefahren kommt es weniger auf dicke Muskeln an, sondern viel mehr auf Beweglichkeit und Schnelligkeit. MT: Der verstorbene Rallye-Fahrer Colin McRae war Dein Vorbild.... KB: ...und der Grund, warum ich überhaupt Motorsportler wurde. Colin war der Größte, mein absolutes Vorbild. Er ist der Grund, warum ich fahre, wie ich fahre. Wir waren gute Freunde, hatten viele Gemeinsamkeiten und beide viel Spaß mit den Autos. Als er starb, traf mich das hart. Wer vorn dabei sein will, muss sauber fahrenMT: Was begeistert Dich am Rallyesport, was an Gymkhana? KB: Rallye fahren und Gymkhana sind total unterschiedliche Disziplinen. Ich habe Rallyes lieben gelernt, als die Fahrer noch jede Ecke dynamisch quer fuhren. Ganz gleich ob bei der Schwedenrallye, bei der Monte-Carlo oder in den Wüsten Afrikas. Diese unglaubliche Fahrzeugbeherrschung, die wollte ich auch können. Quelle: MOTOR-TALK Irgendwann begriff ich aber, dass man nicht besonders schnell ist, wenn man nur quer fährt. Du verlierst dabei viel Zeit. Ich musste sehr sauber fahren, um vorne dabei zu sein. Das war etwas enttäuschend, denn ich liebe das Rutschen und Driften. So kam ich zu Gymkhana. Hier kann ich fahren wie in den Rallye-Videos der 90er-Jahre. MT: Hast Du deshalb auch mit der WRC aufgehört? KB: Die WRC war ein Traum für mich. Aber um vorn dabei zu sein, musst du viel testen, jedes Rennen fahren und das viele Jahre. Ich lebe in den Staaten, die meisten Rennen sind aber in Europa. Meine Sponsoren sind in den Staaten und wünschen sich, dass ich hier beim Rallyecross oder den X-Games dabei bin. Ich musste mich also aufteilen zwischen meinen Verpflichtungen in den USA und der WRC in Europa, hatte zu wenig Zeit für die WRC und konnte kein Top-Level erreichen. Das war und ist das Problem. Es gibt genügend Rennveranstaltungen, an denen ich in den drei Disziplinen Rallye, Rallyecross und Gymkhana teilnehme. So komme ich auf 25 Veranstaltungen im Jahr – das reicht. MT: Hat Dich je die Formel 1 gereizt? Die Erfahrung würde ich gerne sammeln, aber Rundstreckenrennen sind nichts für mich. Ich bin kein Speedjunkie, eher ein Driftjunkie. Lieber Ken, wir danken Dir für das Gespräch. |