Wer einmal einen SLS gefahren ist, dem fehlen zunächst die Worte. Vom besten Benz aller Zeiten gibt es jetzt eine Version, die auch den Atem raubt.
Le Castellet - Superlative und Supersportwagen gehen oft eine unglückselige Verbindung ein und manchmal findet diese in gedruckten Buchstaben ihren traurigen Höhepunkt. Warum ist klar. Schreiber verzweifeln zweifach an Autos wie dem SLS. Erst beim Versuch, den Wagen schnell über die Strecke zu fahren. Dann dabei, das Erlebte an der Tastatur zu verarbeiten. Und wie soll das auch gehen, für jemanden, der nicht im Kart aufgewachsen ist und keine 20 Bestseller geschrieben hat. 631 PS hat der SLS mit der profanen Zusatzbezeichnung Black Series unter der Haube. Der Mercedes AMG Black Series ist gar nicht schwarzDabei ist der Wagen nicht mal schwarz, sondern leuchtet sonnengelb. Mercedes nennt die Farbe Solarbeam.Quelle: Mercedes-Benz Black Series*, das klingt wie halbverrostetes Marketingblech. Es bedeutet dagegen: Hier hatte der Autor mehr Respekt vor den Kurven als je zuvor in seinem Leben. Hier fährt ein Auto, das den Begriff Supersportler in jeder Schraubwindung trägt. Ein paar Beispiele? Bitte: Die 60 PS Mehr-Leistung zaubert hier keiner rein. Die entstehen martialisch, brutal, auf mehr Drehzahl. Bis zu 8.000 Umdrehungen schafft der 6,3-Liter-V8 (statt 7.200 U/min). Passend dazu wurde der Ventiltrieb überarbeitet, die Nockenwelle angepasst, die Tassenstößel erhielten eine Spezialbeschichtung, die Ansaugluftführung wurde optimiert und der Motor entdrosselt. Dazu gehört auch die Erhöhung des Spitzendrucks. Feinste Ingenieurtechnik in schnödem Ingenieurdeutsch verpackt. Quelle: Mercedes-Benz Wichtig für alle Tempomacher: Das Leergewicht sinkt hier um 70 Kilo auf 1.550 Kilogramm, und zwar mit folgenden Maßnahmen: Karbon am Mitteltunnel (-14 Kilogramm), an der Bremsanlage, am Auspuff (-13 Kilogramm) sowie eine deutliche leichtere Batterie (Lithium-Ionen-Technik, - 8 Kilogramm). Doch alle Theorie verschwindet in den Hirnwindungen, wenn Du am Steuer sitzt. An Bord des SLS Black Series, auf einer Rennstrecke im Süden Frankreichs. Es hat gehagelt, geschneit, aber der Asphalt ist nur klamm, nicht nass. Was das driftende Heck und Dr. Joseph Knockout verbindetIch gebe Gas und vergesse mich für ein paar Minütchen. Schon in der ersten Kurve driftet das Heck weg wie Dein Mädchen nach dem Genuss eines doppelten Dr. Joseph Knockouts (Cocktail mit zehn Sorten Rum). Man versucht es festzuhalten, doch die Gewalt des Sogs ist stärker. Ich klammere, ich kämpfe – und warte auf das ESP, das mich wieder in die Spur zieht. Es packt zu, kraftvoll. Ausatmen. Und dann öffnet sich die Strecke, die nächste Kurve ist weit und ich, Du, wir alle treten zu, auf dass der Motor wütet, das 7-Gang-Direktschaltgetriebe flippert und alles zu einem reißenden Strom verschwimmt. Drinnen im Auto fühle ich mich wie der König der Welt, mindestens. Schneller als ihr das lest ist der AMG SLS auf Tempo 100Quelle: Mercedes-Benz Draußen sehen Menschen einen gelben Blitz vorbeidonnern. Das Auge meldet Technik, aber das Ohr und alle anderen Sinne wetten auf Urgewalt. Im Kopf zählt mein Verstand leise mit: „ 1, 2, 3 – 100; 4, 5, 6, 7, 8 -200. Und weil vor mir die nächste Kurve kommt, bleiben die theoretischen 315 km/h Spitze nur eine vage Option. Tage wie dieser eine, an dem ich mit dem stärksten, straßenzugelassenen SLS über den Kurs von Paul Ricard fahre, die sind so kostbar wie der erste Sommertag nach dem Winter. Nur dass hier keine Licht-, sondern eine Adrenalindusche den Körper überschwemmt. Motor vorn, Getriebe hinten und beides bekommt eine eigene FederIch bin schon Autos gefahren, mit denen man den SLS Black Series beim Quartett übertrumpfen würde. Aber ich bin kein Auto gefahren, mit dem ich je schneller war. Quelle: Mercedes-Benz Mit diesem Wagen hat Mercedes die möglichen, zumindest aber bezahlbaren Details des GT3-Rennwagens in ein Straßenauto gepackt. Das spürt man an Kleinigkeiten mit großer Wirkung. Zum Beispiel an zwei Gasdruckfedern. Die eine dämpft die Wucht des Motors (vorn), die andere die des Getriebes (hinten) beim Lastwechsel. Das Auto bleibt so stabiler, vorwärtsorientierter. Überhaupt die Fahrdynamik: Das Rennfahrwerk verfügt über eine zweistufige Dämpfung, die per Knopfdruck individuell angepasst wird. Die Spurweite wurde um 2 Zentimeter vorn und 2,4 Zentimeter hinten verbreitert, neue Radträger und stärkere Stabilisatoren reduzieren das Wankverhalten in Kurven, die geschmiedeten Felgen wiegen vier Kilogramm weniger und ja, die Bremsen bremsen besser, die Rennreifen greifen länger. Angst und Mut kooperieren - es siegt der RespektAber das denke ich nicht, während ich versuche, die Kuren mutig zu fahren. Ich denke: „Verdammt, verdammt, verdammt“. Weil der Wunsch in mir brennt, dieses Auto zu beherrschen, schneller zu bewegen. Quelle: Mercedes-Benz Dabei zeigt mir jede Kurve deutlich, wo mein Limit endet, während der Wagen noch seelenruhig seine Linie hält. Respekt, Angst, ein Hauch Selbsteinschätzung, all das sind keine schlechten Begleiter, wenn man einen 249.990 Euro teuren Wagen bewegt und abends mit der Familie am Küchentisch sitzen mag. Denn die Wahrheit ist: Journalisten sind selten Rennfahrer. Und nicht weniger als ein Rennfahrer sollte man sein, um dieses Auto in all seinen Feinheiten zu genießen. Viel mehr zu Mercedes findet ihr hier
Mercedes SLS Black Series: Technische Daten• Motor: 6,3-Liter-Achtzylinder • Getriebe: 7-Gang-Direktschaltgetriebe • Leistung: 631 PS bei 7.400 U/min • Drehmoment: 635 Nm bei 5500/min • Verbrauch: 13,7 l/100 km • CO2: 321 g/km • 0 – 100 km/h: 3,6 s • Höchstgeschwindigkeit: 315 km/h • Länge x Breite x Höhe in m: 4,64 x 1,94 x 1,26 • Marktstart: Juni 2013
* Auch wenn der SLS schon das 5. Modell dieser Serie ist.
Quelle: MOTOR-TALK |