Beim Lesen des Bonhams-Auktions-Katalog bekommen Auto-Liebhaber einen verträumten Blick: Denn das Werk enthält nur exklusives Blech, das beim Festival of Speed in Goodwood zum Verkauf stand.
Goodwood – „It’s been a hard day’s night!“ Robert Brooks schmunzelt, als er den Hammer auf das Pult schlägt. Die Menge lacht. „Verkauft, für 320.000 Britische Pfund.“ John Lennons erstes Auto hat eben den Besitzer gewechselt. Für umgerechnet 416.344 Euro, inklusive Steuern und Gebühren. Sehr viel Geld, selbst für einen so berühmten Ferrari 330GT. Das Auktionshaus Bonhams hatte den Wert auf 180.000 bis 220.000 Pfund geschätzt. Robert deutet stets auf den Überbotenen, die Aufforderung für ein neues Gebot. Doch oft weilt der Finger nur für Sekundenbruchteile auf einer Person. Dann ist das Auto schon wieder einige 1.000 Pfund teurer. Hinter Robert zeigt ein Monitor den aktuellen Preis an. Selbst der kann bei Roberts Tempo nicht mithalten. In Goodwood unterm Hammer: Autos und AutomobiliaVor Lennons Ferrari hat Robert bereits 255 Autoteile, Fanartikel, Uhren, Spielzeuge und Koffer verkauft, außerdem elf Autos. 53 werden noch folgen. Das improvisierte Auktionshaus – ein riesiges Zelt mit Teppichboden und Bar – hat viele Autofans angelockt. Die wenigsten unter ihnen bieten mit, viele sind nur neugierig. Sie sehen zu, wie sich die Interessenten gegenseitig hochschaukeln und beobachten entsetzt den Preisverlauf. Eben wäre ein Austin Healey beinahe für 9.000 Pfund verkauft worden, Sekunden später liegt der Preis beim Dreifachen. Die Anspannung im Raum, der Konkurrenzgedanke und der Wunsch nach exklusivem Blech lässt die Bieter jegliche Vernunft vergessen. Viele der angepriesenen Autos werden nie wieder fahren, andere befinden sich im „Scheunenfund-Zustand“. Wie ein roter Erstserien-911, das erste Auto auf der Liste. Der war einem Bieter mehr als 30.000 Pfund wert, obwohl er nur „weitestgehend komplett“ und „mit vielen Ersatzteilen“ angeboten wurde. Britisches Edelblech, amerikanische Muskeln und italienischer Sport Der Ferrari von John Lennon war dabei nur ein Vorgeschmack: Das Auktions-Highlight trägt die Nummer 320. Für dieses Fahrzeug liegt dem Katalog ein Extra-Heft bei, das den Zustand in allen Details beschreibt: Mercedes-Benz Classic bestätigt in Bild und Schrift, dass sich der „W196R“ von 1954 in perfektem Originalzustand befindet. Rekord: Mercedes Silberpfeil für 22,7 Millionen EuroDer 59-jährige Silberpfeil wurde nie restauriert. Er trägt die Spuren seines letzten Rennens im Jahr 1955. Der Lack löst sich an vielen Stellen. Besonders dort, wo seine Fahrer beim Beschleunigen mit dem Helm aneckten. Hinter dem dünnen Blech zeugt längst überholte Ingenieurkunst von einer anderen Zeit. Der nach rechts geneigte Reihen-Achtzylinder mit bis zu 280 PS ist original und vollständig. Nur zwei Schlauchschellen sind nachgerüstet. Antriebswellen an den Vorderrädern führen zu innenliegenden Bremsen. Eine Direkteinspritzanlage zerstäubte in den 1950er-Jahren ein spezielles Gemisch aus Benzol, Methanol, Benzin, Azeton und Nitrobenzol. Gitterrohrrahmen und Magnesium-Aluminium-Karosserie haben sechs Jahrzehnte fast unbeschadet überlebt. Nicht einmal das Muster auf dem Fahrersitz ist beschädigt. Das liegt an der verhältnismäßig knappen Einsatzzeit: Der Mercedes sollte, nein, musste gewinnen. Danach stoppte Mercedes das Projekt. Bieter-Krimi in GoodwoodDer W196R ist der einzige Silberpfeil dieser Ära in privater Hand. Experten mutmaßten schon vor der Auktion über einen neuen Rekord, Bonhams prophezeite einen knappen zweistelligen Millionenbetrag. Robert beginnt bei 3,5 Millionen Pfund. Bei einer Summe von 15 Millionen Pfund verlassen ihn Geld oder Lust, der Kampf um den Renn-Benz wird aus der Ferne ausgetragen. Erst bei 17,5 Millionen Britischen Pfund fällt der Hammer – mit Steuern und Gebühren 22,7 Millionen Euro. Warten auf den SilberpfeilDer unbekannte Käufer erhält einen Applaus aus der Menge. 12 Minuten lang haben die Teilnehmer geboten. Viele Zuschauer haben nur auf dieses Exponat gewartet. Nach der Auktion wird der Saal plötzlich leerer. Eben blickte Robert noch stolz in die Menge – so viel Geld wurde bei Bonhams noch nie auf ein Auto geboten. Jetzt schaut sich der Auktionator um und versucht das Publikum auf seinen Plätzen zu halten. Es folgen noch viele schöne Autos, aber keins von ihnen ist so besonders wie der Silberpfeil mit der Startnummer 12. Der Mercedes ist übrigens nicht das teuerste Auto der Welt: Im vergangenen Jahr ersteigerte ein Amerikaner einen mint-grünen Ferrari 250 GTO für 35 Millionen Dollar. Rennlegende Stirling Moss verunglückte einst in diesem Auto und beendete daraufhin seine Rennkarriere.
Quelle: MOTOR-TALK |
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