Die schnellsten Autorennen der Welt dauern weniger lang, als es braucht, diesen Satz zu lesen: Dragster duellieren sich mit gut 10.000 PS. Die Technik hält nur Sekunden.
Las Vegas – Dale Aldo nimmt seine Spielzeuge sehr ernst. Drei kleine Autos begleiten ihn zu jedem Gespräch. In einer Hand hält er das Modell eines „Funny Car“, in der anderen die Miniatur eines „Top Fuel Dragster“. In seiner Hosentasche steckt ein kleineres „Pro Stock“-Auto in Modelleisenbahn-Größe. Dale ist Motorsport Marketing Manager bei Mopar, der Zubehör-Abteilung von Fiat-Chrysler. Er ist zu alt für Spielzeug, aber er muss Vieles erklären. Die Unterschiede zwischen Dragster-Klassen, den Motoren, Details zur Power und den Kosten. Jede technische Frage beantwortet er am Modell. Er nimmt dann die Karosserie vom Rahmen seines Funny Car, zeigt auf Bremsscheiben, Getriebe, Kompressor, Nitromethan-Tank. Was er nicht zeigen kann, das skizziert er auf Papier. Dragsterrennen: Von 0 auf 500 in vier SekundenEs ist der schnellste Sport der Welt, der Dale so fasziniert. In den höchsten Klassen liegen zwischen Start und Ziel wenige Sekunden, zwischen den Kontrahenten ein paar Tausendstel. Auf 305 Meter Strecke beschleunigen Top-Fuel-Dragster auf 500 km/h. Ihre Getriebe haben einen Gang. Die Fahrer geben Vollgas und steuern die Kraftübertragung mit der Kupplung. Erst nach fast 300 Metern schließen die fünf Kupplungsscheiben und übertragen die volle Motorleistung an die Hinterräder. Mehr als 10.000 PS zerknautschen riesige Slicks und prügeln rund eine Tonne Motor auf Rädern über die Strecke. Das Drehmoment ist nicht messbar. Die Fahrer steuern mit winzig kleinen „Butterfly“-Lenkrädern zierliche Vorderräder. Im Idealfall geht es eben nur geradeaus. Ein zweites Rennen findet neben der Strecke statt. Denn die Rennteams schrauben so schnell wie ihre Piloten rasen. Nach jedem Lauf müssen die Motoren überholt werden. Ventile, Lager, Dichtungen, Pleuel, Kupplung, Kompressor, manchmal die Kolben, Köpfe oder sogar die Blöcke. Was verschlissen ist, fliegt aus dem Auto. Dafür haben die Mechaniker 50 Minuten Zeit. Dann startet das nächste Rennen. Nitromethan, Monster-Kompressor und ein dieselnder V8Dale erklärt den Antrieb der Dragster. Ein Finger zeigt hinter den Fahrersitz des Top-Fuel-Modells. Ein anderer an die Front des Funny Cars. Beide Klassen fahren mit den gleichen Motoren an unterschiedlichen Positionen. Das Reglement erlaubt 500 Cubic Inch, also gut acht Liter Hubraum. In den Mopar-Dragstern arbeiten Hemi-Motoren mit riesigen Kompressoren und fünf bar Ladedruck. 700 PS Motorleistung verpuffen an der Mechanik der Lader. Ein Serien-Hemi (6,4 Liter, 492 PS) könnte ihn nicht antreiben. Setzt die Zündung aus, bedeutet das das Ende für den Motor. Die doppelte Menge Kraftstoff würde so stark explodieren, dass der Block völlig zerstört wird. Es riecht wie SilvesterWährend Dale spricht, schielt er auf die Strecke, den Las Vegas Speedway. Er flucht leise, wenn ein Mopar-Renner verliert, pausiert, wenn die Dragster vorbeidröhnen. Bereits im Leerlauf drückt der Schall auf die Kehle. Unter Volllast kriecht der Krach in den Gehörschutz. Die Trommelfelle schmerzen nach ein paar Läufen. Dale versucht gar nicht erst, dagegen anzubrüllen. Zwei Sekunden Burnout, vier Sekunden Rennen, dann redet er weiter. Vor der Materialschlacht steht eine feste Prozedur an. Die Mechaniker lassen den Motor in der Box warm laufen, prüfen Zündzeitpunkt, Luftdruck, Feuchtigkeit. Danach wechseln sie das Öl, tanken voll und ziehen den Dragster zur Startlinie. Ein externer Anlasser schiebt die Kurbelwelle an. Der Dragster fährt durch eine Pfütze, heizt die Reifen mit einem Burnout auf und rollt zurück zur Startlinie. Dann startet das Rennen. Nach 0,8 Sekunden sind die Dragster 160 km/h schnell. Die berühmte Viertelmeile ist zu lang für die stärksten Dragster-Klassen. Die Autos werden schlicht zu schnell. Deshalb fahren sie 1.000 Foot, also 305 Meter. Nur die Pro-Stock-Renner mit 1.500 PS starken V8-Saugern geben 402 Meter lang Vollgas. In dieser Saison fahren sie noch mit Vergaser-Motoren. 2016 bekommen sie Einspritzanlagen. Ein Sport, mit dem niemand reich wird Das liegt vor allem an den hohen Unterhaltskosten. Die Rahmen halten einige Jahre, aber die Karosserien der Funny Cars nur etwa eine halbe Saison. Beschädigungen lassen sich nur eine begrenzte Zeit reparieren. Bei Zeitunterschieden von wenigen Tausendstelsekunden können 10 Kilogramm Spachtelmasse den Sieg kosten. Das Funny Car sah früher wirklich lustig ausSo präzise wie heute war der Dragster-Sport vor 50 Jahren nicht. Wo heute Techniker die Motoren auf Lage und Temperatur abstimmen, gab es früher rudimentäre Problemlösungen. 1965 versuchten Dragster-Teams, die Traktionsprobleme auf der Hinterachse mit einer neuen Karosserieform zu bekämpfen: Sie versetzten die Hinterachse nach vorn. Mehr Druck auf den Reifen sollte beim Start helfen. Das Ergebnis sah so kontrovers aus, dass die Fans solche Autos „Funny looking cars“ nannten. Ein Jahr später saß die Achse wieder hinten, es gab Gitterrohrrahmen und Benzineinspritzungen. Der Name „Funny Cars“ ist aber bis heute geblieben. |
