Supersportler, Traumwagen, technisches Kunstwerk: Der Lamborghini Aventador SV Roadster lässt sich schwer definieren. Deshalb haben wir zwei Texte geschrieben. Teil 2.
Berlin – Es dauert drei Sekunden, „Lamborghini Aventador Superveloce Roadster“ auszusprechen. Einen halben Wimpernschlag vorher ist der schnellste offene Aventador auf Tempo 100. Er ist der fünfte Lambo, der das Kürzel „SV“ auf dem Blech trägt. Nach Miura, Diablo, Murciélago und Aventador Coupé macht Lambo zum ersten Mal einen Roadster superveloce, also superschnell. Roadster zu tunen, hat Nachteile. Ihnen fehlt die Stabilität, die ein festes Dach konstruktiv mitbringt. Deswegen müssen zusätzliche Versteifungen ins Chassis. 50 Kilo Extra-Gewicht, das beschleunigt, gebremst und gelenkt werden muss. Der Sprint auf Tempo 100 dauert im SV Roadster eine Zehntelsekunde länger als im Coupé (2,9 Sekunden). Bis Tempo 200 sind es 0,2 Sekunden (8,8 Sekunden). Wie der SV Roadster funktioniert? Lest Ihr hier: Der Lambo zum Nachschlagen. Das Gewicht: 1.575 Kilo trocken Wie viel wiegt er genau? Darüber redet Lamborghini so gern wie über den Realverbrauch. 1.575 Kilogramm Trockengewicht stehen im Datenblatt. Vermutlich, weil das EU-Gewicht nicht so schön klingt. Denn mit Motoröl (13 l, etwa 11 kg), Kühlwasser (25 l, 25 kg), 90 Prozent Tankfüllung (81 l, 60 kg) und Fahrer (75 kg) wiegt der Aventador SV Roadster 1.746 Kilogramm. Hinzu kommen Kleinigkeiten wie Getriebeöl, Bremsflüssigkeit und das Kältemittel der Klimaanlage. Macht ungefähr 1.750 Kilo. So viel wie eine Mittelklasse-Limousine. Aber nur etwa 30 Kilo mehr als ein Huracán Spyder (V10, 610 PS). Ja, es gäbe noch verzichtbares Material im Auto, theoretisch. Doch die Liftanlage an der Vorderachse ausbauen? Schwerlich. Klimaanlage und elektrische Spiegel hergeben? Ungern. Das heiße Triebwerk treibt dem Fahrenden den Schweiß aus allen Poren, die Übersicht ist grottenschlecht. Der Motor: V12, sechseinhalb Liter, 750 PS Für das Autoquartett: 6,5 Liter Hubraum, 60 Grad Zylinderwinkel, zwölf Kolben und eine Verdichtung von 11,8:1. Für die Faszination: Der gesamte Motor nimmt in etwas so viel Platz ein wie ein Quader aus zwölf 24er-Bierkästen (2 x 3 x 2). Dabei wiegt er mehr als 13 volle Kisten (235 kg). Die Kolben jagen bei Maximaldrehzahl mit durchschnittlich 78 km/h durch die Zylinder. Dann dreht sich die Kurbelwelle 8.500 Mal pro Minute. In dieser Zeit blitzen die Zündkerzen 51.000 Mal. Verglichen mit dem Vorgänger-V12 aus dem Murcielago sitzt das Triebwerk tiefer im Fahrzeug. Das verbessert das Handling. Turbolader, Kompressoren oder Direkteinspritzung gibt es nicht. Dafür variable Steuerzeiten. Gegenüber dem Standard-Aventador verbessert Lambo Ventilsteuerung, Ansaugtrakt und Abgasanlage. Die Leistung steigt von 700 PS bei 8.250 Touren auf 750 PS bei 8.400 Umdrehungen. Die Fahrleistungen verbessert das nur marginal. Start-Stopp kann auch dieses kraftstrotzende Meisterwerk. Im Teillastbereich spart der Motor (bitte nicht lachen), indem er eine Zylinderbank abschaltet. Mal die linke, mal die rechte. Das bringt schon was, theoretisch. Bei uns schwankte der Spritverbrauch auch stark, kennt ja jeder. Zwischen 27 und 31 Liter. War halt auch mal Stadtverkehr und freie Autobahn. Für die Abgaspolitik sollen es laut Lambo 16 Liter sein. Das Getriebe: Schneller als Blinzeln „Independent Shift Rod“ heißt die Technik am Getriebe. Gerade und ungerade Gänge bekommen je eine eigene Betätigung. Das Getriebe zieht gleichzeitig den ersten Gang aus der Gasse und legt den zweiten Gang ein. Dabei lupft kurz die Kupplung, die Zündfunken setzen aus. Die Fahrer spüren einen kräftigen Schlag. Einen Aventador mit Heckantrieb wird es nie geben. Zu viel Power für eine Achse, findet Lambo. Trotzdem tut der SV beim Sprint so, als könne er ausbrechen. Ganz kurz qualmen die Hinterräder, dann koppelt die Vorderachse über eine Lamellenkupplung zu. Maximal die Hälfte der Kraft kommt vorn an. Viele Kompaktwagen nutzen eine ähnliche Allradtechnik. Lamborghini installiert zusätzlich ein mechanisches Sperrdifferenzial hinten. Die Karosserie: Carbon, Aluminium, Epoxidschaum Der SV Roadster bekommt eine optimierte Frontschürze und einen gewaltigen, dreifach verstellbaren Heckflügel (für maximalen Abtrieb oder hohe Geschwindigkeit). Lamborghini verspricht 170 Prozent mehr Abtrieb als bei einem Serien-Aventador sowie eine um 150 Prozent bessere „aerodynamische Effizienz“. Das Fahrwerk: Push-Rod-Aufhängung mit adaptiven DämpfernBeim Fahrwerk unterscheidet sich der Aventador von den meisten Autos. Lamborghini baut eine sogenannte Push-Rod-Aufhängung ein. Die Federbeine mit Öhlins-Dämpfern sitzen waagerecht in der Fahrzeugmitte, eine komplizierte Umlenkmechanik aus Aluminium überträgt die Kräfte. Mittlerweile nutzen mehrere Supersportler mit Straßenzulassung diese Technik – der Lambo war der erste. Die Vorteile: Die Radführung über doppelte Querlenker läuft unabhängig von der Dämpfung. Zudem sind die Federbeine besser mit der Karosserie verbunden. Der Lambo fährt stabiler. Hinter die 20- und 21-Zoll-Räder schraubt Lamborghini eine Bremsanlage mit Carbon-Keramik-Scheiben. Alle Bremsscheiben sind 38 Millimeter stark, innenbelüftet und gelocht. Vorne messen sie 40 Zentimeter im Durchmesser, hinten 38. Aluminium-Festsättel mit sechs bzw. vier Bremskolben pressen die Beläge an die Scheiben. Der Bremsweg aus Tempo 100 liegt bei glatten 30 Metern. Viel Technik, viele Zahlen, viel Faszination. Wie es aussieht, klingt und fährt, lest Ihr hier in Teil 1. Ein paar Eindrücke haben wir für Euch in einem kurzen Video festgehalten: Lamborghini Aventador SV Roadster: Technische Daten
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