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Dauertest: 10 Tage Mercedes 190 fahren - Aber bitte mit Klima

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Fast ein Jahr hatten wir einen Mercedes 190 E. Ein tolles Auto, das wir mit einigen von Euch teilten. Hier schreibt MOTOR-TALKer Frank über seine Fahrt ohne Klimaanlage.

Frank Selig hat unseren 190 zehn Tage lang getestet Frank Selig hat unseren 190 zehn Tage lang getestet Quelle: Frank Selig

Berlin - Die MOTOR-TALK-Redaktion durfte einen Mercedes 190 E ein Jahr lang auf den Berliner Straßen testen. Damit der Benz auch mal etwas anderes als Stadtverkehr erlebt, haben wir die MOTOR-TALKer dazu aufgerufen, sich für einen 10-Tage-Test zu bewerben. Der zweite Testfahrer Frank ist mit dem 190er durch Berlin gefahren. Hier ist sein Bericht.

"Zuerst die gute Nachricht: Der Mercedes 190 E, Baujahr 1987, verfügt über keinen Parkpiloten, keine Geschwindigkeitsregelanlage, kein Navigationssystem, keine 64-GB-Festplatte, keine Bluetooth-Anbindung, keine Sitzheizung, keine elektrisch anklappbaren Außenspiegel und keine ...

Der 190E: Ein Fest fürs Auge

Die Silhouette des 190 E ist klassisch Die Silhouette des 190 E ist klassisch Quelle: Frank Selig Jetzt kommt die weniger gute Nachricht: Er verfügt auch über keine Klimaanlage. „Das macht nichts“, meint die nette MOTOR-TALK-Mitarbeiterin bei der Wagenübergabe in der Grünberger Straße in Friedrichshain. „Dafür hat er ein Schiebedach.“ Richtig, aber bei 34 Grad im Schatten fährt es sich nur mit geöffnetem Schiebedach und heruntergekurbelten Seitenscheiben einigermaßen erträglich durch die Berliner City. Doch genug der Nörgelei.

Für das Auge ist der moderne Klassiker ein Fest: klare Linien im Profil, eine Sicke, die Scheinwerfer und Rückleuchten optisch verbindet, der Tankdeckel streng geometrisch in der Verlängerung der Türgriffe, eine strukturierte Motorhaube und ein Kühlergrill, dessen Chromgitter vom beweglichen Mercedes-Stern gekrönt wird.

Der Stern wirkt in knapp gebauten Parkhausspiralen sehr beruhigend auf die Seele, doch er ist auch heute noch eine leichte Beute für Souvenirjäger. Das Fahrzeug steht auf 185er-Conti-Reifen, die Felgen aus Stahl werden von Plastikkappen verdeckt. Das gefällt mir. Hier sind weder Alu noch Breitreifen notwendig.

Noch keine 80.000 Kilometer

Frank Selig am Steuer unseres Dauertesters Frank Selig am Steuer unseres Dauertesters Quelle: Frank Selig Innen ist das Fahrzeug schlicht und übersichtlich. Beim Blick aufs Armaturenbrett erfreue ich mich an den Instrumenten aus dem Analogzeitalter. Tacho, Drehzahlmesser, Temperatur, Öldruck sind per Zeiger klar ablesbar, ebenso die Uhr, die während der zehn Testtage allerdings beharrlich auf 15:14 Uhr verweilte. Wenig aussagekräftig ist das Instrument für die Verbrauchsanzeige. Da ist der rechte Fuß des Fahrers schon genauer geeicht. Ein bisschen störend: das nicht entspiegelte Glas vor der Instrumentierung.

Bevor ich zum ersten Mal im 190er Platz nehme, staune ich über die tadellose Qualität der Sitzbezüge: Wenn das die Originalbezüge sind, dann hat darauf nie jemand in Jeans oder anderen derben Beinkleidern gesessen. Die Bezüge sehen aus, als hätten sie das Werk gerade erst verlassen. Der Wagen hat knapp 80.000 Kilometer auf dem Tacho. Das ist wenig für ein 27 Jahre altes Auto, aber genug für Gebrauchsspuren auf dem Fahrersitz. Insgesamt wirkt das Fahrzeug sehr gepflegt.

Bei der Fahrt mit dem 190E sinkt der Puls

Doch wie fährt sich der Baby-Benz? Klare Antwort: gut. Der Ottomotor springt sofort an, die vier Gänge lassen sich passabel einlegen, der Motor dreht bis 6.000-mal in der Minute, wenn es Gewissen und Geldbeutel zulassen. Frühes Schalten ist natürlich sinnvoll und möglich, unter 2.000 Umdrehungen sollte man aber schon eher von geduldiger Natur sein. Das ergibt sich bei diesem Fahrzeug aber fast von allein.

Die analogen Instrumente des Mercedes 190er Die analogen Instrumente des Mercedes 190er Quelle: Frank Selig Man ist gar nicht gewillt, in Hektik auszubrechen. Bereits beim Platznehmen auf dem Fahrersitz geht der Puls ein wenig langsamer. Das Herz-Kreislauf-System schaltet automatisch auf Cruising, denn genau dafür wurde der 190er gebaut. Die Lenkung spricht direkt an und der Wendekreis ist ungewöhnlich klein. Das dürre Lenkrad erinnert an Thomas Müller, das Klacken der Blinker klingt nach Mercedes. Die Lüftung wird laut, sobald man sie hochdreht. Und bei einsetzendem Regen stürmt der Einarmwischer über die Frontscheibe, als wolle er sich unsichtbar machen.

Auf der Rückbank können zwei Erwachsene bequem sitzen. Auch im Kofferraum gibt es genug Platz. Nur wer schnell zur Sporttasche greifen will, muss aufpassen. Sonst wird sein Kopf Ziel der Rückschwingmechanik des Kofferraumdeckels. Das Becker-Avus-Radio empfängt exzellent. Der Radioklang genügt einfachen Ansprüchen. Auf eine eingehende Prüfung des Kassettendecks verzichte ich aufgrund von ausgeprägten Erinnerungen an Bandsalate.

Unauffällig und durstig

An der Tankstelle hat man seine Ruhe. Niemand fragt, was ich denn da für ein tolles Fahrzeug habe. Dafür ist der 190er einfach zu unscheinbar. Unscheinbar oder doch eher klassisch? Die Designer haben mit dem 190er ein zeitlos schönes Modell geschaffen, das zumindest mir gut gefällt. Vielleicht ist der Im Kofferraum des Mercedes 190 E ist jede Menge Platz Im Kofferraum des Mercedes 190 E ist jede Menge Platz Quelle: Frank Selig kleine Benz aber auch einfach noch zu oft auf der Straße zu sehen.

Ziemlich unangemessen ist der Spritverbrauch des Mercedes. Das können andere besser. Zu kurz war die gemeinsame Zeit, als dass sich genaue Daten in unterschiedlichen Fahr- und Nutzungssituationen ermitteln ließen.

Ja, kurz war die Zeit. Ein klein wenig Wehmut schwingt mit bei Abgabe des Fahrzeuges in der Grünberger Straße. Ein toller Wagen. Sollte ich mich vielleicht auf dem Gebrauchtmarkt umschauen? Warum nicht? Ein 190er – aber bitte mit Klima!"

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