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EU und Regierung einigen sich über Maut - Alles Wichtige zur PKW-Maut

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Update: Deutschland hat einen Maut-Kompromiss ausgehandelt. Für ausländische Fahrer gibt es mehr Kurzzeittarife. Inländer erhalten einen Öko-Bonus. Alle Einzelheiten.

Haben eine Einigung zur deutschen Pkw-Maut erzielt: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (l.) und EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc Haben eine Einigung zur deutschen Pkw-Maut erzielt: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (l.) und EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc Quelle: dpa/Picture Alliance

Brüssel - Nach monatelangem Streit mit der EU-Kommission ist eine Einigung über die deutsche Pkw-Maut in Sicht. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und die zuständige Kommissarin Violeta Bulc trafen sich am Donnerstag in Brüssel und besiegelten den Kompromiss politisch. Dabei geht es zum Teil um Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland. Aus der Opposition und vom Koalitionspartner SPD wurden Bedenken laut.

Als Entgegenkommen hatte Berlin eine stärkere Spreizung der Preise für die Kurzzeitmaut vorgeschlagen. Für Autofahrer bedeutet das im Einzelnen:

  • Mautpreise für Inländer: Alle inländischen Autobesitzer müssen für das knapp 13.000 Kilometer lange Autobahnnetz und das 39.000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen eine Jahresmaut zahlen. Die wird vom Konto abgebucht. Sie richtet sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Autos. Im Schnitt kostet sie 74 Euro, maximal 130 Euro. Benziner sind günstiger als Diesel.
  • Mautpreise für Fahrer aus dem Ausland: Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf den Autobahnen. Neben der genauso berechneten Jahresmaut gibt es zwei mögliche Kurzzeittarife: Eine Zehn-Tages-Maut für 2,50 Euro, 4, 8, 14 oder 20 Euro sowie eine Zwei-Monats-Maut für 7, 11, 18, 30 oder 40 Euro.
  • Ausgleich für Inländer: Inländer sollen für Mautzahlungen durch eine geringere Kfz-Steuer wieder entlastet werden - auf den Cent genau. Bei besonders schadstoffarmen Autos (Euro 6) soll die Steuer sogar stärker sinken als es dem zu zahlenden Mautbetrag entspricht.
  • Besondere Fahrzeuge: Mautpflichtig sind auch Wohnmobile. Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sind mautfrei.
  • Kontrollen: Statt an Klebe-Vignetten sollen Mautzahler über das Nummernschild ihres Autos zu erkennen sein. Kontrolliert werden soll dies in Stichproben durch einen elektronischen Kennzeichen-Abgleich. Daten sollen nur hierfür erfasst und schnell wieder gelöscht werden.
  • Strafen: Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldbuße zahlen. Genaue Summen sind noch nicht festgelegt. Geldbußen sollen auch im Ausland eingetrieben werden.
  • Rückzahlungen: Inländer, die nachweisen wollen und können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein.
  • Inkraftreten: Wann die Regelungen greifen, ist vorerst offen. Zuerst müssen die bereits geltenden Gesetze geändert werden. Sicher ist: Starten kann die Maut erst nach der Bundestagswahl im Herbst 2017.

Kein Deutscher soll mehr zahlen als heute

Die von Dobrindt lange propagierte 1:1-Entlastung für deutsche Autofahrer bei der Kfz-Steuer ist wie erwartet vom Tisch. Die EU lehnt diese 1:1-Kompensation als verbotene Benachteiligung von Ausländern ab. Stattdessen sollen bei der Kfz-Steuer Halter besonders umweltfreundlicher Fahrzeuge stärker entlastet werden.

Der Kompromiss mit der EU-Kommission sieht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vor, dass moderne Euro-6-Fahrzeuge insgesamt um 100 Millionen Euro jährlich mehr entlastet werden sollen als bisher geplant. Sie sollen etwas mehr Steuer-Entlastung bekommen, als sie Maut zahlen müssen.

Eine Mehrbelastung für umweltschädlichere Autos soll nicht kommen. Dies schließt der Koalitionsvertrag von Union und SPD aus.

Trotz der geplanten Änderungen soll die Maut weiterhin die prognostizierten 500 Millionen Euro pro Jahr einbringen. Dazu soll neben Mehreinnahmen aus den Kurzzeittarifen auch beitragen, dass das Verkehrsaufkommen von Autos aus dem Ausland auf deutschen Straßen gestiegen ist.

SPD: Nachweis, dass niemand mehr zahlt

Eine Zehn-Tages-Maut könnte je nach Fahrzeug 2,50 Euro, 4 Euro, 6 Euro, 14 Euro oder 20 Euro kosten Eine Zehn-Tages-Maut könnte je nach Fahrzeug 2,50 Euro, 4 Euro, 6 Euro, 14 Euro oder 20 Euro kosten Quelle: dpa/Picture Alliance Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Martin Burkert (SPD), sagte: "Auch wenn die Maut jetzt europarechtskonform sein sollte, sind meine grundsätzlichen Bedenken nicht aus dem Weg geräumt." So müsse Dobrindt im Parlament den Nachweis erbringen, dass deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belastet werden. SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sagte, die Maut dürfe kein Selbstzweck sein: "Was wir ganz sicher nicht brauchen, ist ein Bürokratiemonster, das die zusätzlichen Einnahmen auffrisst."

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sagte: "Es hat von beiden Seiten Bewegung bedurft, aber jetzt liegt eine europarechtskonforme Lösung vor." Er hoffe, dass dies in Berlin auch schnell umgesetzt werde, sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP).

Linke-Verkehrsexperte Herbert Behrens kritisierte, zu erwarten sei nicht mehr als eine Verabredung, wie eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof vermieden werden könne. Es bleibe unklar, "ob die Ausländer-Maut überhaupt noch etwas in die Kasse bringt oder am Ende nicht sogar ein Minus-Geschäft wird".

Niederlande wollen klagen

Die Niederlande wollen gegen die Einführung der Pkw-Maut in Deutschland klagen. Das sagte Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegen am Donnerstagabend in Brüssel der niederländischen Nachrichtenagentur ANP. Auch wenn die EU-Kommission den Plänen zustimme, würden die Nachbarländer Deutschlands vor Gericht ziehen.

Nach ihren Worten ist auch Österreich mit dabei. Belgien und Dänemark würden sich möglicherweise der Klage ebenso anschließen, sagte die Ministerin der Agentur. Die Maut-Pläne nannte Schultz besorgniserregend. "Diese Sorgen können nur ausgeräumt werden, wenn die Maut nicht eingeführt wird."

Österreich will vorerst keine schnellen Schritte einleiten, den Weg zum Europäischen Gerichtshof aber nicht ausschließen. Die österreichischen Parlamente würden sich den Kompromiss zwischen Dobrindt und der EU-Kommission "sehr genau anschauen", kündigte der verkehrspolitische Sprecher der Regierungspartei SPÖ, Anton Heinzl, am Freitag im Deutschlandfunk an. "Und wenn sich herausstellt, dass die Österreicherinnen und Österreicher diskriminiert werden, dann werden wir diese Maut mit allen Mitteln bekämpfen und das heißt natürlich auch mit rechtlichen Mitteln."

Tschechien warnte ebenfalls vor einer Ungleichbehandlung von Deutschen und EU-Ausländern durch die Maut. Ob sich Prag einer Klage anschließen würde, ist unklar. Grundsätzlich habe Berlin ein Recht darauf, eine Pkw-Maut zu erheben, sagte Verkehrsminister Dan Tok.

Was passiert bei einer Klage?

Einzelne Staaten wie die Niederlande können sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) wenden, wenn sie der Ansicht sind, dass ein anderer Mitgliedstaat gegen EU-Recht verstößt. Dies hätte nicht automatisch aufschiebende Wirkung.

Allerdings können die Kläger separat eine einstweilige Anordnung beantragen. Dann würden die Luxemburger Richter in einem beschleunigten Verfahren entscheiden, ob die Maut vorerst nicht angewendet werden dürfte. Wie lange eine Maut-Klage von Nachbarländern vor dem EuGH dauern würde ist unklar. Die durchschnittliche Prozessdauer - von mündlichen Anhörungen bis zum Urteil - liegt bei rund 18 Monaten.

Das höchste EU-Gericht würde dann entscheiden, ob die Maut-Regelungen im Einklang mit europäischem Recht stehen. In letzter Konsequenz könnte Deutschland verpflichtet werden, die Gesetze noch einmal zu ändern.

Quelle: dpa

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