Update: Deutschland hat einen Maut-Kompromiss ausgehandelt. Für ausländische Fahrer gibt es mehr Kurzzeittarife. Inländer erhalten einen Öko-Bonus. Alle Einzelheiten.
Brüssel - Nach monatelangem Streit mit der EU-Kommission ist eine Einigung über die deutsche Pkw-Maut in Sicht. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und die zuständige Kommissarin Violeta Bulc trafen sich am Donnerstag in Brüssel und besiegelten den Kompromiss politisch. Dabei geht es zum Teil um Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland. Aus der Opposition und vom Koalitionspartner SPD wurden Bedenken laut. Als Entgegenkommen hatte Berlin eine stärkere Spreizung der Preise für die Kurzzeitmaut vorgeschlagen. Für Autofahrer bedeutet das im Einzelnen:
Kein Deutscher soll mehr zahlen als heuteDie von Dobrindt lange propagierte 1:1-Entlastung für deutsche Autofahrer bei der Kfz-Steuer ist wie erwartet vom Tisch. Die EU lehnt diese 1:1-Kompensation als verbotene Benachteiligung von Ausländern ab. Stattdessen sollen bei der Kfz-Steuer Halter besonders umweltfreundlicher Fahrzeuge stärker entlastet werden. Der Kompromiss mit der EU-Kommission sieht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vor, dass moderne Euro-6-Fahrzeuge insgesamt um 100 Millionen Euro jährlich mehr entlastet werden sollen als bisher geplant. Sie sollen etwas mehr Steuer-Entlastung bekommen, als sie Maut zahlen müssen. Eine Mehrbelastung für umweltschädlichere Autos soll nicht kommen. Dies schließt der Koalitionsvertrag von Union und SPD aus. Trotz der geplanten Änderungen soll die Maut weiterhin die prognostizierten 500 Millionen Euro pro Jahr einbringen. Dazu soll neben Mehreinnahmen aus den Kurzzeittarifen auch beitragen, dass das Verkehrsaufkommen von Autos aus dem Ausland auf deutschen Straßen gestiegen ist. SPD: Nachweis, dass niemand mehr zahlt Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sagte: "Es hat von beiden Seiten Bewegung bedurft, aber jetzt liegt eine europarechtskonforme Lösung vor." Er hoffe, dass dies in Berlin auch schnell umgesetzt werde, sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP). Linke-Verkehrsexperte Herbert Behrens kritisierte, zu erwarten sei nicht mehr als eine Verabredung, wie eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof vermieden werden könne. Es bleibe unklar, "ob die Ausländer-Maut überhaupt noch etwas in die Kasse bringt oder am Ende nicht sogar ein Minus-Geschäft wird". Niederlande wollen klagenDie Niederlande wollen gegen die Einführung der Pkw-Maut in Deutschland klagen. Das sagte Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegen am Donnerstagabend in Brüssel der niederländischen Nachrichtenagentur ANP. Auch wenn die EU-Kommission den Plänen zustimme, würden die Nachbarländer Deutschlands vor Gericht ziehen. Nach ihren Worten ist auch Österreich mit dabei. Belgien und Dänemark würden sich möglicherweise der Klage ebenso anschließen, sagte die Ministerin der Agentur. Die Maut-Pläne nannte Schultz besorgniserregend. "Diese Sorgen können nur ausgeräumt werden, wenn die Maut nicht eingeführt wird." Österreich will vorerst keine schnellen Schritte einleiten, den Weg zum Europäischen Gerichtshof aber nicht ausschließen. Die österreichischen Parlamente würden sich den Kompromiss zwischen Dobrindt und der EU-Kommission "sehr genau anschauen", kündigte der verkehrspolitische Sprecher der Regierungspartei SPÖ, Anton Heinzl, am Freitag im Deutschlandfunk an. "Und wenn sich herausstellt, dass die Österreicherinnen und Österreicher diskriminiert werden, dann werden wir diese Maut mit allen Mitteln bekämpfen und das heißt natürlich auch mit rechtlichen Mitteln." Tschechien warnte ebenfalls vor einer Ungleichbehandlung von Deutschen und EU-Ausländern durch die Maut. Ob sich Prag einer Klage anschließen würde, ist unklar. Grundsätzlich habe Berlin ein Recht darauf, eine Pkw-Maut zu erheben, sagte Verkehrsminister Dan Tok. Was passiert bei einer Klage?Einzelne Staaten wie die Niederlande können sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) wenden, wenn sie der Ansicht sind, dass ein anderer Mitgliedstaat gegen EU-Recht verstößt. Dies hätte nicht automatisch aufschiebende Wirkung. Allerdings können die Kläger separat eine einstweilige Anordnung beantragen. Dann würden die Luxemburger Richter in einem beschleunigten Verfahren entscheiden, ob die Maut vorerst nicht angewendet werden dürfte. Wie lange eine Maut-Klage von Nachbarländern vor dem EuGH dauern würde ist unklar. Die durchschnittliche Prozessdauer - von mündlichen Anhörungen bis zum Urteil - liegt bei rund 18 Monaten. Das höchste EU-Gericht würde dann entscheiden, ob die Maut-Regelungen im Einklang mit europäischem Recht stehen. In letzter Konsequenz könnte Deutschland verpflichtet werden, die Gesetze noch einmal zu ändern. Quelle: dpa |
