Porsche sagt, ein Allrad-911er fährt auf der Nordschleife genauso schnell wie sein heckgetriebener Bruder. Bis es regnet. Dann wird er schneller. Eine Ausfahrt.
Graz – Das ewige Rennsportidol Walter Röhrl sagt: "Im Rallye-Sport wurde meine Vermutung bestätigt, dass ein Auto mit zwei angetriebenen Rädern nur eine Notlösung ist." In Zuffenhausen gibt man dem Herrn Röhrl zwar oft, aber nicht immer Recht. In diesem Punkt aber kommt man ihm entgegen. Und baut für die, die es wollen, den 911 in allen Varianten mit Allrad. HeckfixiertIn dieser Entscheidung steckt auch etwas Frevel. Bei einem Porsche liegt das Hauptaugenmerk traditionsbedingt auf dem Heck. Hier röhrt der Boxer, hier geben die Gummis Traktion, hier hilft ein Spoiler, wenn die Luft droht, der Karosse die Bodenhaftung zu entziehen. Es wundert also niemanden, dass sich der Allrad-Carrera 4 vom Standard-Elfer nur von hinten unterscheidet. Hier wächst das Hinterteil des 911 um 2,2 Zentimeter in die Breite, und zwar auf beiden Seiten. Spur und Reifendimensionen passen sich an. Ein durchgängiges Leuchtband zitiert die bisherigen Allrad-Elfer. Grünes GewissenAuf der Straße fährt sich der Carrera 4 wie ein Hecktriebler. Herbstsonne, trockene Landstraßen. Ich rufe wenig Leistung ab, die Vorderräder rollen nur mit. Wie das geht? Ganz intelligent. Das Porsche Traction Management (PTM) erkennt eine sparsame Fahrweise und entkoppelt den vorderen Antriebsstrang. Das reduziert den Rollwiderstand und spart Sprit. Wenn ich vom Gas gehe, kuppelt das Doppelkupplungsgetriebe (Aufpreis: 3.510 Euro) aus, der Boxer im Heck brabbelt kaum hörbar im Leerlauf. Das nennt sich „Segeln“ und funktioniert nur mit dem PDK automatisch. Traktion in allen LebenslagenIch lasse den Elfer laufen. Je stärker ich beschleunige, je schneller ich in die Kurven steuere, desto mehr arbeiten die Vorderräder mit. Neigt sich die Haftung der Hinterräder der Grenze zu, schließt die Lamellenkupplung komplett. Dann treiben beide Achsen den Porsche mit jeweils 50 Prozent der Kraft an. Der Wagen bleibt besser in der Spur. Auf Österreicher Serpentinen zeigt er sich von engen Kurven und wechselnden Straßenverhältnissen wenig beeindruckt, ich erreiche nicht einmal annähernd den Zustand schwindender Traktion. Dann schalte ich in den Sport-Modus. Der sorgt für direktere Gasannahme, ein steiferes Fahrwerk und deaktiviert die Start-Stopp-Automatik. Wie sinnig, die braucht hier momentan eh niemand. Per Tastendruck werden die Sound-Klappen in der Auspuffanlage geöffnet, dann steuere ich weiter, der nächste Scheitelpunkt wartet. Lastwechsel, Kurvenkombinationen, viel Gas, auch wenn es wenig Sinn macht. Der Elfer zuckt nicht, rutscht nicht, zittert nicht, er fährt einfach, schön und perfekt auf seiner Linie. Macht ein Allradantrieb Sinn?Im Straßenverkehr kann der 911er seine Fähigkeiten im Grunde nie ausspielen, der Allrad-911er erst recht nicht. Aber wenn es schneit, wenn es stark regnet, wenn der Untergrund rutschig ist, dann immer gefällt im Alltag so ein Allrad-Porsche besser als jeder andere. Dass er auf der Nordschleife nicht schneller fährt als der normale Carrera - geschenkt. Immerhin kompensiert er seine 70 Kilo Mehr-Gewicht mit höheren Kurvengeschwindigkeiten. Weil viele Porsche aber mehr in der Stadt als auf dem Ring gefahren werden, wählen seit 1989 41 Prozent aller 911-Käufer die Ziffer „4“ im Schriftzug. Für rund 10.000 Euro Aufpreis kaufen sie die Gewissheit, die 350 PS des 3,4-Liter Sechszylinder-Boxers bei jeder Witterung auf die Straße zu bringen. Porsche 911 Carrera 4: Technische Daten
Der Schnelle:
Der Schnellere
Quelle: MOTOR-TALK |