Köln – Die Aufregung war groß, als Audi vor 25 Jahren mit eigenen Angeboten in die Luxusklasse wollte. In Ingolstadt pochten damals meist fünf Töpfe unter der Haube, da war das Vertrauen in so ein Projekt nicht zu groß. Zumal BMW damals den 7er mit einem Zwölfzylinder austattete und Mercedes mit dem „Kohlpanzer“ W140 gleich in ganz neue Sphären vorzudringen schien.
Dann kam der V8. Ein Auto, mit dem Audi in der gleichen Liga spielen wollte. Dazu bekam er Allrad und einen 32-Ventil-Achtzylinder aus Aluminium.
Der Neue muss sich beweisen
Statussymbole auf dem Prospektfoto: Audi V8 vor einem Learjet Quelle: Audi
Der Neuling konnte keine Jahrzehnte an Erfahrung und Ruf mit einbringen, um populär zu werden. Darum ging Audi einen völlig anderen Weg. Als erste Luxuslimousine fuhr der Audi V8 Quattro ab 1991 in einer Rennserie. Mehr noch, er gewann. Zwei Jahre in Folge holte er den Titel der DTM (Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft). Erst mit Strietzel Stuck, dann mit Frank Biela. Zeiten waren das.
Die Bilderbuch-Siege sollten dem bis zu 5,19 Meter langen Ingolstädter Flaggschiff Respekt und Anerkennung bringen. Eine vergebliche Hoffnung. Denn der große Audi verkaufte sich trotz Lob von der Fachpresse und viel technischer Finesse selten. Es mangelte ihm an Prestige und Design.
Der V floppt, der A bringt den Erfolg
Dies änderte sich erst 1994 mit dem Audi A8. Der mit VW bestens verbundene damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder wählte ihn oft als Dienstfahrzeug. Doch der erste Audi-Achtzylinder litt an Fehlern, die auch mehrere Überarbeitungen nicht lösen konnten. So blieben die Verkaufszahlen gering.
Eigentlich sollte der V8 Audi 300 heißen - Audi 100 und 200 sahen ihm sehr ähnlich Quelle: Audi
Der Audi V8 sollte ursprünglich als Audi 300 vorgestellt werden, weil er den kleineren Modellen Audi 100 und 200 so stark ähnelte. Seine prägnante Bezeichnung und die markante Kühlerfront erhielt er erst kurz vor der Premiere auf dem Pariser Salon.
V8: Ein eigener Name für die Oberklasse
Eine Namensänderung, die klar machen sollte: Der V8 soll kein Zwilling der kleineren Audi-Modelle sein. Schließlich bestanden 90 Prozent der Teile der Oberklasselimousine aus Neukonstruktionen. Die Entwicklungsvorgabe lautete: Weltweit sollte es kein Fahrzeug geben, das mit dem V8 technisch vergleichbar wäre. Deshalb zählten Allradantrieb und vollverzinkte Karosserie zur Serie. Die Zylinderköpfe stammen dagegen von einem Allerweltsauto: dem Golf 2 16V.
„Aufstiegskandidat“ oder „Auf höchstem Niveau“ lauteten die Schlagzeilen, mit denen die Motorpresse das neue Ingolstädter Bis zur Premiere des V8 fuhren die teuersten Audi mit Fünfzylindern Quelle: Audi
Spitzenmodell würdigte. Seien es die Polster in edlem Leder oder in purer Wolle, Aluräder im damals stattlichen 7,5x15-Zoll-Format, das feine Soundsystem oder die Klimaautomatik – alles war im Grundpreis von rund 100.000 Mark enthalten.
Viel Ausstattung, kein Image
Andererseits war der Audi V8 deutlich teurer als ein imagestarker (aber ausstattungsschwacher) Mercedes 500 SE. Zu viel Geld für zu wenig Prestige, die meisten Käufer blieben deshalb beim Benz. Audi verkaufte weniger als die Hälfte dessen, was vom V8 geplant war.
Dennoch versuchte die Marke beharrlich, die Popularität ihres Luxusliners zu steigern. So gab es ab 1991 eine neue V8-Basisversion. Die war durch das Weglassen von Klimaanlage, Lederpolstern und Audiosystem 17.000 Mark preiswerter. Andererseits konnte der große Audi nun sogar als 4,2-Liter-V8 in einer Langversion bestellt werden, die fast 163.000 Mark kostete.
Nur Limousinen von Bentley und Rolls-Royce waren damals noch teurer. Doch sogar die englische Luxusklasse konnte werksseitig noch nicht mit dem großen Kommunikationspaket ausgerüstet werden, das Audi anbot: Das innovative C-Netz-Telefon mit Anrufbeantworter kostete 7.000 Mark (die Gesprächsminute anschließend zwei Mark), die Videoanlage mit Fernbedienung 8.000 Mark und das Faxgerät in der hinteren Mittelarmlehne 9.000 Mark.
Der DTM-V8 holte zwei Meisterschaften. Damals waren die Fahrzeuge noch seriennah Quelle: Audi
Geradezu ein Sonderangebot waren da schon die praktischen Tischchen für die Fondpassagiere, für die Audi 4.500 Mark berechnete. Wem der bis zu 249 km/h schnelle Ingolstädter mit komfortbetonter Viergang-Automatik zu träge beschleunigte, konnte ihn mit manuellem Fünf- oder Sechsganggetriebe ordern. Nur 6,8 Sekunden benötigte der 4,2-Liter-Schalter für den Sprint auf Tempo 100 - damals der Klassenbestwert und vergleichbar mit Supersportwagen. Allein bei niedrigen Drehzahlen fehlte es dem V8 an Durchzug.
Problemloser Langläufer mit viel Durst
Die beiden Achtzylindermaschinen zeigten sich auf Langstrecken sparsamer als die Wettbewerber. Sparsamer bedeutete hier allerdings nicht sparsam. Der Verbrauch lag zwischen 14 und 17 Litern auf 100 Kilometern.
Wie bei Mercedes galten Laufleistungen von über 400.000 Kilometer ohne Motorrevision bei den V8 als normal. Gut so, denn Ersatzteil- und Wartungskosten hatten ebenfalls Oberklasseniveau. Kosten, die von den Kunden bereitwillig akzeptiert wurden.
Deshalb haben bis heute erstaunlich viele Audi V8 überlebt. In sechs Jahren entstanden nur rund 21.000 Stück – trotzdem waren V8-Kunden die zufriedensten.