Berlin - Im Herbst 1973: Die OPEC-Staaten lassen den Westen erstmals spüren, wie abhängig er vom Öl ist. Im israelisch-arabischen Jom-Kippur-Krieg setzen die Förderländer das Öl als Waffe ein. Sie verhängen ein Embargo gegen die USA und die Niederlande, die übrigen Industrieländer erhalten plötzlich viel weniger Öl. In der Folge explodieren die Preise. 1973 kostet ein 159-Liter-Fass drei Dollar. 1979, auf dem Höhepunkt der zweiten Ölkrise, sind es 38 Dollar für ein Barrel.
Anders als oft behauptet wurde, kam das nicht ganz überraschend. Der Bochumer Historiker Rüdiger Graf sagt: „Es gab vorher schon Indizien für eine Versorgungskrise“. Er verweist auf frühere Konflikte wie die Suez-Krise 1956 und den Sechs-Tage-Krieg 1967. Experten hätten schon damals über den rasant steigenden Ölverbrauch diskutiert, erst recht, als die USA um 1970 die Förderung im eigenen Land bis ans Limit trieben.
Vier autofreie Sonntage
Heute erscheint all das wie eine skurrile Anekdote aus einer anderen Zeit. „Benzin ausverkauft“-Schilder an Tankstellen, Hauptstraßen und Autobahnen ohne Autos – festgehalten in Schwarz-Weiß. Was heute undenkbar ist, war für die Industriestaaten in den 70ern eine existenzielle Bedrohung. Die Ölkrise bescherte den Deutschen vier autofreie Sonntage - die Bürger machen das Beste aus der Situation und gehen auf der Autobahn spazieren Quelle: dpa/Picture Alliance
Deutschland reagierte und verordnete im Jahr 1973 vier autofreie Sonntage und ein vorübergehendes Tempolimit. 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen. Es folgte die Einführung der Sommerzeit - um das Tageslicht optimal zu nutzen und Energie zu sparen.
Gleichzeitig begann Europa, nach mehr Unabhängigkeit zu streben. Die Bundesregierung beschloss den Bau von 40 Atomkraftwerken. Großbritannien und Norwegen bohrten in der Nordsee nach Öl - sie zählen heute zu den wichtigen deutschen Öllieferanten.
Neue Ölkrise kaum denkbar
Eine neuerliche Ölkrise halten Experten für sehr unwahrscheinlich. „Wir sind völlig anders aufgestellt“, sagt Hubertus Barth, vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Am 25. November 1973 kontrollierten Polizisten am Autobahnkreuz Köln-Nord die Einhaltung des Fahrverbots Quelle: dpa/Picture Alliance
Deutschland deckt nur noch ein Drittel seines Primärenergiebedarfs mit Öl - vor 40 Jahren war es mehr als die Hälfte.
Außerdem können die OPEC-Staaten nicht mehr so einen großen Teil des Ölflusses steuern: „Nur bei einem Flächenbrand am persischen Golf wäre so etwas wie eine neue Krise denkbar.“
Begrenzte Konflikte hält das System heute aus. Während des Bürgerkriegs in Syrien zapften die Industriestaaten 2011 ihre Notfallreserven an. Koordiniert von der Internationalen Energieagentur fielen weltweit die Ölpreise. 28 Länder sind in der Agentur organisiert, ihre Reserven reichen für 146 Tage.
Die Ölkrise hat unser Verhältnis zur Energie grundlegend gewandelt. Der Historiker Graf sieht heute eine „Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch.“ Bis in die 70er habe Wachstum stets bedeutet, dass im gleichen oder noch höheren Maße der Verbrauch wachse. Das sei heute zumindest im Westen anders.
Quelle: dpa