Eine Britin an der Spitze einer französischen Traditionsmarke? Bei Citroën will Linda Jackson einiges ändern. Zu neuen Autos verriet sie leider nichts, trotz Currywurst.
Berlin – Improvisiert, überlastet und ein bisschen piefig: Auf dem Flughafen Berlin-Tegel spüren Ankommende schnell, was Berlin von glamourösen Metropolen wie London, Paris oder Madrid unterscheidet. Wir treffen eine der mächtigsten Frauen der Automobilbranche in einer zugigen Ecke des Hauptstadtflughafens: gelbe Hocker, Hektik, rote Wände. Manches in Tegel hat sich seit den 1970ern kaum verändert, diese Hocker zum Beispiel. Die Citroën-Chefin Linda Jackson trinkt einen Tee. Seit Juni 2014 führt die Britin die traditionsreiche PSA-Marke, zog von Birmingham nach Paris. Der Berliner Flughafen-Tee sei besser als der Tee in Frankreich, sagt sie – als Kompliment ist das nicht gemeint. Quelle: MOTOR-TALK Am Nachmittag wird Jackson auf dem hochkarätig besetzten Automobilwoche-Kongress ihre Strategie für Citroën vorstellen, vorher nimmt sie sich Zeit für uns. Im mattschwarzen C4 Cactus geht es in die MOTOR-TALK-Werkstatt nach Berlin-Friedrichshain. Eine lange Fahrt durch den dichten Verkehr. Linda Jacksons Haarschnitt erinnert ein wenig an Judy Dench, die einige Jahre James Bonds Chefin „M“ spielte. Wenn die 56-Jährige über ihren Job spricht, klingt das jedoch eher wie Maggie Smiths „Professor McGonagall“ in Harry Potter: Sehr britisch und bestimmt tritt sie auf, so ganz anders als ihr Vorgänger Frédéric Banzet. Banzet ist Franzose, verbrachte seine gesamte Laufbahn im PSA-Konzern und gehört außerdem zur Peugeot-Familie. Auf diesen Stallgeruch legte der neue PSA-CEO Carlos Tavares offenbar keinen Wert. An die Citroën-Spitze setzte er stattdessen die britische Ökonomin, die erst vor 10 Jahren von MG-Rover zu Citroën kam. Bewertungen gegen die Betriebsblindheit„Meine Hauptaufgabe ist es, Dinge zu vereinfachen“, sagt Jackson. Ob sie damit die französische Vorliebe für höchst komplizierte Regeln meint? „Exactly“. Sie habe viel Kreativität in Frankreich vorgefunden, anderes sei „weniger effektiv“. Deshalb habe Tavares sich einen „frischen Blick von außen“ an der Citroën-Spitze gewünscht. „Bringt mir kein Problem, sondern eine Lösung“, sei nun das Credo. Quelle: MOTOR-TALK Citroën muss sich in vielen Dingen wandeln, davon ist Jackson überzeugt. Sie habe ihre Teams aufgefordert, sich konsequent in die Rolle des Kunden zu versetzen. Das führe zu einfachen Lösungen, auch wenn sie manchmal schmerzen. Deshalb habe man zum Beispiel Online-Kundenbewertungen für Händler und Servicebetriebe eingeführt. Denn der Kunde, glaubt Jackson, will wissen, welche Erfahrungen andere Autofahrer bei ihrem Händler gemacht haben. Reibungspunkte zwischen Händler und Kunde sieht Linda Jackson eher nach dem Autokauf als währenddessen, dafür seien die Bewertungen besonders wichtig. Auch sei man höchst interessiert daran, warum jemand keinen Citroën gekauft habe. Klarheit hat bei Jackson auch, wer typische Autojournalistenfragen wie diese stellt: Citroën plant sieben Kernbaureihen, welche sollen das genau sein? „Dazu haben Sie nichts gelesen, weil ich dazu nie etwas sage“, lautet die Antwort. Dass künftig ein SUV darunter sein wird, ist klar. Allerdings kein Peugeot-2008-Ableger, sondern „eine eigenständige Entwicklung“. Dass die umsatzträchtigsten Baureihen C3 und C4 demnächst erneuert werden müssen, ist ebenfalls logisch. Und die Cactus-Cabrio-Studie „Cactus M“? „Das war nur eine Studie“, sagt Jackson. Der Wachstumsrückgang in China beunruhige sie nicht. Schließlich wachse der Markt weiter, in dem Citroën im Jahr 2014 fast 330.000 Autos verkaufte. Außerdem habe man in Europa die Trendwende geschafft. Digitalisierung und ElektrifizierungQuelle: MOTOR-TALKLinda Jackson lässt sich nicht locken: Ob Citroën nach dem C-Zero ein weiteres Elektroauto plane? „Wir entwickeln in alle Richtungen, nicht jede Technik passt zu jedem Kunden“: Einen starken Einfluss von Europas CO2-Regulierung auf diese Fragen bestreitet sie nicht. Das bedeutet auch, dass Citroën nicht so bald ein Elektroauto braucht: Beim Thema CO2 liegen PSA und Renault mit ihren Verbrennern weit vorn. Strengere Regeln kommen erst im nächsten Jahrzehnt, „so lange dauert das nicht mehr, natürlich arbeiten wir daran“. Höflich beißt Linda Jackson in ein Stück Currywurst. Am Nachmittag auf dem Automobilwoche-Kongress wird sich vieles um das Internet drehen. "Die Digitalisierung verändert unser Leben komplett. Wir telefonieren anders, wir fotografieren anders und wir kaufen anders ein", wird sie dort sagen. Daher prüfe Citroën zum Beispiel den direkten Online-Kauf inklusive Finanzierung. Vom Mini zum CactusAls Dienstwagen wählte Linda Jackson keinen C5 in Chauffeurs-Ausstattung, keine Hydropneumatik. Nach eigenen Worten fährt die Chefin C4 Cactus, und das gern. Ins Schwärmen gerät sie dennoch erst beim Gedanken an die vielen schönen Oldtimer im Citroën-Museum. Ihr Lieblings-Citroën? DS? „Sicherlich nicht“, schmunzelt Jackson. Dem elegant-klassischen Traction Avant gehört ihr Herz. „Beautiful“. Eine Frage noch, Frau Jackson: Ihr erstes Auto war doch sicher ein Brite? „Ja, ein Mini. Eine sehr übliche Wahl damals: Er war klein, billig und überall“. Die Pommes zur Currywurst rührt Linda Jackson übrigens nicht an. |