Manche Träume führen ein Eigenleben, werden von der Realität befeuert oder halten den Tatsachen nicht stand. Der Traum des ambitionierten Sportfahrers, einen Porsche an die Grenzen der Fahrphysik zu bringen, ist schon lange Allgemeingut. Lässt er sich heute noch verwirklichen? Mit einem Porsche an die Grenzen der Haftreibung vorzustossen, ist einer der am höchst gehandelten feuchten Träume der meisten Menschen mit der einfachen X-Chromosom Bestückung. Dabei wird es einem heute gar nicht mehr so einfach gemacht. Denn "ein Porsche" ist im Gegensatz zu Früher ja nicht mehr eindeutig eine Bezeichnung für einen Sportwagen. Heutzutage kann "ein Porsche" auch eine Armbanduhr, eine mit Svarovski-Glasperlen besetzte Damenjacke , ein Espresso-Tassen-Set oder ein Baby-Strampler sein. Bringen sie die mal an die Grenzen der Fahrphysik, das macht nicht halb soviel Spaß wie es sich anhört! Bleiben wir also mal bei Fahrzeugen, vergessen wir das Tretauto und den Allgeier-Porsche, bleiben wir bei den Autos die tatsächlich von der Porsche AG hergestellt wurden. Früher war das eine einfache Geschichte, angefangen hat es 1950 mit dem 356, der über 15 Jahre das Rückgrat des Autobauers bildete. Eine exotische Konstruktion mit Heckmotor und unverkennbarer Verwandtschaft zum Käfer, dessen kleiner Boxermotor den 356 zu unglaublichen Höhenflügen befähigte. Nicht zuletzt unterstützt durch die präzise Fertigung und sprichwörtliche Solidität, ermöglichte der 356 das ganz besondere Sportwagenerlebnis. Seine Grenzen auszuloten war ein erkenntnisreicher Prozess, die knappe Motorleistung wirkte als begütigendes Element. Keiner seiner damaligen Konkurrenten liess sich so sicher Fahren und auch von Ungeübten so schnell bewegen, denn er flösste seinem Fahrer Vertrauen ein. Sein Nachfolger, der 911 mit seinem potenten Sechszylinder, erwies sich als weniger umgänglich. Er forderte seinen Fahrer mit seinen hohen Ansprüchen geradezu heraus und nur Könner trauten sich mit ihm an die Grenzen der Haftreibung heran. Das plötzlich ausbrechende Heck zu bändigen war eine Kunst für sich. Hier hatten die Porsche Ingenieure eine kompromisslose Fahrmaschine entwickelt, die von den Passagieren Nehmerqualitäten einforderte, denn weder Komfort noch Alltagstauglichkeit hatten prominente Stellen im Lastenheft besetzt. Für den 911 empfahl sich daher ein Besuch auf Rennstrecken, denn nur hier war es ansatzweise möglich, sein Potenzial auszureizen. Er legte den Grundstein für den oben erwähnten, weit verbreiteten Traum. Es kursieren Gerüchte, er werde heute immer noch gebaut oder zumindest Autos, die so ähnlich aussehen. Eine kurzes Gastspiel durfte der als Volksporsche geschmähte 914 geben. Der kompakte Mittelmotorsportler wurde nach einer mündlichen Vereinbarung mit dem VW-Oberen Heinrich Nordhoff entwickelt und gebaut. Der plötzliche Tod Nordhoffs besiegelte auch das Ende des kleinen Fahrzeugs, das seinem Namensgeber Porsche auf der Straße alle Ehre machte. Seine Konstruktion mit dem vor der Hinterachse hinter den Sitzen verstecktem Motor sollte den Porsche Konstrukteuren noch lange im Gedächtnis bleiben und Jahre später erneut Anwendung finden. Mit ihm wurde der Traum auch für größere Kreise erreichbar, auch er sorgte für die richtige Portion Nervenkitzel. Wären die Vereinbahrungen mit Nordhoff schriftlich festgehalten worden, hätte er sich wahrscheinlich einer größeren Verbreitung erfreuen dürfen. Sein Nachfolger, der 924, war wieder im Auftrag Volkswagens entwickelt worden und wieder wollte man dort von dem Ergebnis nichts mehr wissen. Der Wagen mit Audi-Motor und vielen Volkswagenteilen hatte mit Akzeptanz-Problemen zu kämpfen, mehr als sein Vorgänger sah man ihm das profane Erbe der Massenmotorisierung an. Der 924 war aber trotz seines Großserienmotors ein anspruchsvoller Sportwagen, dessen ausgeglichene Gewichtsverteilung dank Trans-Axle-Bauweise zu schnellen Rundenzeiten verhalf, einzig die hinteren Trommelbremsen wollten nicht recht dazu passen. Die verschwanden zwar im Laufe seiner langjährigen Bauzeit und wurden durch angemenssene Bremscheiben ersetzt und auch der Audi-Motor wich einer echten Porsche-Konstruktion, aber dem Nimbus des 911ers konnte er trotzdem nicht das Wasser reichen. Das sollte nach Willen der Porsche Ingenieure endlich dem Ablöser des erfolgreichen Evergreens gelingen, der 928, der 1980 präsentiert wurde. Nach kaum zwanzig Jahren Bauzeit des 911 fanden die Jungs bei Porsche, es sei jetzt an der Zeit, einmal etwas Neues auszuprobieren, und konstruierten den 928 vollkommen anders als die in die Jahre gekommene Heckschleuder. Ein wassergekühlter V8 auf der Vorderachse, das war ein harter Brocken, den die traditionsverliebten Kunden schlucken sollten. Das aufwändige Fahrwerk und modernste Bremsentechnik samt ABS legten die Latte für den ambitionierten Sportfahrer sehr hoch. Die Jungs von Porsche hatten Ernst gemacht und die alten Zöpfe abgeschnitten! Schnipp! Schnapp! Die Kunden wollten aber keine neue Frisur, sondern den alten Facon-Schnitt behalten! Das der neue Porsche ein bisschen zu schwer war, um mit dem alten Recken mitzuhalten, gab ihren Argumenten zusätzliches Gewicht. Wenn der Neue wenigstens ein Verkaufserfolg gewesen wäre, dann hätte das dem 911 das Ende bereiten können. Aber das gute Stück zeigte nur unzureichende Eignung als Kundenmagnet und der 911 verkaufte sich so gut wie eh und je. Also blieb er im Programm und wurde schrittweise verändert. Nach und nach verlor er sein gutes Aussehen, setzte ein paar Pfunde um die Hüfte an, bekam Augenringe und verlor sie wieder dank kosmetischer Aufarbeitung. Den glücklosen 928 schleppte Porsche noch bis 1995 mit, dann verschwandt der Ungeliebte in der Versenkung. Mit Wendelin Wiedeking wehte ab 1993 ein neuer Wind im Hause Porsche, er sanierte den mittlerweile siechenden Sportwagenbauer gründlich. Gleichteile- und Plattform-Strategie sowie Rationalisierung lauteten die Begriffe, unter deren Banner ein neuer Porsche im Programm Einzug hielt, der Boxster. Damit hatte Porsche zwei zugkräftige Modelle im aktuellen Programm, die sich bis zu den Vorderrädern glichen, wie ein Spiegelei dem Anderen. Wieder Erwarten ging nun Porsche, zumindest wirtschaftlich, ab wie Schmidts Katze. Im selben Jahr, als Wiedeking die Weichen für Porsche neu stellte, stiess auch Walter Röhrl zur Weissacher Sportwagenschmiede. Er half den Ingenieuren und Entwicklern, die Fahrwerke von Porsche abzustimmen und die Regelung der neuen elektronischen Fahrhilfen harmonisch in die Perfomance zu integrieren.Außerdem verhalf er dem Hause Porsche zu sportlichen Weihen, ohne das dieses ein kostspieliges Engagemnet in Rennserien mit zweifelhaften Erfolgen hätte finanzieren müssen. Und seit dem braucht man sich um die Grenzen der Physik eigentlich keine Sorgen mehr zu machen, denn erstens erklimmt ein Normalsterblicher die Höhepunkte des Fahrkönnens eines Walter Röhrl in der Regel ohnehin nicht, und zweitens würden die elektronschen Heinzelmännchen bei ihrem Erreichen schon das Schlimmste verhindert haben. Mit einem aktuellen Porsche können sie den Traum also vergessen! Wie schön, dass es noch so viele gut erhaltene Porsches aus der Vor-Elektronischen Ära gibt, mit denen die alten Träume immer noch wachgehalten werden können. Wenn sie einen haben, behalten sie ihn so lange wie möglich. Walter Röhrl schwört übrigens auf seinen Porsche 911 Baujahr 1987 mit dem 3,2 Liter-Boxer. von Frank Brendel
Quelle: Carsablanca |
verfasst am 14.09.2009
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