Köln - „Das schönste Auto überhaupt!“ Dieser enthusiastische Kommentar galt auf der IAA 1989 nicht dem exorbitant teuren Klappscheinwerfer-Keil BMW 850i oder der jüngsten Ferrari-Kollektion. Gemeint war ein erschwinglicher Opel: Im kleinen Schwarzen enthüllte Steffi Graf damals den Opel Calibra, und die anwesende Weltpresse applaudierte. Und zwar ähnlich lange wie einst bei der Vorstellung des Opel GT.
Tatsächlich teilte sich der Calibra vieles mit dem Klassiker. Zum Beispiel den Vater: Opel-Chefstilist Erhard Schnell zeichnete für beide Opel-Coupés mitverantwortlich. Während der zweisitzige GT von 1968 noch auf dem Kadett B basierte, nutzte der viersitzige Calibra die Plattform des modernen Vectra A.
Auffällig: Die schmalen Schlitze, aus denen der Calibra in die Welt schaute. Opel Calibra Sondermodell DTM Edition, 1995 Quelle: Opel
Der Calibra sollte der Manta-losen Zeit ein Ende machen und später mit Sechszylinder-Motoren sogar einen Ersatz für den Monza bieten. Beides gelang ihm verblüffend gut: Mit knapp 240.000 Einheiten erreichte das bis 1997 gebaute Coupé zwar nicht die Stückzahlen des Manta. Wettbewerbern wie Ford Probe, Volkswagen Corrado, Nissan 200 SX und Honda Prelude konnte er aber locker das Wasser reichen.
Der Calibra jagte BMW und Mercedes
Opel machte zu der Zeit vieles richtig, galt als innovativ, sportlich und noch nicht mit den Qualitätsmängeln der Lopez-Ära befleckt. Mit einem gewissen Neid betrachteten die Konkurrenten die Bilanz der deutschen GM-Tochter, deren Umsatzrendite doppelt so hoch lag wie etwa beim VW-Konzern. Werbeträger wie Steffi Graf und der FC Bayern und emotionale Autos wie der Calibra – es war eine gute Zeit.
Mit dem Blitz vor der Brust machte der Calibra bei der DTM erfolgreich Jagd auf BMW M3 und AMG-Mercedes. Bei der Internationalen Tourenwagen-Meisterschaft (ITC) als vorübergehende DTM-Nachfolgeserie gewann der Opel Calibra 1996 mit Manuel Reuter gleich beide Titel in der Fahrer- und Markenwertung.
1987 startete der altgediente Opel Manta als Exclusiv gerade in seine letzte Verkaufsrunde. Auf dem Genfer Salon zeigte Opel das noch namenlose „Concept“ eines neuen Stromliniencoupés. Die Japaner dominierten damals das arg geschrumpfte Feld bezahlbarer Sportcoupés: Der Ford Capri war vergessen, der VW Corrado erst nur Ankündigung und dann zu teuer.
Einer für die Welt
So mutierte die Studie vom Lac Leman in nur 18 Monaten zur Serienversion: Mit dem cW-Bestwert 0,26 und dem Namen Calibra. Ein klangvolles Kunstwort aus der Kreativ-Werkstatt des Modellnamen-Entwicklers Manfred Gotta.
Bei Valmet entstand der Prototyp eines Calibra Cabrio, das es leider nicht in die Serie schaffte Quelle: GM Europe
In Australien wurde das Coupé als Holden Calibra, in Großbritannien als Vauxhall Calibra und in Südafrika als Chevrolet Calibra vermarktet. Allein die europäische Nachfrage übertraf die Erwartungen so deutlich, dass der Manta-Erbe nicht nur in Rüsselsheim, sondern ab 1991 zusätzlich im finnischen Valmet-Werk in Uusikaupunki gebaut wurde.
Vielfalt unter der Haube
Dort entstand sogar ein Calibra Cabrio, eine Kür, die sich Valmet als Cabriolet-Spezialist nicht nehmen lassen wollte. Umso größer die Enttäuschung, als es der offene Calibra nicht in die Serienproduktion schaffte. Zum Trost gab es verblüffend viele andere Varianten: Gab es die meisten Rivalen nur mit einer oder zwei Motorisierungen, stand das Opel Coupé mit vielen Motoren, Getrieben und sogar mit Allrad im Angebot.
Das Grundmodell mit 115 PS kostete bescheidene 33.900 Mark, nicht viel mehr als VWs betagter Scirocco und 8.000 Mark weniger als eine Toyota Celica. Der 150-PS-starke Calibra 2.0i 16V ließ mit 223 km/h Höchstgeschwindigkeit sogar weit leistungsstärkere Maserati im Rückspiegel verschwinden. Der Top-Calibra bot dank Turboaufladung sogar 204 PS.
Allradtechnik war beim Turbo Standard, die Höchstgeschwindigkeit lag nahe der 250-Km/h-Schallmauer. Nur 6,8 Sekunden gönnte sich dieser „2.0i 16V turbo 4x4“ bis zum Passieren der 100 km/h-Marke, weniger als ein Corrado VR6, nur ein Tick mehr als der neue Vierzylinder-Porsche 968.
Für prestigebewusste Fahrer war ab Mitte 1993 der Calibra 2.5i mit Sechszylinder verfügbar, dessen 125 kW/170-PS-starker Benziner manchen früheren Opel-Monza-Fahrer begeisterte.
Auf dem Weg zum Klassiker
Opel Calibra am Hockenheimring mit ITC-Champion Manuel Reuter, 1996 Quelle: Opel
Coupés vor zu schnellem Altern zu bewahren ist eine besondere Kunst. Beim Calibra genügten regelmäßige kleine kosmetische und technische Korrekturen. Schließlich gilt sein Design bis heute als zeitlos elegant. Als im Frühjahr 1997 die letzte limitierte Edition zu den Händlern fuhr, hatte der Dreitürer seine zeitgenössische Coupé-Konkurrenz längst überlebt.
Die Fangemeinde des Calibra tröstete das nicht, denn die neuen Rüsselsheimer Sportmodelle waren kein echter Ersatz: Kleinwagen und Kompakte mit Namen wie Tigra und Astra. Den Kultstatus des Calibra konnte kein sportlicher Opel mehr erreichen.
Insgesamt baute Opel 238.647 Calibra, davon 144.669 in Rüsselsheim und 93.978 bei Valmet in Finnland. Der aktuelle Bestand an Calibra in Deutschland beträgt noch rund 11.000 Einheiten.
Langsam entwickelt sich eine Liebhaberszene, die Wert auf originalen Zustand und Pflege legt: Die Schnäppchen-und-Spoiler-Phase des Calibra geht zu Ende, er bereitet sich auf die Würde des H-Kennzeichens vor.
Quelle: SP-X