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Autobranche investiert zunehmend in neue Mobilitätskonzepte - Autohersteller auf Partnersuche im Internet

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Gemeinsam stark: So könnte die Devise der Autobranche in Zukunft lauten. Ein Hinweis auf den Wandel: Der Einstieg von gestandenen Marken in rasant wachsende Start-ups.

Von links nach rechts: VW investiert in Gett, Toyota beteiligt sich an Uber und Apple steigt beim chinesischen Fahrdienst Didi ein Von links nach rechts: VW investiert in Gett, Toyota beteiligt sich an Uber und Apple steigt beim chinesischen Fahrdienst Didi ein Quelle: picture alliance / dpa

Berlin - Zuletzt wirkte es so, als seien die großen Autokonzerne förmlich auf der Jagd nach Online-Fahrdiensten. An einem einzigen Tag im Abstand von nur wenigen Stunden kündigten die beiden weltgrößten Autohersteller Toyota und Volkswagen den Einstieg beim führenden Fahrdienst-Vermittler Uber und beim Konkurrenten Gett an.

Ist das schon eine Art Torschluss-Panik? So viele große Fahrdienste gibt es schließlich nicht. Kurz davor beteiligte sich der iPhone-Konzern Apple - dem Pläne zum Einstieg in das Automobilgeschäft nachgesagt werden - mit einer Milliarde Dollaran der chinesischen Taxi-App Didi Chuxing. Und schon Anfang des Jahres steckte die Opel-Mutter General Motors (GM) 500 Millionen Dollar in den Uber-Konkurrenten Lyft.

Der japanische Hersteller Toyota will in Zukunft mit dem US-Unternehmen Uber zusammenarbeiten Der japanische Hersteller Toyota will in Zukunft mit dem US-Unternehmen Uber zusammenarbeiten Quelle: picture alliance / dpa

Neue Mobilitätskonzepte

Die Ansage: Sich an die Zukunft anpassen, in der nicht unbedingt immer mehr Autos gekauft, sondern gemietet oder geteilt werden - vielleicht sogar als Roboter-Taxis selbstständig durch die Straßen fahren. Darum sind die Fahrdienste bei den Herstellern als Partner auf einmal heiß begehrt. Es geht dabei auch darum, die Kunden genau kennenzulernen: Die Fahrdienste wissen, wer wann wohin unterwegs ist.

Uber allerdings ist für einen großen Einstieg inzwischen schlicht zu teuer geworden. In der jüngsten Finanzierungsrunde soll das wegen seiner aggressiven internationalen Expansion umstrittene Start-up aus San Francisco mit 60 Milliarden Dollar bewertet worden sein.

Kein Wunder, dass Toyota dem Vernehmen nach nur eine kleine Beteiligung kaufte. VW setzt hingegen gleich 300 Millionen Dollar auf die Karte Gett. Welchen Anteil an der in Israel gegründeten Firma sich die Wolfsburger damit erkauften, wird weiterhin geheimgehalten - in unbestätigten Medienberichten war von einem Drittel die Rede.

Automobilbranche steht vor Umbruch

Zugleich verschwimmen die Grenzen zwischen Autoindustrie und Online-Branche. Uber testet Wagen mit hauseigener Technik für autonomes Fahren. Google arbeitet schon seit rund sieben Jahren an Technologie für Roboterautos - und macht demnächst testweise gemeinsame Sache mit dem Schwergewicht Fiat Chrysler, die erste Partnerschaft dieser Art. Und Audi, Daimler und BMW kauften Nokia für 2,8 Milliarden Euro den digitalen Kartendienst Here ab.

Die Autobranche werde sich in den kommenden fünf bis zehn Jahren stärker verändern als in den vergangenen 100 - dieser Satz war in den letzten Monaten immer wieder von Konzernlenkern wie Mary Barra von GM oder Mark Fields von Ford zu hören. Nun sagt VW-Chef Matthias Müller am Mittwoch am Rande der Vorstellung des Deals mit Gett, der Konzern sei eher traditionell als Autohersteller unterwegs gewesen. "Jetzt müssen wir alle feststellen, dass sich die Autoindustrie in einem dramatischen Transformationsprozess befindet" - auch wenn in den nächsten 10 bis 20 Jahren das Geld wohl noch vor allem im klassischen Autogeschäft verdient werden dürfte.

Mit dem Diesel-Skandal hätten die Pläne nichts zu tun, beteuerte Müller. Es gehe darum, "den Konzern für die Zukunft auszurichten".

Volkswagen hat sich für rund 300 Millionen Euro beim Uber-Konkurrenten Gett eingekauft Volkswagen hat sich für rund 300 Millionen Euro beim Uber-Konkurrenten Gett eingekauft Quelle: picture alliance / dpa

Gemeinsam über den Burggraben hinausdenken

"Die Autoindustrie hat verstanden, dass diese Digitalisierung nur in einem offenen Partner-Netzwerk funktionieren wird. Die Zeit geschlossener Systeme ist vorbei", sagt Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture. "Und die Industrie hat verstanden, dass die Tech-Giganten wie Google einen unfassbaren Vorsprung haben, wenn es um Daten-Analyse geht. Besser, man setzt sich an die Spitze der Bewegung und bestimmt mit, statt reagieren zu müssen."

Die neuen Partnerschaften sind jedoch keine Selbstläufer. Die Unternehmenskulturen müssen zusammenpassen, "denn man wird mit diesen Jungs zusammenarbeiten müssen", sagte Ford-Chef Fields in der Nacht zum Mittwoch beim Bühnen-Interview auf einer Internet-Konferenz.

Interessanterweise sind Mobilitätsdienste statt des reinen Autoverkaufs nicht einmal eine neue Idee in der Autoindustrie. Schon in den 90er-Jahren - auf dem Höhepunkt der Internet-Blase - schwärmte der damalige Ford-Chef Jacques Nasser davon. Doch vielleicht kam die Idee damals zu früh: Nasser wurde vorgeworfen, dass er sich in neuen Initiativen verstricke und den eigentlichen Autobau vernachlässigt habe. Zudem war die heutige Infrastruktur mit mobilem Internet und Smartphone-Apps schlicht noch nicht da.

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