Seit 12 Jahren führt das Beratungsunternehmen Capgemini mit „Cars Online“ jährlich eine Konsumentenbefragung mit dem Schwerpunkt Automobilbranche durch. Ergebnis: Die Kunden entscheiden sich immer schneller für einen Kauf. Sie holen sich die meisten Informationen selbständig, oft online, ein und wünschen sich mehr Online-Kaufmöglichkeiten. Über 8.000 Verbraucher in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA, Brasilien, China, Russland und Indien befragte Capgemini in diesem Jahr für „Cars Online“. Die Studie ist dadurch in die Lage versetzt, auch zwischen den Bedürfnissen von Autokäufern in Schwellenländern und „reifen“ Märkten zu unterscheiden. Insgesamt scheinen die Kunden weltweit recht zufrieden mit dem Vorgang des Autokaufs zu sein. 70 Prozent der Kunden weltweit und immer noch 66 Prozent in Deutschland signalisieren dies. Insgesamt fühlen sich die Kunden ernst genommen und umworben. Der Markt zieht weltweit wieder leicht an, die rezessionsbedingte Talsohle scheint durchschritten. Dabei waren die Kunden im Vorfeld einer Kaufentscheidung nie besser informiert. Und es entstehen gerade aus der verstärkten Mediennutzung neue Anforderungen an die Vertriebsprozesse der Hersteller. Auch steigt die Nachfrage nach immer umweltfreundlicheren Fahrzeugen, wie die Kundenbefragung zeigt. Der Kaufzyklus wird kürzer Dauerte es vor wenigen Jahren noch ca. sechs Monate, bis ein Kaufinteressent nach der ersten Informationssuche tatsächlich einen Autokauf getätigt hatte, so sind es heute im Schnitt nur noch 8 Wochen. Der Kunde beschäftigt sich also nur noch 25 Prozent so lange aktiv mit seiner Kaufabsicht. Rund 40 Prozent der Interessenten nehmen erst dann einen Händlerbesuch vor, wenn sie bereits eine engere Auswahl vorgenommen haben. Das ist frühestens ein Monat vor dem Autokauf. Händler und Hersteller haben damit immer weniger Zeit und Gelegenheit, die Kaufentscheidung des potenziellen Autokunden wirklich zu beeinflussen. Darauf müsse sich die Branche einstellen, erklärt Steffen Elsässer, Automotive-Experte bei Capgemini. Online-Mediennutzung wird immer wichtiger Das Händlernetz hat den potenziellen Käufer nicht nur immer kürzer „im Zugriff“, sondern die Kunden sind auch viel öfter bereits im Vorfeld hervorragend informiert. Dies wird unterstützt durch die immer intensiver genutzten Möglichkeiten der Online-Recherche. Dabei spielen neben Händlerseiten, Herstellerseiten und Internet-Portalen der Printmedien immer häufiger auch Social-Media-Angebote wie Online-Foren, Bewertungsportale etc. eine wichtige Rolle. Solche Angebote, zu denen auch MOTOR-TALK zählt, bieten dem Kaufinteressenten nach Ansicht der Kunden den Mehrwert einer nicht primär vom Verkaufsinteresse bestimmten Informationsquelle, die zudem auch den Alltag mit dem künftigen Wunsch-Auto beschreibt. Eine in Deutschland im Auftrag von autoscout24.de durchgeführte Studie, die im Laufe des Oktober 2010 erscheint, wird hier noch konkreter: Demnach nutzen in Deutschland drei von vier Autokäufern Foren, Communities, Bewertungsplattformen, Soziale Netzwerke und Blogs zur Entscheidungsfindung. Über 63 Prozent der deutschen Kaufinteressenten informieren sich unter anderem in Online-Communities und Foren, dahinter folgen mit knappem Abstand die Bewertungsportale (58 Prozent). Immer mehr Kunden wünschen sich aber auch, möglichst alle Informationen aus einer Hand zu erhalten. Der „traditionelle Weg“ der Online-Recherche sieht oft so aus, sich über eine Suchmaschine Produktspezifikationen von Herstellerseiten und Testergebnisse aus Fachmedien und Kunde-an-Kunde-Quellen zu erschließen. Zuletzt werden dann Kaufmöglichkeiten auf Seiten von Händlern ermittelt. Dieser Weg erscheint immer mehr Kunden als zu mühsam. Sie wünschen sich, all diese Informationen aus einer Hand zu erhalten, was die „Cars Online“- Autoren als „Amazon-Effekt“ bezeichnen. Daher ist davon auszugehen, dass künftig auch auf Webangeboten der Hersteller beispielsweise Reviews von Kunden, die ein Fahrzeug bereits fahren, immer wichtiger werden. Generell ist schon jetzt erkennbar, dass Automobilhersteller ihre Online-Community-Bereiche ausbauen, wie kürzlich Citroën mit seinem Online-Service "MyCitroën". Mehr als 40 Prozent der Verbraucher würden ihr Fahrzeug sogar gerne komplett online kaufen. In Brasilien und China ist dieser Wunsch besonders stark vorhanden. Die potenziellen Autokäufer erhoffen sich davon vor allem Preisnachlässe. Daneben versprechen sich viele Kunden vom Online-Kauf mehr Komfort und eine schnellere Abwicklung. Aber auch die Möglichkeit, eine Testfahrt bequem von zuhause aus zu buchen oder bei der Preisverhandlung nicht der geschliffenen Rhetorik des Händlers ausgeliefert zu sein erscheint Kaufinteressenten attraktiv. Autokäufer in Schwellenländern sind anspruchsvoller Nicht nur der Online-Kauf erscheint Autokäufern in Schwellenländern besonders attraktiv. Auch an den Service der Händler stellen diese Märkte besonders hohe Anforderungen. So sind 60 Prozent der Befragten aus den Schwellenmärkten nicht bereit, mehr als rund 15 Kilometer zu einem Autohändler zu fahren. Fast zwei Drittel der Konsumenten aus reifen Märkten in Europa und Nordamerika hätten damit kein Problem. 60 Prozent der Kunden in China und Brasilien erwarten außerdem innerhalb von vier Stunden eine Antwort auf eine Kundeanfrage. In Deutschland beispielsweise waren dies nur 29 Prozent. Insgesamt sind die Ansprüche der Kunden in den untersuchten Schwellenländern deutlich höher als in den reifen Märkten. Der Wunsch, ein Auto klassisch zu kaufen oder zu leasen, ist dafür in diesen Ländern weniger ausgeprägt. Rund 70 Prozent der Autokauf-Interessenten in Schwellenländern interessieren sich für Alternativen wie Car-Sharing oder Ride-Share Services. Dies beinhaltet auch Zusatzdienstleistungen rund ums Fahrzeug, etwas die Aufladung von Batterien bei Elektroautos, Wartung der Fahrzeuge oder Software-Upgrades. Immer mehr Kunden möchten den Händler also in der Verantwortung für das Funktionieren des Autos belassen und sind dafür bereit, auf den alleinigen Besitz zu verzichten. Angebote dieser Art werden als besonders komfortabel, kostengünstig und auch umweltfreundlich verstanden. Der „Grüne Markt“ wird immer wichtiger Der weltweite Markt für umweltfreundliche Kraftfahrzeuge wird immer bedeutsamer. Bereits heute geben 43 Prozent der Befragten an, ein kraftstoffsparendes oder mit alternativem Kraftstoff betriebenes Fahrzeug zu besitzen. Im Vorjahr waren das noch 41 Prozent und vor zwei Jahren 36 Prozent. Immer mehr Kunden wollen umweltfreundliche Fahrzeuge kaufen und erwarten, dass diese endlich zu attraktiven Bedingungen auf den Markt kommen. Die überwältigende Mehrheit von 73 Prozent der potenziellen Autokäufer denkt, dass insbesondere in den nächsten Jahren immer mehr, alltagstauglichere und billigere Elektrofahrzeuge angeboten werden. Die „Cars Online“-Studie zeigt, welchen Herausforderungen sich die Hersteller und Händler mittelfristig stellen müssen. Der verkürzte Kaufprozess oder die Nachfrage nach Service-Alternativen zum traditionellen Autokauf sind vor allem neue Anforderungen an die Serviceprodukte und Vertriebsmodelle der Automobilbranche. Händler werden sich mehr und mehr an hervorragend informierte Kunden gewöhnen müssen. Hersteller werden vermutlich überlegen, wie sie diese überwiegend online zu findenden Informationsquellen gleichzeitig komfortabler gestalten und stärker lenken können, um den schwindenden Einfluss des Vertragshändlers zu kompensieren. Gleichzeitig muss sich die Produktpalette weiter und teilweise auch konsequenter als bisher „ökologisieren“. Das gebieten scheinbar nicht mehr nur Vernunft und Verantwortung, sondern auch zunehmend die Marktforschung. Von Björn Tolksdorf
Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 05.10.2010
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