Eine Radarfalle aufzubauen und Tempokontrollen durchzuführen, ist keine Hexerei. Wäre eine Privatisierung sinnvoll? Das fragt man sich auf dem Verkehrsgerichtstag.
Goslar - Die Polizei hat, könnte man meinen, Wichtigeres zu tun, als Raser, Drängler und Alkoholsünder aus dem Verkehr zu ziehen. Darüber diskutiert auch der Verkehrsgerichtstag (VGT), der aktuell in Goslar zusammenkommt. "Wegen Überlastung der Polizei werden wichtige Verkehrskontrollen vernachlässigt", bemängelt VGT-Präsident Kay Nehm. Topthema in Goslar ist deshalb, ob Privatfirmen bei der Verkehrsüberwachung einspringen könnten. Für den ADAC ist der Fall klar: Grundsätzlich sei das zwar eine hoheitliche Aufgabe, sagt ADAC-Jurist Stephan Miller. Sie könne aber delegiert werden, wenn die Behörde weiter "Herrin des Verfahrens" bleibe. Einige Bundesländer sähen diese Möglichkeit in ihren Richtlinien zur Geschwindigkeitsüberwachung bereits vor. Man dürfe privaten Tempokontrolleuren aber keine falschen Anreize setzen, meint der ADAC-Experte. Erfolgsprämien dürfe es nicht geben. Wenn Privatfirmen Tempomessungen vornähmen, müsse die Verkehrssicherheit im Vordergrund stehen, nicht das Erzielen hoher Einnahmen. Was an Verwarnungs- und Bußgeldern hereinkomme, müsse die Kosten decken. Darüber hinaus gehende Einnahmen sollten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit verwendet werden, sagt Miller. "Kapitulation des Rechtsstaates"?Ob der ADAC mit dieser Meinung beim Verkehrsgerichtstag eine Mehrheit findet, ist offen. Zwar hält auch die Deutsche Polizeigewerkschaft den Einsatz von Privatunternehmen bei der Tempoüberwachung "für vorstellbar". Die Verkehrsjuristen des Deutschen Anwaltvereins (DAV) dagegen nicht. Sie befürchten eine "Kapitulation des Rechtsstaates". Die Idee einer privaten Verkehrsüberwachung sei "völlig inakzeptabel", moniert Verkehrsjurist Andreas Häcker. "Wer dies ernsthaft fordert, stellt das Gewaltmonopol des Staates in Frage." Personalprobleme bei der Polizei dürften nicht zu Lasten des Rechtsstaates gelöst werden. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), in dem rund 200 Verkehrsorganisationen, Verbände, öffentliche Einrichtungen und Autoclubs organisiert sind, äußert sich ebenfalls skeptisch. "Es widerspricht dem Grundgesetz, staatliche Überwachungsaufgaben auf Private zu verlagern", sagt DVR-Sprecher Sven Rademacher: "Die einzige Lösung liegt darin, die Spezialisten der Verkehrspolizei zu stärken und dort das Personal deutlich zu verstärken." Steht der ADAC alleine da?Rechtliche Bedenken macht auch VGT-Präsident Nehm geltend: "Wegen der Überlastung der Polizei werden zwar wichtige Verkehrskontrollen vernachlässigt", sagt der frühere Generalbundesanwalt. "Hoheitliches Handeln gehört aber in die Verantwortung der Hoheitsträger." Ähnlich wie Nehm sieht es der Automobilclub von Deutschland: Er lehnt private Dienstleister ab, weil staatliche Hoheitsrechte und die Zuständigkeit für Sicherheit und Ordnung unzulässig ausgelagert würden. "Messungen bei Verkehrsverstößen sind nichts anderes als eine Beweissicherung", so DAV-Jurist Häcker. "Bei einem Kapitalverbrechen käme auch niemand auf die Idee, ein Unternehmen zur Beweissicherung an den Tatort zu lassen." Juraprofessor Dieter Müller, der den Verkehrssicherheitsrat berät, sieht allenfalls eingeschränkte Möglichkeiten, Privatfirmen an der Kontrolle des Verkehrs zu beteiligen. "Eine teilweise Mitwirkung von Privaten an der Verfolgung und Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen ist nur im Rahmen der kommunalen Verkehrsüberwachung erlaubt." Wer die "Vision Zero" ernst nehme, deren Ziel es ist, die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland auf Null zu senken, habe ohnehin nur eine Möglichkeit, meint der Rechtsexperte Hannes Krämer vom Auto Club Europa ACE: "Man muss die Polizeipräsenz auf den Straßen erhöhen." Quelle: dpa |