Der oberste Crashtester von Global NCAP fordert eine Entschuldigung von Renault. Das Unternehmen werbe in Uruguay missbräuchlich mit Crashtest-Ergebnissen für den Mégane.
London – Carlos Ghosn hat Post bekommen. Keine sehr erfreuliche. Geschrieben hat ihm David Ward, Generalsekretär der Sicherheitsorganisation Global NCAP. Dessen Vorwurf: Renault wirbt in Uruguay missbräuchlich mit Crashtest-Ergebnissen von Euro NCAP für den Mégane III. Dabei wurde der Mégane für den lateinamerikanischen Markt nie getestet. Quelle: Renault Ratings von Euro NCAP gelten nur für in Europa verkaufte Modelle. Die können sich in Ausstattung und Sicherheitsstandard erheblich von Autos unterscheiden, die in Lateinamerika verkauft werden. Außerdem ist dort seit fünf Jahren Latin NCAP für die Sterne-Vergabe zuständig, wie Ward an Ghosn schreibt. Da Latin NCAP den in Uruguay verkauften Mégane III nicht getestet habe, gebe es „keine Sicherheit“, dass der sich fünf Sterne verdienen werde. Die Mégane-Reklame sei „höchst irreführend“ für Autokäufer. Renault soll sich bei Euro NCAP entschuldigenWard ist nicht zimperlich. Nicht nur soll Renault die Anzeige sofort zurückziehen, Ward fordert auch eine Entschuldigung von Renault an Euro NCAP wegen des Missbrauchs der NCAP-Ergebnisse und des NCAP-Labels. Außerdem soll Renault Latin NCAP einen Mégane III zur Verfügung stellen, damit die Tests nach ihren Regularien durchführen können. Tatsächlich sind die Prüfbedingungen bei Latin NCAP andere als bei Euro NCAP. Latin NCAP selbst weist auf seiner Website sogar explizit daraufhin, dass die Ratings nicht vergleichbar sind. Auf den ersten Blick scheinen die Anforderungen niedriger zu sein. So wird bei Latin NCAP nur ein versetzter Frontalcrash durchgeführt. Autos, die Chancen auf fünf Sterne haben, testet man zusätzlich mit einem Pfahlaufprall. Euro NCAP prüft außerdem noch die Sicherheit beim Seitenaufprall, macht einen Schleudertrauma-Test und achtet auf Fußgängersicherheit. Andererseits sind die in Lateinamerika verkauften Autos völlig anders ausgestattet. Der Mégane III verfügt in der beworbenen Basisausstattung für 25.490 US-Dollar nur über zwei Airbags, kein ESP und keine Traktionskontrolle. Immerhin ABS ist serienmäßig. Das reicht nicht mal für vier Sterne, wie Alejandro Furas, Generalsekretär von Latin NCAP, uns auf Nachfrage mitteilt. Nicht nur gehört ESP zu den Voraussetzungen für eine hohe Wertung, auch geht Fujas davon aus, dass der Mégane die erforderliche Insassensicherheit beim Seitenaufprall nicht erreicht. „Mit nur zwei Airbags und ohne ESP kann der Mégane keine fünf Sterne erreichen.” Nicht mal der EU-Mégane hat noch fünf SterneQuelle: Euro NCAP Ward moniert noch mehr. Renault würde zwar auf der Internetseite stolz mit Euro-NCAP-Ergebnissen werben, die Latin-NCAP-Ergebnisse aber ignorieren. „Vielleicht liegt das daran, dass Renault bislang noch kein einziges Fünf-Sterne-Ergebnis für irgendein in Lateinamerika verkauftes Modell erreicht hat”, mutmaßt Ward. Es ist nicht das erste Mal, dass Renault-Nissan Ärger mit Global NCAP hat. Und Latin NCAP ist auch nicht gut zu sprechen auf Renault. Erst im Sommer vergangenen Jahres hatten die Crashtester dem dort verkauften Renault Clio alle Sterne aberkannt: Der hatte zunächst null Sterne bekommen, weil er keine Airbags hatte, so Latin NCAP. Doch nachdem Renault die nachrüstete, gab es beim Nachtest drei Sterne. Dann fand Latin NCAP bei einer Untersuchung heraus, dass mit der Verlagerung der Produktion nach Kolumbien die Airbags wieder rausflogen - und mit ihnen verabschiedeten sich die Sterne. Dabei erwähnt Ward in seinem Schreiben (pdf) noch nicht mal, dass der Mégane III bei Euro NCAP auch keine fünf Sterne mehr hat. Die erreichte er im Jahr 2008. Beim jüngsten NCAP-Crash im Jahr 2014 waren es nur noch vier Sterne. Trotzdem steht auf dem Fünf-Sterne-Label, mit dem Renault-Uruguay wirbt, das Jahr 2015. Da wurde nur der Mégane IV getestet. Eine ganz neue Generation des Kompaktwagens, die in Uruguay noch gar nicht angeboten wird. |