Bochum ohne Opel ist wie Currywurst ohne Pommes, ein Auto ohne Motor, Ruhrpott ohne Schalke. Doch Opel könnte den Verlust des Werks in Bochum einmal mehr bereuen als die Stadt selbst.
Bochum - Endlich. Endlich sagen die GM-Bosse den Männern und Frauen am Band, den Familien zu Hause, den Fans und Händlern die Wahrheit. Das Bochumer Opel-Werk ist tot. Und mit dem Werk wird vieles verschwinden. Die Verbundenheit zur Marke, die Bindung von Stadt und Bevölkerung. Wie der Bergbau, wie Nokia, wie der Schnee im kommenden Frühjahr. Nach monatelanger Vernebelungstaktik ist klar: 2016 rollt der letzte Opel in Bochum vom Band. Die Opelaner haben das Recht auf die WahrheitWir haben das bereits am 1.11.2012 in großen Buchstaben auf unsere Startseite geschrieben. Damals versuchte der verlängerte Arm der Unternehmensführung noch, das endgültige Aus mit rhetorischen Spielereien zu verschleiern. Das war schon im Juni gut gelungen. Heute hatte Interims-Opel-Chef Thomas Sedran, der stärkste Mann bei Opel, seinen schwächsten Auftritte. Vor rund 2300 Mitarbeitern im Bochumer Werk verkündete er das Aus. Dann rauschte er davon, im Schatten der Sicherheitsleute. Ein Chef, der vor seinen Mitarbeitern Schutz sucht, der flieht, statt Fragen zu beantworten. Das klingt nach Revolution, nicht nach Evolution. Kein Mitarbeiter, kein Journalist bekam eine Antwort. Das ist feige, gegenüber der Marke, den Opelanern und deren Familien, die in eine ungewisse Zukunft starren. Opel verbrennt amerikanische SteuergelderNatürlich muss sich General Motors der wirtschaftlichen Realität stellen; Opel verbrennt jährlich rund eine Milliarde Euro, seit Ende 2009 sind das amerikanische Steuergelder. Vielleicht, eventuell, möglicherweise könnte Bochum als Komponentenwerk weiterbestehen. Das klingt mehr nach Drohung statt nach Zukunft. Und es ist Unsinn. Ein Tod auf Raten. Lebensrettende Maßnahmen an einem Patienten, der längst auf dem Friedhof liegt. Für jeden Mitarbeiter die Katastrophe vor dem FestDie Wahrheit lautet: Ein großer Teil der 3000 Mitarbeiter in Bochum verliert seinen Job. Für jeden einzelnen eine persönliche Katastrophe. Weil die, die dort schuften, massive Einschnitte akzeptierten, gebangt und gebetet haben. Weil sie ihre Marke und ihren Arbeitsplatz retten wollten. Und jetzt doch vor dem Abgrund stehen. Jeder dieser Opelaner darf nun seinen Lieben erklären, warum Weihnachten so bitter wird. In diesem Jahr. Und vermutlich in den kommenden. Bochum war mal das Aushängeschild für OpelJa, Opel kann ohne Bochum existieren. Aber das Herz der Marke schlug seit den 60er Jahren im Kohlenpott. Mit dem Bau des Werks in Bochum stieg der Marktanteil auf mehr als 20 Prozent. Dort entstand das wichtigste Modell: Erst der Kadett, dann der Astra.Aber Bochum und seine kämpferischen Mitarbeiter waren der Unternehmensführung im fernen Amerika ein Dorn im Auge. Als der neue Astra 2009 anlief, entschieden sich die Chefs bewusst gegen den Ruhrpott. Stattdessen erhielten Ellesmere Port (England) und Gliwice (Polen ) den Zuschlag. Wer nur spart, spart sich selbst einDie Arbeiter dort waren bereit, auf Lohn zu verzichten. Verzichten, sparen, Kosten und Mitarbeiter drücken, das kann GM gut. Aber so baut man in Deutschland kein Image auf, weckt keine Leidenschaft. Und ohne Leidenschaft und Image kann man hier keine Autos verkaufen. Es lässt sich leicht erahnen, was das Aus in Bochum für dieses Image bedeutet. Heute, wo ein Opel technisch kaum von einem Hyundai, Kia oder Chevrolet zu unterscheiden ist, kaufen die Menschen nur aus Überzeugung „Made in Germany“.Opel hätte sich auf seine Stärke besinnen sollenInternational zu agieren war strategisch sinnvoll. Aber wie bei jeder Krise hätte hier gegolten: Wenn es eng wird, dann besinnt man sich auf seine Stärken. Eine dieser Stärken war Bochum. Das Werk galt lange als das mit der besten Qualität. Und als das mit der besten Belegschaft. Das Aus für Bochum ist ein gravierender Einschnitt, eine industriehistorische Zäsur in Deutschland - in einer Region, die in den vergangenen 20 Jahren viel durchlitten hat. Für die Mitarbeiter will GM jetzt sozialverträgliche Lösungen finden. Und jammert laut, die Überkapazitäten seien Schuld und die hohen Lohnkosten. "Liebe Opel-Manager, nicht der Markt trägt die Schuld an zu viel gebauten Autos, sondern ihr. Ihr seid verantwortlich für langweilige Autos, die immer weniger Menschen fahren wollen. Über 20 Jahre habt ihr das Opel-Image beschädigt. Nicht die Band-Arbeiter. Das Aus für Bochum als Vorbote für das Aus von OpelVon den vielen strategischen Fehlentscheidungen, die Opel über die Jahre gefällt hat, könnte das Schließen des Werks in Bochum die fatalste sein. Weder Thomas Sedran, noch der GM-Statthalter Stephen Girsky werden darunter leiden. Es sind die Mitarbeiter, es ist die Marke, für die ein Stück Hoffnung schwindet. Das Bochumer Aus kann der berühmte letzte Tropfen sein, um das Aus der ganzen Marke zu besiegeln. In Saragossa kaufen die Menschen kaum Autos, in Rüsselsheim immer weniger. In Bochum, im Herzen des Ruhrgebietes, da kaufen die Leute Autos. Nur bald keinen Opel mehr. Quelle: MOTOR-TALK |