Drei Mazda 6 Limousinen, 23 Rennfahrer und ein Ziel: Beim Rekordversuch in Papenburg fielen 20 Geschwindigkeitsrekorde. Zwei MOTOR-TALKer waren dabei.
Papenburg – „Mindestens 210 km/h“ sollen wir fahren. „Dann fällt der alte Rekord“, hat die nette Dame von Mazda gesagt. Der stammt aus dem Jahr 2004. Damals fuhr ein Honda Accord mit 140 PS über 24 Stunden eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 209,824 Stundenkilometern. Der bis dato Schnellste Serien-Diesel mit 2,0 bis 2,5 Litern Hubraum. Am Abend vor dem Start rechnen wir genau nach. Unser Mazda 6 mit 175 PS rennt laut Fahrzeugschein 223 km/h Spitze. Etwa fünf Stundenkilometer ziehen wir im Kopf für Boxenstopps und Fahrerwechsel ab. 215 Sachen muss der GPS-Tacho an der A-Säule also mindestens anzeigen. Das sollte klappen. Teamchef Michael Podlogar will davon nichts wissen. „Mindestgeschwindigkeit ist Vollgas“, ruft er in die Runde. „Wer den Fuß vom Gas nimmt, kriegt Ärger.“ Botschaft verstanden: Das Pedal muss aufs Blech. Mazda 6 Rekordversuch: Vollgas in PapenburgDer Rekord soll auf dem Hochgeschwindigkeitsoval in Papenburg fallen. Zwei Geraden, zwei Steilkurven, 12,3 Kilometer Länge. „Zwischen 180 und 250 km/h wirken in den Kurven keine Seitenkräfte auf die Autos“, erklärt Michael während der Proberunde im baugleichen Testwagen. Beim Einfahren lenkt er sanft nach außen, nach der Kurve nach innen. „Sonst könnt Ihr die Hände vom Lenkrad nehmen“, sagt er im Auto – und demonstriert es gleich. Der Mazda hält die Spur. Trotzdem müssen wir die Regeln der FIA achten. Das Fahren im Windschatten ist beim Rekordversuch verboten; wer sich einen Strömungs-Vorteil verschafft, der bekommt eine Durchfahrts-Strafe. Noch schlimmer: Das langsamere Fahrzeug muss den Schnelleren vorbei lassen. Das kostet ungefähr eine halbe Minute Zeit. Hinzu kommen die Sicherheitsvorkehrungen für Rennstrecken. Die Autos bekommen einen Überrollkäfig aus Stahl, eine Löschanlage, einen Vollschalensitz und Fünfpunkt-Renngurte, jeweils mit FIA-Genehmigung. Alle Fahrer tragen feuerfeste Unterwäsche, einen Rennanzug, Fahrer- sowie Handschuhe, Sturmhaube und Helm. Zwei MOTOR-TALKer in Team 2MOTOR-TALKer Frank hat die Rekordjagd-Qualifikation auf dem Hockenheimring gewonnen. Gemeinsam mit ihm vertrete ich, Constantin aus dem MOTOR-TALK-Redaktionsteam, die Community beim Rekordversuch. Frank kennt das Renn-Procedere besser als ich: Im vergangenen Jahr startete er bei einem VLN-Lauf auf dem Nürburgring. Sechs Stunden lang rasten er und seine Teamkollegen mit einem Porsche 944 durch die Eifel. Heute sitzt deshalb jeder Handgriff. Das zahlt sich in den Abendstunden aus: Extremsportler Joey Kelly fährt zu dicht vor einem anderen Mazda. Wir entscheiden uns gegen den Überholvorgang und holen Joey früher in die Box - zu früh für seinen Nachfolger. Der stürmt überrascht von der Toilette ins Auto und klemmt sich beim Helm-Aufsetzen die Ohren ein. Trotz Hektik und Verspätung verlieren wir nur vier Sekunden. 12,3 Kilometer, zwei Steilkurven, drei TeamsKnapp 90 Minuten dauert ein Einsatz, ein „Stint“ auf Rennfahrer-Deutsch. 26 Runden und 320 Kilometer fährt ein Mazda 6 mit einer Tankfüllung, manchmal 27. Dann pumpt die Boxencrew knapp 60 Liter Diesel in den Serien-Tank. Bei Dauer-Volllast schießen die Einspritzdüsen 19 Liter pro 100 Kilometer in die Brennräume. Auf der Straße soll es weniger als ein Viertel (4,5 Liter) davon sein. Wir versuchen, die Zeit auszugleichen. Mehr Tempo in der Box, mehr Gefühl in der Kurve, eine Spur mit besserem Wind. Es hilft kaum. Mit steigender Luftfeuchtigkeit in der Nacht sinkt unsere Geschwindigkeit. Dem Motor fehlt der Sauerstoff. Keine Spur von ResignationWir bleiben motiviert, rasen weiter, am Limit des Autos. Mein Helm schlägt gegen den Überroll-Käfig, die Morgensonne blendet in der Steilkurve. Ich bin zu groß für das Auto, blicke durch einen schmalen Spalt zwischen Helm und Visier. Mit acht Kilometern Restreichweite fahre ich von der Strecke, etwas zu Nach 20 Stunden ist klar: Den 24-Stunden-Rekord holen Team 1 oder 3. Wir trösten uns. Unser Auto ist zuerst gestartet. Wir haben alle Rekorde gebrochen, von der ersten Achtel-Meile bis zum letzten Zentimeter. Sechs Minuten lang konnten wir sie halten. Dann haben die anderen Autos die gleiche Distanz erreicht. Geschenkt – das Endergebnis ist eine Leistung von allen Fahrern, Helfern, Organisatoren, Autos. Wir haben 24 Stunden lang durchgehalten, sind im Durchschnitt 220,182 km/h gefahren, inklusive aller Stopps. Team 1 war mit 221,072 km/h kaum schneller. „Serienstreuung“, trösten wir uns. Alle jubeln, jeder hat gewonnen. Weltrekord nach 24 Stunden Alle Autos haben durchgehalten, laufen nach dem Rennen auf der Start-Ziel-Gerade mit ruhigem Leerlauf kalt. Vom Dauereinsatz erzählt nur noch die wilde Beklebung – und der Insektenschwarm auf der Frontscheibe. (Alle Geschwindigkeiten vorbehaltlich der Anerkennung durch die FIA (Subjects to FIA homologation)) |
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