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Volkswagen: Anwälte profitieren von Abgas-Skandal - Das Geschäft mit dem "Dieselgate"

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Die Diesel-Affäre bei VW kostet den Konzern Milliarden. Auch bei Anlegern riss der Skandal ein tiefes Loch ins Depot. Jetzt sollen Anwälte die Verluste wieder einfordern.

Die finanziellen Folgen der Diesel-Affäre sind für VW nur schwer abzuschätzen. Auf den Hersteller rollt eine Klagewelle zu Die finanziellen Folgen der Diesel-Affäre sind für VW nur schwer abzuschätzen. Auf den Hersteller rollt eine Klagewelle zu Quelle: picture alliance / dpa

Wolfsburg/London - Auf den ersten Blick gibt es im Abgas-Skandal bei VW keine Gewinner. Millionen Autos haben über Jahre zu viel giftiges Stickoxid in die Luft geblasen und damit Umwelt und Gesundheit geschadet, VW-Aktionäre haben herbe Verluste hinnehmen müssen, VW-Mitarbeiter fürchten um ihre Jobs und dem Konzern drohen Milliardenstrafen. Doch eine Berufsgruppe profitiert ganz sicher von den Folgen des Diesel-Debakels: die Juristen.

VW selbst hat zahlreiche Anwälte zur SKandal-Aufarbeitung und zur Klagenabwehr engagiert. Denn nicht nur die betroffenen VW-Fahrer sind begehrte Kanzlei-Kunden. Die Advokaten bemühen sich auch um die Besitzer von VW-Aktien. Sie wollen den Anteilseignern ihr verlorenes Geld wiederbeschaffen und daran natürlich mitverdienen. Es gibt sogar Investoren, sogenannte Prozessfinanzierer, die auf den Sieg in einem Verfahren von Aktionären gegen VW spekulieren.

Milliardenverluste an der Börse

Seit Bekanntwerden der Krise steht VW unter Druck. Der Aktienkurs ist deutlich gefallen und hat sich bislang nur leicht erholt Seit Bekanntwerden der Krise steht VW unter Druck. Der Aktienkurs ist deutlich gefallen und hat sich bislang nur leicht erholt Quelle: picture alliance / dpa

Der Abgas-Skandal hat viele juristische Angriffe auf VW ausgelöst. Eine Flanke bilden Klagen von Aktionären. Nach Bekanntwerden der Manipulationen rauschten die VW-Aktien steil nach unten. Fast die Hälfte ihres Wertes hatten die Vorzugsaktien seit Ausbruch der Krise zwischenzeitlich verloren. Noch immer sind sie weit vom Niveau vor der Diesel-Affäre entfernt.

Diese Verluste wollen Anleger vor Gericht einklagen. "Unsere Klage stützt sich auf die Verletzung von Kapitalmarktinformationspflichten", sagt zum Beispiel Rechtsanwalt Klaus Nieding. Börsennotierte Unternehmen müssen Informationen, die den Kurs erheblich beeinflussen könnten, an ihre Aktionäre weitergeben. Sonst verletzen sie die sogenannte Ad-Hoc-Pflicht.

Volkswagen ist der Auffassung, sämtliche Informationspflichten befolgt zu haben. Man lasse die "Diesel-Thematik" derzeit unabhängig aufarbeiten, sagt ein Sprecher: "Unabhängig davon sind wir der Überzeugung, dass Volkswagen seine kapitalmarktrechtlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hat."

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) rät Aktionären, mit Klagen noch abzuwarten: "Wir müssen zunächst sehen, ob überhaupt eine Verletzung der Ad-hoc-Pflicht vorlag und wenn ja, wann VW die Aktionäre hätte informieren müssen", mahnt DSW-Präsident Ulrich Hocker. Bis die deutsche Finanzaufsicht Bafin zu einem Ergebnis kommt, dürfte es noch einige Monate dauern, sagt eine Behördensprecherin.

Diesel-Debakel könnte VW teuer zu stehen kommen

"Dass es eine Verletzung der Ad-hoc-Pflicht gab, ist eigentlich klar", meint dagegen Theo Paeffgen. Er gehört zum Vorstand des Prozessfinanzierers Foris. Es gebe bereits mehrere Anfragen von Klägern, ob Foris ihren Prozess finanziert, betont Paeffgen.

Mit Hilfe einer manipulierten Software hatte Volkswagen zu hohe Abgaswerte von Dieselmotoren verschleiert Mit Hilfe einer manipulierten Software hatte Volkswagen zu hohe Abgaswerte von Dieselmotoren verschleiert Quelle: picture alliance / dpa

Prozessfinanzierer tragen gegen Erfolgsbeteiligung das Kostenrisiko vor Gericht. Eine solche Finanzierung kann für Kläger sehr wichtig sein: "Nach deutschem Recht muss der die Prozesskosten tragen, der verliert", erklärt der Rechtswissenschaftler Axel Halfmeier von der Universität Lüneburg. "Und die Prozesskosten richten sich nach der Höhe des geltend gemachten Schadens."

Beobachter rechnen bei VW mit einer mehrjährigen Auseinandersetzung. Im Erfolgsfall würde Foris mindestens 20 Prozent des erstrittenen Geldes erhalten.

Für Kleinanleger bleibt die Sammelklage. Das deutsche Recht bietet Aktionären mit dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz(KapMuG) eine seltene Möglichkeit für eine solche Klage. Rechtsanwälte und Prozessfinanzierer wie Bentham werben derzeit um Klienten, die sich einer solchen Klage anschließen wollen.

Zuständig ist das Landgericht Braunschweig. Dort sind bislang fast 50 Klagen von Anlegern gegen VW eingegangen, wie Gerichtssprecherin Maike Block-Cavallaro sagt. Viele davon seien mit Antrag auf Musterklage verbunden. Wer Musterkläger wird, entscheidet das Oberlandesgericht. Dennoch stellen sich die Kanzleien so dar, als sei es nur noch Formsache, dass genau ihre Klage als Musterklage angenommen wird. Das erhöht die öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Sozietät, ist also kostenlose Werbung, die noch mehr Kläger anlockt.

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