Berlin – SMS-Junkies und unverbesserliche Raser haben etwas gemeinsam: Sie lassen sich weder von gesetzlichen Verboten noch von hohen Bußgelder beeindrucken. Ob da mahnende Schilder helfen? New York glaubt "ja" und versucht es neuerdings mit der Ankündigung von nahenden „Text Stops“.
Doch nutzen wird das wenig, glaubt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Das gilt für die SMS-Kampagnen genauso wie für die Raser-Plakate. Schließlich weiß jeder Fahrer, dass er sein Handy während der Fahrt nicht in die Hand nehmen darf. Ein Plakat kann daran nichts ändern. „Der Reiz ist einfach zu groß“, sagt Brockmann.
Außerdem mangelt es oft an Unrechtsbewusstsein. „Es ist mir einfach egal“. Das sagte die 21-jährige Kimberley Davis, nachdem sie mit dem Handy in der Hand einen Radfahrer angefahren und schwer verletzt hatte, wie die „Auto Bild“ in ihrer aktuellen Ausgabe (Nr. 18) berichtet. Als die Polizisten im australischen Koroit das Mobiltelefon der jungen Frau kontrollierten, stellten sie Erschreckendes fest: Davis hatte während ihrer 20 Kilometer langen Fahrt 22 SMS geschrieben und ebenso viele gelesen.
20 Prozent schreiben während der Fahrt SMS
Das Handy am Ohr kostet ab 1. Mai 60 Euro - doch das wird wohl nur wenige Vieltelefonierer abschrecken Quelle: picture alliance / dpa
Kimberley Davis ist kein Einzelfall. Laut einer Studie der Allianz aus dem Jahr 2011 gaben 30 Prozent der Befragten zu, sie würden ab und zu beim Fahren Nachrichten lesen. 20 Prozent sagten, sie würden auch schreiben. Bei den 18- bis 24-Jährigen lagen die Zahlen noch höher.
In Deutschland wird die Benutzung des Mobiltelefons ab 1. Mai mit 60 Euro und einem Punkt in Flensburg geahndet. Doch das schreckt kaum jemanden ab. Hinzu kommt: Das Risiko, erwischt zu werden, ist recht gering. „Wenn jemand telefoniert, ist das von außen noch gut zu erkennen“, sagt Andreas Tschisch, der Leiter des Verkehrsbereichs bei der Berliner Polizei. „Aber Smartphones, die Fahrer auf dem Bein liegen haben oder in der Hand halten, sind kaum zu sehen. Erst recht nicht bei den Geländewagen, in denen die Fahrer sehr hoch sitzen.“
Die Zahl der Todesopfer kennt niemand
Aus diesem Grund ist es auch sehr schwierig zu sagen, wie viele Unfälle durch das Schreiben von SMS entstehen. Kommt es zum Crash, dann fliegt das Telefon ohnehin durch die Gegend. Klar ist aber, dass es schon viele Todesopfer gegeben hat.
Erst vergangene Woche starb die 32-jährige US-Amerikanerin Courney Ann Sanford, weil sie während der Fahrt auf Facebook postete, wie glücklich sie der Song „Happy“ von Pharell Williams mache. Eine Minute später war sie tot. Die Untersuchung des Mobiltelefons ergab, dass Sanford während der Fahrt auch Fotos von sich selbst geschossen hatte.
Wie viele Verkehrstote das SMS-Schreiben am Steuer bislang verursacht hat, ist unklar Quelle: picture alliance / dpa
Wie kann man gegen das Texten am Steuer vorgehen? Alaska versucht es mit drastischen Strafen. Wer eine SMS schreibt, muss mit einem Bußgeld von 7.200 Euro und einem Jahr Gefängnis rechnen. Kommt es zu einem Unfall, bei dem jemand stirbt, muss der Fahrer bis zu 180.000 Euro bezahlen und bis zu 20 Jahre lang ins Gefängnis.
Apple meldet Patent für SMS-Sperre an
Apple hat eine andere Lösung im Sinn: Der Technologiekonzern hat ein Patent angemeldet, bei dem bestimmte Telefonfunktionen, wie das SMS-Schreiben während der Fahrt, deaktiviert werden. Ist das Telefon nicht mit dem Auto verbunden, funktioniert dies unter anderem mit GPS und einer Kamera. Das GPS erkennt, dass sich das Telefon sehr schnell bewegt. Die Kamera des Telefons erkennt, ob der Benutzer hinter dem Steuer oder etwa nur auf dem Beifahrersitz sitzt. Bei einer anderen Variante werden die entsprechenden Handy-Funktionen dadurch aktiviert, dass der Autobesitzer den Zündschlüssel ins Schloss steckt.
Noch gibt es nur das Patent. Ob Apple an einer Umsetzung arbeitet, ist nicht bekannt. Das Patent könnte jedoch mit Apples neuem System CarPlay zusammenhängen, das Apple gemeinsam mit mehreren Autoherstellern auf dem Genfer Autosalon präsentierte. Nach Angaben von Autobauer Mercedes, der das System in der neuen C-Klasse integrieren will, werden SMS bei CarPlay von der Apple-Sprachsteuerung vorgelesen oder können diktiert werden.
Ob SMS-Sperre, Schilder oder Gefängnisstrafen. All das dient nur einem Ziel: SMS-schreibende Autofahrer sollen zur Vernunft gebracht werden, die Zahl der Verkehrsunfälle wegen unwichtigen Textnachrichten soll verringert werden. Ob das klappt? Vermutlich passiert zunächst einmal das Gegenteil: Wenn die meisten Autos über Internet und Fernsehen verfügen, wachse die Gefahr der Ablenkung weiter, sagt ein Verkehrsexperte der Allianz. Nur gut, meint er, dass gleichzeitig auch automatische Sicherheitssysteme entwickelt würden. Die könnten künftig Auffahrunfälle verhindern, während der Fahrer seine SMS liest.