VON TIMO FRIEDMANN Mercedes erfindet die A-Klasse - und nebenbei sich selbst - neu. Was längst keiner mehr vermutet hätte, wird trotzdem wahr. Der A fährt sich richtig klasse. Zum Einstieg in diesen Text müssten wir jetzt ein Zitat von Carl Benz, Dieter Zetsche oder wenigstens Che Guevara bemühen. Vive A Revolution. Oder so. Passt zwar nicht zu Stuttgart, und zum kleinen, neuen, so ungewöhnlichen Mercedes. Das mutige Benzlein könnte die wichtigste Revolution der Marke werden. Vergesst Mercedes als piefigen, spießigen, hochsoliden Automobilhersteller. Dieser A ist anders. Die A-Klasse ist tot. Lang lebe die A-Klasse Die A-Klasse dürfte der größte Umbruch bei Daimler sein seit der Einführung des 190ers vor 30 Jahren. Mit der Abkehr vom alten Konzept und dem wagemutigen Neuanfang können die Schwaben alles falsch machen. Nach der ersten Fahrt fühlt sich aber erst einmal vieles ganz richtig an. Das Blechkleid zum Beispiel. Wunderschön wie bei der 2011er-Studie, dynamisch, voller Facetten, die den Blick wie Kaugummi immer wieder anziehen. Ja, da steckt viel Audi A3 drin, ganz viel BMW 1er, und ein bisschen Opel Astra. Das muss man nicht schön finden. Schwerer scheint aber fast, es nicht schön zu finden. Was außen Lust macht, weckt drinnen Leidenschaft. Feine Materialien, tolle Oberflächen und dazu ein Finish, das Herrn Winterkorn schon jetzt mit der Zunge schnalzen lässt. Statt Holz- und Metalldekors glänzt das Cockpit mit strukturierten Flächen in Farbe. Klingt fad, sieht aber wohltuend gut aus. Auf Wunsch baut Mercedes unlackierte Karbonflächen ein. Immer an Bord sind die wunderschönen 70er-Jahre-Lüftungsdüsen mit Metall-Oberfläche. So schick, dass Audianer neidisch werden. Wetten? In Maßen gut Zu den Fakten: Die neue A-Klasse hat gar nichts von der alten, misst also 30 Zentimeter mehr Länge (4,29 Meter lang), ist 16 Zentimeter flacher, hat 12 Zentimeter mehr Radstand. Gefühlt bedeutet das: Hinten sitzen Erwachsene gut, solange es nicht bis nach Portugal geht. Der Raum fühlt sich prächtig an, weil die allermeisten angebotenen Vordersitze oben spitz zulaufen. So durchdringt mehr Licht das Fahrzeug und nebenbei ermöglicht es die Einbindung eines eigenen Luftausströmers hinterm Kopf. Aerodynamisch liegt dieser Benz vor der Konkurrenz und erreicht einen cW-Wert von 0,27, was beispielsweise an den Abrisskanten der Rückleuchten oder den Finnen an der Heckscheibe liegt. Beide reduzieren die Wirbel hinterm Auto. High-Tech sieht manchmal einfach aus. Ist es aber nie. Weniger will jeder Um 27 Prozent sank der Verbrauch im Mittel, was niemanden verwundert. Weitere Maßnahmen zur Durstsenkung sind ein perfektioniertes Start-Stopp-System, das auch bei – 10° Celsius noch an- und ausgeht. Eine variable Steuerung des Ventilhubs der Einlassventile (Hubumschaltung, Camtronic) senkt den Spritbedarf bei den 1.6er-Benzinern um 4 Prozent und im Alltag um 10 Prozent. Alle Benziner und mindestens ein Diesel erfüllen die Euro-6-Abgasnorm. Wie das geht? Unter anderem so: Piezo-Injektoren verdampfen das Benzin viermal schneller als bei Magnet-Mehrlochventilen. Der Kraftstoffstrahl dringt weniger tief in den Brennraum, und die Injektoren können kleinste Mengen hochpräzise einspritzen. Das vermeidet, dass sich Kraftstoff an den Brennraumwänden niederschlägt. Infolgedessen sinken die Partikelemissionen deutlich. Mehrfacheinspritzungen ermöglichen darüber hinaus verbrauchsoptimierte Betriebsstrategien und verbessern die Kaltstartfähigkeit. Zum Start werden drei Diesel angeboten. Zwei davon mit 109 PS, von denen der eine 1,5-Liter Hubraum hat und aus der Kooperation mit Renault stammt. Er wird nur mit 6-Gang-Handschalter angeboten. Der andere hat 1,8-Liter Hubraum, wird nur mit 7-Gang-DSG angeboten, beschleunigt etwas besser ( 10,6 zu 11,3 Sekunden auf 100 km/h), und schluckt mehr. Während dem Renault-Motor 3,8 Liter genügen (98 Gramm Kohlendioxid), braucht der 1.8er 4,1 Liter. Beide Triebwerke heißen zwar A 180 CDI und rennen 190 km/h Spitze. Beim Preis trennen sie aber 2.200 Euro (26.477 Euro zu 28.643 Euro). Als feinster Diesel gilt der A200 CDI mit 136 PS. Er beschleunigt in 9,3 Sekunden, schafft 210 km/h Spitze, konsumiert 4,3 Liter und macht viel Spaß. Die Benziner haben 1,6- (A180 und A200) oder 2,0-Liter Hubraum (A 250), leisten 122, 156 oder 211 PS. Sie beschleunigen flott und unaufgeregt. Nur das gummiartige, unsensible elektronische Gaspedal nervt. Der A250 flitzt in 6,6 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht mit Turboschub 240 km/h. Alle Benziner sollen zwischen 5,5 und 6,4 Liter verbrennen, aber das ist unrealistisch wenig. Realer sind ein, zwei oder drei Liter mehr.
Der 6-Gang-Handschalter arbeitet unerwartet weich und gut wie bei einem sehr gut eingefahrenen Taxi. Noch besser passt das 7-Gang-DSG, weil es unauffällig und ohne jegliche Zugkraftunterbrechung die Gänge wechselt. Schönes Detail: Der Wahlhebel am Lenkrad lässt in der Mittelkonsole Platz für Becher, Telefon, etc. Wer fährt, fliegt auf diesen Benz
Mit 1.370 Kilo Norm-Gewicht wiegt die A-Klasse 100 Kilo mehr als ein Audi A3 und in etwa so viel wie der 1er-BMW mit Heckantrieb. Trotzdem fährt sich das Auto wunderschön. Mit Komfort-Fahrwerk unspektakulär, aber genau, sehr leise und bequem. Mit dem AMG-Kit samt Sportfahrwerk gibt er ein visuelles Versprechen, das er auf der Strecke beeindruckend einlöst. Locker und leichtfüßig zieht er seine Kurven, mit guter Rückmeldung der Lenkung. Dabei fegt er straff, aber selten hart über die Asphaltpiste und nein, man vermisst hier weder vier Ringe noch einen Propeller. Alles ist gut, fein, schön. Sicherer ist kein Kompakter Der direkte Vergleich der drei wird spannend. Vorne liegt der Mercedes aber schon jetzt bei der Sicherheit. Das liegt neben den sieben Airbags, dem exzellent aufpassenden ESP (das sogar sanft gegenlenkt) vor allem am serienmäßigen, radargestützten Kollisionswarner. Zwischen 30 und 250 km/h erkennt die A-Klasse, ob ein Unfall mit einem Hindernis oder Fahrzeug droht und warnt den Fahrer blinkend und piepend. Gleichzeitig werden die Gurte gestrafft, geöffnete Scheiben geschlossen, also alles getan, um mögliche Unfallfolgen zu reduzieren. Audi bietet im A3 zwar eine sehr ähnliche Technik an, verlangt dafür aber einige 100 Euro extra. Laut mercedes-eigenen Untersuchungen sinkt die Unfallgefahr mit solchen Aufpassern von 44 Prozent auf 11 Prozent. Was in jedem Fall steigt ist die Wahrscheinlichkeit, in der A-Klasse einen Unfall zu überleben, weil das Auto selbstständig einen Rettungswagen alarmiert und die Position per GPS-Daten übermittelt. Dafür muss nur ein Mobiltelefon verbunden sein. Am Anfang steht der Preis 23.978 Euro kostet der A180 mit 122 PS und für ein bisschen mehr Luxus sollten die 1.487 Euro für die Urban-Ausstattung gleich mit eingerechnet werden. Dann hat die A-Klasse eine bereits sehr feine Ausrüstung mit großem Bildschirm, Klima, Multifunktionslenkrad, Mittelarmstütze, 17-Zoll-Alus, Chromelementen und vielem mehr an Bord. Laut Preisliste sind das 2.000 bis 3.000 Euro mehr als beim Vorgänger, gut 1.500 Euro teurer als ein Audi A3 und 2.500 Euro über dem VW Golf. Dafür gibt es einen kleinen Mercedes, der viel, viel besser ist als alle Modelle, die Daimler je in dieser Art und Klasse hatte. Der individuell und schick, dynamisch und elegant ist. Ein mutiges, ein überzeugendes Auto. Der Einfachste: Modell: Mercedes A180 Motor: 1,6-Liter-Turbo-Vierzylinder Getriebe: Sechsgang, manuell Leistung: 122 PS Verbrauch: 5,5 Liter/100 km (NEFZ, kombiniert) CO2: 128 g/km 0 – 100 km/h: 9,2 Sekunden Höchstgeschwindigkeit: 202 km/h Länge x Breite x Höhe: 4,29 m x 1,78 m x 1,43 m Kofferraum: 341 Liter Preis: ab 23.978 Euro Marktstart: September 2012
Der schönste Diesel: Modell: Mercedes A200 CDI Motor: 1,8-Liter-Turbodiesel-Vierzylinder Getriebe: 7-Gang-DSG (DCT nennt es Mercedes) Leistung: 136 PS Verbrauch: 4,1 Liter/100 km CO2: 109 g/km 0 – 100 km/h: 9,2 Sekunden Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h Länge x Breite x Höhe: 4,29 m x 1,78 m x 1,43 m Kofferraum: 341 Liter Preis: ab 27.786 Euro Marktstart: September 2012
Quelle: MOTOR-TALK |
verfasst am 27.06.2012
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TimoFriedmann