Bonn - «Motorradfahrer töten nicht, sie werden getötet.» Dieser Slogan ist unter Bikern weit verbreitet. Im Jahr 2012 kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 586 Motorradfahrer bei Unfällen ums Leben, das sind 16,3 Prozent aller Verkehrstoten. Der Statistik nach war das Risiko für Biker, bei einem Unfall zu sterben, fast viermal so hoch wie für Autofahrer. Denn Motorräder bieten keine schützende Blechhülle oder Anschnallgurte. Die künftige ABS-Pflicht und neues Zubehör wie Airbag-Westen sollen die Situation jetzt verbessern.
Bisher bietet die Kleidung den meisten Schutz bei Stürzen und Unfällen. «Leder ist dabei immer noch das bevorzugte Material, denn es gibt bei der Abriebfestigkeit nichts Besseres», sagt Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Wichtig seien auch feste Stiefel, die das Fußgelenk stützen, Handschuhe und ein moderner Helm.
Unfallvermeidung wird bei einem Fahrtraining geschult. Denn neben moderner Technik bleibt fahrerisches Können ein wichtiger Sicherheitsaspekt Quelle: dpa/Picture Alliance
Materialdicke ist nicht alles: «Je dicker die Kleidung ist, umso unbeweglicher und unsicherer wird der Fahrer», gibt Achim Kuschefski, Leiter des Instituts für Zweiradsicherheit (ifz) in Essen, zu bedenken. Und bei einem harten Aufschlag nütze die robusteste Schutzkleidung wenig: «Wer mit 50 km/h frontal auf ein stehendes Hindernis knallt, hat kaum Überlebenschancen», sagt er. Biker sollten nicht glauben, dass Protektoren in der Schutzkleidung Knochenbrüche und innere Verletzungen komplett verhindern.
Airbags für Biker
Extraschutz bieten sogenannte Airbag-Westen, die über der Motorradjacke getragen werden. Stürzt der Fahrer, blähen sich zum Beispiel beim Modell D-air Street von Dainese blitzschnell zwei Luftsäcke mit jeweils neun Litern Volumen auf und schützen Brustkorb, Schlüsselbeine, Rücken und Hals. Die Auslöseeinheit wird über Funk gesteuert. Bewegt sich der Pilot in sehr kurzer Zeit vom Sattel, werden die Airbags ausgelöst.
In einem Test des ADAC reagierte die Weste von Dainese schnell und überzeugte die Prüfer. Allerdings ist das System für rund 1.200 Euro recht teuer. Vom Hersteller Helite etwa gibt es schon für 549 Euro das Modell Airnest Jacket, deren Airbag allerdings nicht per Funk, sondern durch eine mit dem Motorrad verbundene Reißleine aktiviert wird. Eine funktionierende Weste ist laut Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, aber eher ein Schutzmechanismus für niedrige Geschwindigkeiten: «Bei über 70 km/h werden auch solche Systeme nicht wirklich helfen.»
Gut gepolstert: Eine Airbag-Weste bietet Extraschutz für Oberkörper und Hals. Das Exemplar von Dainese - hier im ADAC-Test - wird per Funk ausgelöst, wenn der Motorradfahrer vom Sattel fliegt Quelle: ADAC
Honda bietet als einziger Motorradhersteller eine Maschine mit Airbag an: Für das mindestens 28.955 Euro teure Tourenmodell Gold Wing gibt es optional einen integrierten Airbag vor dem Fahrer, der ihn bei einem Zusammenstoß abbremsen soll. Die Steuereinheit registriert über Sensoren an der Gabel abruptes und starkes Bremsen und löst im Notfall aus. Das System hilft jedoch nur bei einem Frontalzusammenstoß und beispielsweise nicht bei einem Sturz in einer Kurve.
Nach Einschätzung von ifz-Chef Kuschefski werden künftig noch andere Motorräder mit Airbags zu haben sein: «Wenn die Einheiten klein und kompakt werden, könnten sie besser eingesetzt werden, denn bisher sind die Airbags noch zu groß.»
Ab 2016 wird ABS am Bike zur Pflicht
Unfallforscher Brockmann rät beim Motorradkauf zu Maschinen mit Antiblockiersystem. Mit der Stotterbremse bleiben Zweiräder lenkfähig und vor allem in der Spur, wodurch sich bei Vollbremsungen Stürze verhindern lassen. ABS haben inzwischen die meisten aktuellen Modelle gegen Aufpreis oder serienmäßig an Bord.
Ab 2016 müssen die Motorradbauer neue Modelltypen mit mehr als 125 Kubikzentimetern Hubraum verbindlich mit ABS ausrüsten. Ab 2017 gilt diese Pflicht für alle zugelassenen Neufahrzeuge. In der 125er-Klasse haben die Hersteller die Wahl zwischen ABS und Kombibremsen, bei denen die Bremskraft mindestens eines Bremshebels auf beide Räder verteilt wird.
Das System RiderEcall von Schuberth setzt nach einem Unfall automatisch oder auf Knopfdruck einen Notruf ab. Ein Modul (im Bild) wird am Motorrad montiert, ein zweites am Helm Quelle: Schuberth
Wer oft alleine unterwegs ist, kann mit dem Notruf- und Ortungssystem RiderEcall vom Helmhersteller Schuberth nach einem Sturz zumindest sicherstellen, dass zügig Hilfe kommt. Registriert das System einen möglichen Unfall, wird automatisch die Position des Fahrers geortet und eine Sprechverbindung zu ihm aufgebaut.
Meldet er Hilfebedarf oder antwortet er nicht, rückt der Rettungsdienst aus. Das System ist mit vielen Motorradhelmen - nicht nur mit Modellen von Schuberth - kompatibel und kostet mit 24-monatigem Abonnement für den Notrufservice 499 Euro. Das Abo kann nach Ablauf jeweils um zwei Jahre verlängert werden.
«Am besten ist es, einen Unfall von vornherein zu vermeiden», sagt ifz-Leiter Kuschefski. Er empfiehlt, regelmäßig am fahrerischen Können zu arbeiten. Das lasse sich bei Fahrertrainings schulen, bei denen es nicht um atemberaubende Schräglagen oder beste Rundenzeiten geht, sondern um Gefahrenerkennung und die richtige Reaktion - intuitiv, schnell und sicher.