Der Abgas-Skandal von VW schlägt zunehmend höhere Wellen. Statt 480.000 sind elf Millionen Autos betroffen, die Aktie fällt weiter. Jetzt hat sich Martin Winterkorn entschuldigt.
Quelle: dpa/Picture Alliance und Volkswagen USA New York – Die aktuelle Abgas-Krise trifft den VW-Konzern zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Während in Frankfurt die weltgrößte Automesse läuft und der Aufsichtsrat den neuen Vertrag für Martin Winterkorn vorbereitet, befindet sich das Unternehmen im freien Fall. Statt 482.000 Fahrzeugen sind elf Millionen von dem Abgas-Skandal betroffen. VW musste daraufhin eine Gewinnwarnung aussprechen. Die VW-Aktie brach weiter ein. All das könnte Martin Winterkorn seinen Job kosten. Laut eines Berichts des "Tagesspiegel" habe der Vorstandsvorsitzende nicht mehr das Vertrauen des Kontrollgremiums. Winterkorn bittet Kunden um ihr VertrauenUPDATE: Kurz nachdem VW die Rücktrittsgerüchte dementiert hat, tritt Martin Winterkorn selbst vor die Kamera. "Ich entschuldige mich in aller Form bei unseren Kunden, den Behörden und der gesamten Öffentlichkeit für das Fehlverhalten". Es wäre falsch, "wenn wegen der schlimmen Fehler einiger weniger die harte und ehrliche Arbeit von 600.000 Menschen unter Generalverdacht gerät", sagte der Vorstandsvorsitzende in einem von Volkswagen veröffentlichten Video-Statement. "Das hat unsere Mannschaft nicht verdient. Auch deshalb bitten wir, bitte ich, um Ihr Vertrauen auf unserem weiteren Weg", sagte er. "Wir klären das auf", betonte der 68-Jährige. VW: "Wir haben es völlig vermasselt"Statt wie geplant den neuen Passat zu präsentieren, tritt Volkswagen US-Chef Michael Horn am Montag Abend vor seine Gäste und entschuldigt sich: „Wir waren unehrlich. Wir haben es völlig vermasselt“. Für das Auto interessiert sich an diesem Abend kaum jemand. Quelle: Volkswagen USA Immerhin: Horn ist präsent, bezieht Stellung, entschuldigt sich, auch wenn er vom Teleprompter abliest. Dennoch bleibt offen, ob der erst Anfang 2014 in den USA als Krisenmanager gestartete Vertriebsexperte die Krise überstehen wird. Die vergangenen Tage dürften eines der finstersten Kapitel der VW-Firmengeschichte darstellen - und der Albtraum für den Konzern geht weiter. Kurz bevor Horn in New York zerknirscht die Bühne betritt, berichten US-Medien, dass der Autokonzern mittlerweile auch ins Visier des US-Justizministeriums geraten sei. Damit würde sich der ohnehin schon brisante Skandal zum Kriminalfall ausweiten. Ein neuer Tiefpunkt für VW. Schwerwiegende VorwürfeAusgelöst wurde der ganze Skandal durch Forscher aus Berlin. Die Mitarbeiter des International Council on Clean Transportation (ICCT) hatten Unstimmigkeiten bei Abgastests festgestellt und den Vorgang daraufhin an Kollegen in den USA weitergeben. Getestet wurden ein VW Jetta, ein Passat und ein BMW X5, jeweils im Labor und auf der Straße. Während die Laborwerte allesamt die Auflagen erfüllten, überschritt auf der Straße der Jetta die Grenzwerte um das 15-35-Fache und der Passat um das 5-20-Fache, berichtet „Spiegel Online“. Die Luftverpestung soll um das bis zu Vierzigfache höherliegen, als die frisierten Werte vorgaukeln, schreibt die Deutsche Presse-Agentur. EPA drohte damit, die 2016er Autos nicht zuzulassenBereits im Mai 2014 habe die US-Umweltbehörde EPA mit ihren Untersuchungen begonnen. Im Dezember musste VW daraufhin 500.000 Fahrzeuge zurückrufen und ein Software-Update durchführen, schreibt Spiegel. Die EPA testete erneut. Der Fehler blieb. Daraufhin drohte die Behörde damit, die 2016er-Modelle in den USA nicht zuzulassen, VW knickte ein – und gab den umfangreichen Betrug zu: Mit einer speziellen Software, einem sogenannten „Defeat Device“, fälschte der Konzern den Schadstoffausstoß im Rahmen von Emissionstests. GM musste vor 20 Jahren 470.000 Autos zurückrufenQuelle: picture alliance / dpa Der aktuelle Fall ist nicht der erste, mit dem die EPA Schlagzeilen macht, doch es ist der mit Abstand spektakulärste. Im Jahr 1995 musste General Motors 470.000 Fahrzeuge zurückrufen, weil sie die CO-Werte überschritten. Nach Angaben der „Detroit News“ hatte die Behörde Emissionen gemessen, die den Grenzwert um das Dreifache überschritten. GM musste eine Strafe von 11 Millionen Dollar bezahlen. 1998 mussten sieben Hersteller von schweren Nutzfahrzeugen mit Dieselmotor eine Strafe von einer Milliarde Dollar bezahlen. Im vergangenen Jahr traf es Hyundai und Kia. VW droht eine Strafe von 18 Milliarden Dollar (gut 16 Milliarden Euro). Damit würde VW Extremfälle wie etwa BP und die Deepwater-Horizon-Katastrophe in den Schatten stellen. Allerdings ist die Strafe ein theoretischer Wert. „Es ist eine Einladung an VW, die Verhandlungen zu beginnen“, sagte Michael Steel, ein auf Umweltrecht spezialisierter Anwalt der Kanzlei Morrison Foerster, dem US-Nachrichtenportal „Business Insider“. Diesel-Pkw als eine der wenigen VerkaufsstützenDoch die Lage ist trotzdem ernst genug. Der Imageschaden dürfte kaum zu bemessen sein. Im für VW ohnehin problematischen US-Markt einen Fuß auf den Boden zu bekommen, wird dadurch noch schwerer. Die mittlerweile aus dem Handel genommenen Diesel-Wagen zählten hier bislang zu den wenigen Verkaufsstützen. Ohne Manipulation wären diese Modelle wohl gar nicht zugelassen worden, vermuten Experten. „Der Software-Trick war der einzige Grund“, schreibt das Fachblatt „Autonews“. Eine derartige Unverfrorenheit würde erklären, warum die US-Ermittler bereit scheinen, ein Exempel zu statuieren. Zum EPA-Bußgeld kommen für VW die Gefahr von Zivil- und Sammelklagen, beispielsweise durch wütende Kunden, und mögliche Strafen der US-Justiz. US-Chef Horn verspricht: „Wir werden es wieder gut machen. Wir werden bezahlen.“ Das dürfte allerdings richtig teuer werden. 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Quelle: Mit Material von dpa |