Der Ur-Ahn vom 911er sieht behäbig aus. Langsam. Und er fährt elektrisch. Nach 116 Jahren zieht der Porsche P1 ins Werksmuseum in Stuttgart.
Von MOTOR-TALK Reporter Fabian Hoberg Stuttgart - Porsche baut Sportwagen, Geländewagen, früher bauten die Schwaben auch einmal Traktoren und ganz, ganz früher: ein Elektroauto. Der älteste jemals gebaute Porsche fuhr mit Spannung und 3 PS. Schon im 19. Jahrhundert setzte Ferdinand Porsche auf Elektromobilität. Damals war noch nicht klar, mit welcher Kraft außer Pferdestärken Fahrzeuge bewegt werden würden. Einen Käfer oder gar einen 356er-Porsche konnte sich niemand auch nur vorstellen. Es war die Zeit, als Ferdinand Porsche mit dem Egger-Lohner-Elektromobil Modell C.2 durch die Straßen von Wien fuhr. Aus der Scheune ins MuseumVon dem Modell wurden vier Prototypen gebaut. Sie sind längst verschollen. Bis auf dieses eine, das im vergangenen Jahr in Österreich auftauchte, in ziemlich gutem Originalzustand. Wolfgang Porsche kaufte es, und stellte das P1 genannte Modell dem Werksmuseum in Stuttgart zur Verfügung. Die Verbindung Lohner und Porsche war eine Zweckgemeinschaft. Der damals 23-jährige Ferdinand Porsche heuerte als junger Konstrukteur beim Wiener Kutschenfabrikant Lohner an. Der glaubte nicht mehr an Pferde als Antrieb und wollte bei seinen Nobel-Kutschen die Antriebsart ändern. Porsche war experimentierfreudig, fleißig und erprobte neue Wege. Der Verbrennungsmotor war schon seit 1863 erfunden, aber Porsche hatte ein Faible für Strom. Schon als 18-Jähriger arbeitete er bei einem Elektrizitätswerk in Wien, stieg vom Mechaniker zum Leiter der Prüfabteilung auf. Watt und Volt waren ihm bestens vertraut und so konstruierte er einen neuen Motor für eine alte Kutsche. Jedes wichtige Bauteil am Fahrzeug markierte er mit P1 – Porsche Nummer 1. Damit wollte er sicher gehen, dass sich bei späteren Patentanmeldungen kein Fremder mit seiner Arbeit schmücken kann. Zehn Vorwärts- und zwei RückwärtsgängeDie Technik des P1 war ihrer Zeit voraus. Das Fahrzeug wurde von einem Oktagon-Elektromotor mit Ausgleichsgetriebe angetrieben. Je nach Spannung leistete der Motor zwischen 3 und 5 PS. Von den zwölf Fahrstufen dienten zwei als Rückwärtsgänge. Der Motor saß hinten, gelenkt wurde über die Vorderachse – genau wie rund 40 Jahre später bei Porsches großer Erfindung, dem VW Käfer. Die Energie kam aus dem Batteriesystem Tudor, ein 44-Zellen-Akku mit 120 Amperestunden. Damit waren drei bis fünf Stunden Fahrt oder bis zu 80 Kilometer drin. Entsprechend groß war die Batterie, sie wog rund 550 Kilogramm. Trotz des Gesamtgewichts von 1.350 Kilogramm zeigte der P1 schon vor über 100 Jahren, was einen Porsche ausmacht. Bei der internationalen Motorwagen-Ausstellung in Berlin 1899 fuhr der Prototyp auf einer 40 Kilometer langen Strecke den übrigen 19 Teilnehmer mit 18 Minuten Vorsprung davon. Heute wäre das Auto ein Verkehrshindernis – bei 35 km/h Spitzentempo. Nur der Schmierfilm durfte abAusprobieren wird das wohl keiner mehr, obwohl sich die Räder frei drehen und das Differential arbeitet. Der Leinöllack für das Holz blättert an manchen Stellen. „Das soll auch so bleiben, wir wollen den Originalzustand erhalten“, sagt Dieter Landenberger, Leiter des historischen Archivs bei Porsche. Eine Restauratorin durfte mit Wattestäbchen und Tüchern nur den jahrzehntealten Schmier- und Staubfilm entfernen. Wo das Fahrzeug die ganzen Jahrzehnte versteckt war, bleibt geheim. Sicher ist nur, dass Ferdinand Porsche es in Wien in einer Arsenal-Remise abstellte, das war eine Art Abstellschuppen. Geschützt unter einer Plane, trocken, vielleicht ein bisschen zugig, so dass wenig Feuchtigkeit und Rost am Auto nagten. Nach einigen Jahren zog das Fahrzeug in eine andere Halle um. Dort, in einer großen Kutschensammlung, verschwand der P1 für Jahrzehnte. Wie oft er den Ort wechselte, ist nicht bekannt. „Es kann aber nicht oft gewesen sein, sonst wäre das Fahrzeug einigen Kennern in der Szene aufgefallen“, sagt Landenberger. Vergangenes Jahr entdeckte ein österreichischer Restaurator die alte Elektro-Kutsche in einer Scheune. Er kaufte das Fahrzeug, nahm Kontakt zu Wolfgang Porsche auf, dem Enkel des Firmengründers. Der Aufsichtsratvorsitzende griff sofort zu, privat. Über den Verkaufspreis wird Stillschweigen vereinbart. Aber ein Porsche war noch nie ganz günstig – ganz egal wie alt er ist. |