Nach 13 Jahren gönnt Opel dem braven Lastesel Vivaro einen Modellwechsel. Der Neue ist sparsamer, praktischer und laut Opel auch irgendwie günstiger. Erste Fahrt.
München - Der silberfarbene Schriftzug "Biturbo" auf dem knallroten Lack sieht sportlich aus und erweckt damit einen völlig falschen Eindruck. Denn beim neuen Opel Vivaro steht "Biturbo" nicht für altbackene PS-Orgien, sondern für modisches Spritsparen. Klar, schließlich werden Lastesel wie der Vivaro mit der Hand am Portemonnaie, nicht am Herzen gekauft. Nach dem Einsteigen vergesse ich schnell, dass ich einen Opel fahre. Das Armaturenbrett stammt eins zu eins von Renault, inklusive der umgebenden Hartkunststoff-Landschaft. Das Gleiche gilt für die Quelle: General Motors neuen 1,6-Liter-Turbodiesel. Sie ersetzen im Vivaro die bisherigen Triebwerke mit 2,0 Litern Hubraum und verbrauchen mehr als einen Liter weniger Sprit. Auf die Frage nach Opels Beitrag an dem Kooperationsmodell heben die Opel-Entwickler das Sichelbogen-Design in der Seitenlinie hervor. Nun ja. Viel Platz für den FahrerZwischen Vivaro I und Vivaro II liegen 13 Jahre. Genug Zeit, um viele Dinge zu verbessern: Wo andere Transporter den Fahrer regelrecht zusammenfalten, sitzen im Vivaro auch große Menschen bequem. Sie können den Fahrersitz sehr sehr weit nach hinten schieben, in der Höhe verstellen und das Lenkrad zu sich heranziehen. Lendenwirbelstütze und Armlehne gibt es serienmäßig. Ebenfalls prima: Der mittlere Sitz lässt sich (gegen Aufpreis) umklappen und dient dann als Mini-Büro. Und wer bei der Fahrt viel Krempel um sich herum verteilen möchte, findet dafür jede Menge Staufächer in nützlichen Größen wie Din A4 vor. Weniger praktisch: Der Getränkehalter verliert seine Halbliter-Wasserfracht schon in der ersten Kurve. Außerdem haben es Beifahrer nicht sehr bequem im Vivaro, sie können an ihrem Sitz nichts einstellen. Motoren: Ruhig, kräftig, sparsamDie neuen Downsizing-Diesel laufen erstaunlich ruhig, nichts nagelt. Außerdem drehen sie gut hoch, sogar aus dem Drehzahlkeller. Und der Verbrauch? Zumindest Opel ist von den Sparfähigkeiten der Quelle: General Motors Diesel überzeugt und lässt einen Teil der Testflotte schwer beladen antreten. Ergebnis: Rund 7,8 Liter auf 100 km, Autobahn und Stau eingeschlossen. Mit leerer Ladefläche zeigte der Bordcomputer 6,4 l/100 km. Beides Mal hat eine Start-Stopp-Automatik und eine rekuperierende Bremse beim Drosseln des Motordursts geholfen. Natürlich leiden Temperament und Fahrstabilität, wenn der Lastesel bepackt wird. Aber die Bremswege bleiben kalkulierbar, der Geradeauslauf zuverlässig. Auch bei schnellen Fahrten und Seitenwind fällt der Vivaro nicht aus der Rolle oder gar von der Strecke. Cockpit: Einfach und intuitivSind die Motoren Renault, ist das Infotainmentsystem "Ren-opel". Es heißt Opel-typisch Intellilink, basiert aber auf Renaults R-Link und wirkt einfacher und dadurch übersichtlicher als im Pkw. Richtig clever: Der Schminkspiegel auf der Beifahrerseite zeigt dem Fahrer gleichzeitig den toten Winkel. Aber: Die Haptik der Knöpfe gelang anderen Herstellern besser, etwa Ford im direkten Konkurrenten Transit Custom. 200 Liter mehr PlatzQuelle: General Motors Doch darum geht es bei einem Transporter auch nur am Rande. Das Entscheidende liegt hinter dem Cockpit. Und dort hat Opel richtig zugelegt. In beiden Radständen bietet der Opel 10 Zentimeter mehr Ladefläche. Ein kleiner aber entscheidender Zuwachs, der für eine dritte Euro-Palette reicht. Das Ladevolumen steigt um 200 Liter auf insgesamt 5,2 Kubikmeter (kurze Version). Noch mehr Flexibilität schafft die Flex-Cargo-Klappe. Sie gibt eine Durchlade-Möglichkeit unter dem Beifahrersitz frei, wodurch in der Langversion Rohre mit einer Länge von bis zu 4,15 Meter eingeladen werden können. So weit, so praktisch. Weniger praktisch ist die hervorstehende, dünne und (je nach Modell) lackierte Stoßfängerschwelle an der Ladetür. Sie könnte schon nach der ersten fallenden Waschmaschine traurig aussehen. Ein PragmatikerAnders als viele Konkurrenten bemühen sich Opel und Renault nur begrenzt um Pkw-Feeling im Nutzfahrzeug. Im Vordergrund der Überarbeitung stand Praktisches: mehr Platz, mehr Komfort, mehr Variabilität, weniger Verbrauch. Quelle: General Motors Bestellungen nimmt Opel seit Anfang Juni an, die Preisliste beginnt bei 23.590 Euro netto. Damit steigen die Preise geringfügig. Opel sieht das so: Dank kompletterer Ausstattung, weniger Verbrauch und einem ausgedehnten Service-Intervall (zwei Jahre oder 40.000 Kilometer statt einem Jahr und 30.000 km) kostet der Vivaro seine Halter trotzdem weniger als bisher. Nutzfahrzeuge sind ein notwendiges, aber zähes Geschäft. Deshalb sind Kooperationen eher die Regel als die Ausnahme. Gleichzeitig erhöhen sie den Konkurrenzdruck. Bislang ist noch nicht klar, wie viel der baugleiche Renault Trafic kosten wird. Bisher gab es den Franzosen 1.000 Euro günstiger als den Opel. Am Thron des Marktführers wird der neue Opel-Transporter so oder so nicht rütteln: Der VW T5 verteidigt in Deutschland einen Marktanteil von 48 Prozent, alle anderen teilen sich den Rest. Anders ausgedrückt: Auf 57.800 verkaufte T5 kamen im vergangenen Jahr 7.500 Vivaro. Technische Daten: Opel VivaroDer Einfachste
Der Stärkste
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