Mit dem Laguna-Nachfolger gelang Renault ein durchaus repräsentables Auto. Mit viel Technik und wenig Hubraum fuhr der Talisman bei uns zum Test vor.
Der Talisman fällt auf, und Renault packt ihn mit Technik voll. Was man davon wirklich im Alltag braucht und ob die Allradlenkung halten kann was Renault verspricht, erzählen wir in diesem Test. Weiter unten gibt es die Wertungen im Detail.
Berlin – Später Abend im Berliner Stadtteil Neukölln. Die Ampel an der Sonnenallee ist rot. Hinten stoppt ein alter Clio, sein weißer Lack ist stumpf, ein Scheinwerfer funktioniert nicht. Zwei dunkle Schatten steigen aus dem Auto. Sie kommen nach vorne. Es klopft an die Scheibe der Fahrertür. „Wir werden ausgeraubt“, flüstert die Beifahrerin. Doch nichts da. Nach einem freundlichen Grinsen der nun hellen Gestalt lasse ich das Seitenfenster herunter. „Was’ das für ein Auto!? Gut?!“ Und: „Boah sieht der scharf aus. Kannst’ nochmal blinken?“. Ich tue ihm den Gefallen. "Ah die wischen ja gar nicht von innen nach auußen. Trotzdem geil wie der aussieht!" Er freut sich. Es wird grün, wir müssen los. Autos für solche Erlebnisse hat Renault lange nicht gebaut. Quelle: MOTOR-TALK Er ist vor allem erst mal groß, der Renault Talisman. Das schindet Eindruck. Die breite Spur, die 19 Zoll großen Räder und die weit außen platzierten Scheinwerfer lassen ihn noch stämmiger wirken, als er ist: 4,85 Meter Länge und 1,87 Meter Breite ohne Außenspiegel wollen erst einmal aus engen Parklücken manövriert werden. Der Laguna war sieben Zentimeter schmaler und 15 Zentimeter kürzer. Der Talisman bringt beim Parken kein GlückDa freut man sich beim Rangieren über Parksensoren. Doch beim Talisman sind sie übereifrig. Sie schlagen schon mit Dauerpiepton an, wenn nach vorn noch 40 Zentimeter Platz sind. Trotzdem kommt man schwer ohne aus. Der Talisman ist unübersichtlich, die Sicht nach hinten ist stark eingeschränkt. In engen Kopfsteinpflastergassen fühlt sich der Talisman entsprechend etwas unbeholfen an. Also rauf auf die Autobahn. Die Massagesitze kneten als nettes Gimmick den Rücken, Windgeräusche halten sich angenehm im Hintergrund, geradeaus läuft die Limousine ganz entspannt und stabil. Schade, dass der Abstandstempomat nicht ganz mitspielen will - zumindest nicht auf unlimitierten, deutschen Autobahnen. Bei 140 km/h liegt die Grenze des Renault-Systems. Der Motor hat dann noch Reserven. Gewöhnungsbedürftige AllradlenkungMit dem Talisman kann man auf der Landstraße Spaß haben. Wenn man sich an die Allradlenkung gewöhnt hat. Das optionale System kann die Hinterräder um bis zu 3,5 Grad einschlagen, bei niedrigen Geschwindigkeiten gegenläufig zu den Vorderrädern. Ab etwa 80 km/h lenken sie in die gleiche Richtung. Das bringt mehr Stabilität in schnellen Kurven. Allerdings bleibt ein etwas künstlicher Eindruck. Positiv an dem System: der kleine Wendekreis. Das nimmt dem großen Talisman einiges von seinem Schrecken in der Stadt. Einparken gelingt oft mit einem Zug weniger als erwartet. Und die nervtötenden Parkpiepser kann man ja abstellen. Nach einer Weile verlässt man sich ohnehin nicht mehr auf sie. Der Renault Talisman im DetailMotor: kraftvoll und sparsam, leise für einen DieselQuelle: MOTOR-TALK Renault quetscht im Talisman 160 PS aus einem 1,6-Liter-Diesel. Dessen Normverbrauch liegt bei 4,5 Litern, Bordcomputer und Tankquittungen ergaben beim Testwagen 6,9 Liter. Der hohe Autobahn- und Stadtanteil und der permanente Einsatz der Klimaanlage haben allerdings nicht gerade geholfen. Angesichts der Fahrzeuggröße geht der Wert in Ordnung. Kräftig genug ist der Diesel auch, Spaß macht er aber nicht immer. Schuld daran ist vor allem das Doppelkupplungsgetriebe. Es schaltet zwar schnell, sucht aber im Teillastbereich oft den richtigen Gang. Mit Handschalter wäre der Diesel in besserer Gesellschaft, doch den großen dCi gibt es nur mit EDC. Bei 130 km/h liegen damit gut 2.500 Umdrehungen an, der Durchzug für Überholmanöver passt mit dieser Übersetzung gut. Ein siebter Gang als drehzahlsenkende Maßnahme wäre wünschenswert. Fahrwerk: Endlich mit mehr HärteDen Vorgänger stimmte Renault verhältnismäßig komfortabel ab. An merkliche Seitenneigungen in schnellen Kurvenfahrten hatten sich Laguna-Fahrer gewöhnt. Der Talisman macht es anders. Die Dämpfer federn strammer und stützen das Auto in Kurven besser ab. Erwischt die Automatik den richtigen Gang, geht es mit den 245er Vorderreifen nahe der Haftgrenze aus Kurven heraus. Schön: Das ESP regelt sicher, aber bevormundet nicht zu sehr. Der Talisman scheint so gut ausbalanciert zu sein, dass der elektronische Rettungsanker nur selten zum Eingriff gezwungen wird. Die künstlich wirkende Lenkung lässt sich wie die Stoßdämpfer über die verschiedenen Fahrmodi in der Härte verstellen – ohne dass dies Einfluss auf die Präzision hätte. Wir waren fast während des gesamten Testzeitraums im „Comfort“-Modus unterwegs. Die anderen Einstellungen wirkten unharmonisch. In Sport wird der Talisman hektisch in Eco phlegmatisch. Innenraum: Weißes Holz und weiches LederQuelle: MOTOR-TALK Der Listenpreis von mindestens 41.000 Euro für die „Initiale Paris“-Ausstattung erscheint auf den ersten Blick hoch. Aber der Renault bietet dafür nicht nur viel Ausstattung. Das Leder fühlt sehr hochwertig an. Die Sitze sind straff gepolstert und dabei sehr bequem – auch auf langen Strecken. Die Nähte passen, nichts klappert oder knirscht. Auch beim Drücken der Zierleisten gibt das Cockpit nicht nach. Das Furniermaterial in "Grey Woodgrain" wirkt dagegen ein wenig wie eine Küchenarbeitsplatte. Das Platzangebot auf den vier äußeren Sitzplätzen empfanden wir als üppig, die Beinauflagen als ausreichend lang. Infotainment: Touch mit TickDie Massage der Sitze, Navigation, Fahrmodi oder Fahrzeugeinstellungen: Vieles funktioniert im Talisman per Touchscreen. Die Fahrmodi lassen sich direkt über ein Dreh-Drück-Rad anwählen. Das geht schneller als mit Wischen und Drücken. Für die Lautstärke der Bose-Anlage würden wir uns ein klassisches Drehrad wünschen – was bei der Zweizonenklimaanlage umgesetzt wurde. Gut: Der Wählhebel für die Automatik lässt sich als Ablage für den Unterarm verwenden während der Finger versucht, die Schaltflächen auf dem Tochscreen zu treffen. Bis ganz nach oben reichen so aber nur lange Finger. Assistenz: Ausprobiert, aber bald wieder abgestelltDer Spurhalte-Warner warnt lediglich ohne Lenkeingriff vor dem Verlassen der Fahrspur. Das geht in dieser Klasse besser. In Baustellen oder bei tief stehender Sonne kommt das System an seine Grenzen und warnt gelegentlich vor Linien, die nicht da sind. Wir stellten den Warner nach einigen Tagen ab. Das funktioniert schnell, die Funktion ist leicht auffindbar. Die LED-Scheinwerfer sehen prima aus und leuchten in einem warmen Weißton weit voraus. Auf den kamerabasierten Abblendassistenten haben wir uns nach kurzer Zeit nicht mehr verlassen. Einige Verkehrsteilnehmer blinkten uns mit Lichthupe an. Beeindruckend sind die gleichmäßige Verteilung des Abblendlichts und die enorme Reichweite des Fernlichts. Preis: Renault Talisman ab 27.950 EuroDie Preise für den Renault Talisman starten bei 27.950 Euro. Dafür gibt es den nach Norm sparsamsten Dieselmotor mit 110 PS und eine ordentliche Ausstattung. Serienmäßig baut Renault in der „Life“-Variante eine Zweizonen-Klimananlage, Navigationssystem, schlüssellosen Zugang und Tempomat in den Talisman. Wer die nächst höhere Ausstattungslinie „Intens“ wählen möchte, kann nicht auf den Basisdiesel zurückgreifen. Dafür gibt es hier die sehr guten LED-Scheinwerfer und die relativ zuverlässige Schildererkennung dazu. Quelle: MOTOR-TALK Die edelste Ausstattungsvariante addiert nochmals größere Aluräder hinzu. Ein adaptives Fahrwerk erlaubt die Feinjustierung der Dämpfer. Hinzu kommen Renaults Allradlenkung, ein Bose-Soundsystem, Ledersitze mit Massagefunktion und ein Head-up-Display. All dies rechtfertigt den Preisaufschlag von 5.800 Euro absolut - wenn man denn darin den entsprechenden Mehrwert sieht. Ein Ford Mondeo Titanium mit 150 PS Diesel und Automatik kostet rund 5.000 Euro weniger. Für ein adaptives Fahrwerk, LED-Scheinwerfer, Ledersitze, Navi oder ein großes Soundsystem zahlt man hier jedoch extra. Damit relativiert sich der hohe Listenpreis deutlich. Die Topmotorisierungen sind auch ohne „Initiale Paris“-Ausstattung zu bekommen. Ein schönes Extra ist das sehr große Glasdach (1.100 Euro), das wenige Fahrgeräusche, aber herrlich viel Licht durchlässt. Renault Talisman: Technische Daten
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