Für den neuen Renault Talisman hat Renaults Chefdesigner Laurens van den Acker das Wort "Überholprestige" gelernt. Ob sich das gelohnt hat? Das lest Ihr in unserem Test.
Florenz - Na, ob das gut geht? Als wir den 4,85 Meter langen Renault Talisman zwischen eine Vespa und einen Betonpoller quetschen, fühlt es sich zunächst an, als wollten wir ein Hochseeschiff auf einer Briefmarke parken. Vorn bietet die wulstige Motorhaube erstaunlich viel Orientierung, nach hinten gilt elektronisch abgefederter Blindflug. Aber dieses dicke Gerät flutscht so lässig in die enge Parklücke, als säßen wir in einem Clio. Quelle: MOTOR-TALK/bmt Renaults Allradlenkung mag ein alter Hut sein, dem bisher kein großer Erfolg beschieden war. Aber es ist ein schöner Hut, der hier gut funktioniert. Er verkleinert den Wendekreis der großen, neuen Limousine auf Clio-Niveau. Abgesehen davon ist wenig alt am neuen Talisman, dem Nachfolger des Laguna. Wer zum ersten Mal auf dem Beifahrersitz Platz nimmt, staunt: Hab ich mich in einen Tesla verirrt? Nein, doch ab der zweiten von drei Ausstattungsstufen passt Renault den Navi-Touchscreen tesla-like hochkant ein. Das kennen wir schon aus dem neuen Espace. Die Sitze im Talisman sehen sportlicher aus als sie sich in Kurven anfühlen. Seitenhalt für Fahrer und Beifahrer bieten sie nicht. Schön, dass man in Frankreich noch solche Fernsehsessel ins Auto baut – der Fahrersitz protzt sogar mit serienmäßiger Massagefunktion. Vorn Holzfurnier, hinten ein schmaler SchlundWeniger schön: Vorn vermisst man auf beiden Plätzen etwas Fußraum. Wer deshalb den Sitz zurückfährt, lässt nicht viel übrig von „einem der größten Innenräume seiner Klasse“, den Renault für sich in Anspruch nehmen möchte. Dennoch können vier Erwachsene im Talisman bequem sitzen. Etwas inkonsequent wirkt der Cockpit-Mix aus weichen Oberflächen, Leder, Holzfurnier und dünnem Hartplastik. Den Innenraum im kleineren Kadjar haben die Franzosen stimmiger hinbekommen. Auch bei der Passgenauigkeit des Vorserienfahrzeugs gilt an vielen Stellen: Nah dran, aber noch Luft nach oben. Quelle: Renault Deutlich weniger hübsch reisen in jedem Fall die Koffer im 608 Liter großen Gepäckschlund. Um dessen wahre Tiefe zu erfassen, muss man schon in die Knie gehen. Doch selbst dann lässt er sich durch die schmale Luke nicht optimal beladen. 1,6 Liter für mindestens 1.462 KilogrammUnter der Motorhaube setzt Renault konsequent auf Downsizing. Maximal 1,6 Liter Hubraum klingen mager für ein Auto von mindestens 1.462 Kilogramm, und sie fühlen sich auch so an. Nicht falsch verstehen: Der Talisman fährt zügig genug und ist keine lahme Ente. Aber etwas mehr Souveränität würde ihm gut tun. Schließlich hat Renaults Chefdesigner Laurens van den Acker für seine neueste Schöpfung extra das deutsche Wort „Überholprestige“ gelernt. Umso mehr überzeugt die schnell und sanft schaltende Doppelkupplungsautomatik aus dem Hause Getrag. Und: Der Spritspar-Gedanke hinter Renaults Downsizing scheint zu funktionieren. Auf der Testrunde im hügeligen Gelände genügten dem Turbodiesel rund 5,0 Liter auf 100 Kilometer. Renault Talisman: Motoren und Preise
In den Talisman baut Renault serienmäßig das Fahrerlebnis-Programm "Multi-Sense" ein. So etwas bieten zwar auch andere Hersteller, aber selten sind die Programme so deutlich spürbar. In Verbindung mit dem adaptiven Fahrwerk wird der Talisman in der „Comfort“-Einstellung zur schwimmenden Riesenschaukel, schnürt sich im „Eco“-Modus selbst konsequent die Luft ab und fährt im „Sport“-Modus mit direkterer Lenkung, härterer Federung und zusätzlichem Motorsound aus der Hifi-Anlage. Dazu gibt es jeweils ein passendes Ambientelicht. Quelle: MOTOR-TALK/bmt Eine nette Spielerei, ebenso wie das in die R-Link-Software integrierte „Reise-Spiel“. Hier können Eltern mit dem Nachwuchs um die Wette nach Brücken, Cabrios oder Kilometersteinen Ausschau halten. Viel Technik zum fairen PreisIn Frankreich sieht Renault den Talisman potenziell auf der Nummer eins unter den Business-Limousinen, vor Peugeot 508 und Citroën C5. Vielleicht sogar als neue Präsidentenlimousine. In Deutschland verkauft Renault seine Autos vor allem über günstige Preise. Da erstaunt es auf den ersten Blick, dass die Talisman-Preisliste erst rund 3.000 Euro oberhalb der Einstiegspreise der Konkurrenz beginnt: Einen Ford Mondeo, Opel Insignia, Peugeot 508 oder Toyota Avensis gibt es (nach Listenpreis) deutlich günstiger. Zum Ausgleich schnürt Renault besonders üppige Ausstattungspakete. Schon der einfachste Talisman steht auf Leichtmetallfelgen und ist ausgestattet mit dem R-Link-System inklusive Navi und Touchscreen, elektrischen Außenspiegeln, Parkpiepsern hinten, einem Massagesitz für den Fahrer, Lichtsensor, Multi-Sense und Lederlenkrad. In höheren Ausstattungen kommen zum Beispiel LED-Scheinwerfer mit Fernlichtassistent dazu, jede Menge Assistenten inklusive Spurwarner, Auffahrwarner, Notbremssystem und Co, eine Bose-Anlage, ACC, die eingangs erwähnte Allradlenkung oder ein Head-up-Display. Seltsam allerdings, dass Renault Features wie die Rückfahrkamera oder den Notbremsassistenten erst in der höchsten Stufe „Initiale Paris“ serienmäßig einbaut. Fünf Jahre Garantie serienmäßigFazit: Renault hat mit dem Talisman die Mittelklasse nicht neu erfunden. Mit gutmütigen Fahreigenschaften, viel Technik zum fairen Preis plus einer in Deutschland serienmäßigen Fünfjahres-Garantie (bis 100.000 km) müssen sich die Franzosen aber keinesfalls verstecken. Die Limousine startet im Februar 2016. Der für den Erfolg entscheidende Kombi folgt im Mai 2016. Renault Talisman: Technische DatenVariante: Energy dCi 160 EDC
Variante: Energy TCe 150 EDC
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