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PSA Peugeot Citroën im Griff der Krise - Der Kampf des französischen Löwen

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PSA Peugeot Citroën, Europas zweitgrößter Autohersteller, blickt in ein düsteres 2013. Wie will sich der 200 000 Mitarbeiter starke Familienbetrieb sanieren?

Citroën Numéro 9: Die aufsehenerregende Studie soll Citroëns Weg ins Premium-Segment aufzeigen. Citroën Numéro 9: Die aufsehenerregende Studie soll Citroëns Weg ins Premium-Segment aufzeigen. Quelle: PSA

Paris - PSA Peugeot Citroën, das ist einer dieser Konzerne, wie es sie nur noch selten gibt. Ein globalisierter Familienbetrieb. Im 16-köpfigen Aufsichtsrat stößt man vier Mal auf den Nachnamen Peugeot, einmal auf den Nachnamen Michelin. Ein weiterer Peugeot sitzt im Management.

Manager mit Stammbaum: Christian Peugeot vertritt die Gründerfamilie im PSA-Vorstand. Manager mit Stammbaum: Christian Peugeot vertritt die Gründerfamilie im PSA-Vorstand. Quelle: Peugeot PSA ist auch einer dieser Konzerne, wie es sie vielleicht bald gar nicht mehr gibt. Denn die Peugeot-Familie muss derzeit harte Entscheidungen treffen. PSA, bislang zweitgrößter Autohersteller Europas, leidet an der europäischen Absatzkrise. In Spanien und Italien verlor der Konzern ein Drittel seines Umsatzes. Da, wo noch Autos verkauft werden, kämpfen die Hersteller mit einer margenfressenden Rabattschlacht. Hier wird mitunter mehr Geld verbrannt als verdient.

Im Jahr 2011 schrumpfte der PSA-Absatz zehn Mal stärker als der europäische Markt. 2012 erwartet der Konzern einen Verlust von 200 Millionen Euro – pro Monat.

Abwrackprämie nur ein Strohfeuer

Die europäische Autokrise könnte mit PSA ihr prominentestes Opfer finden. In Europa wurden in Folge der Bankenkrise seit 2007 drei Millionen Fahrzeuge weniger verkauft. So viele Autos, wie sonst zehn Autowerke bauen. Die von vielen Staaten ausgelobten Abwrackprämien sorgten nur für ein Strohfeuer bei den strukturell geschwächten Volkswirtschaften. Gegen die Massenarbeitslosigkeit in Frankreich, Spanien, Irland oder Portugal half der Geldregen nicht. Der Absatz brach in den Folgejahren noch stärker ein.

Ein weiterer Tiefschlag: Peugeot verkaufte bis 2011 jährlich 450 000 unmontierte Fahrzeuge in den Iran. Wegen des EU-Handelsembargos fällt dieses Geschäft komplett weg.

Streichliste: 8000 Jobs und ein Werk

"Nein zu den Schließungen": Graffiti am PSA-Werk Poissy. "Nein zu den Schließungen": Graffiti am PSA-Werk Poissy. Quelle: dapd Langsam wird die Kasse klamm. PSA musste bereits Teile des Tafelsilbers veräußern: Die Pariser Firmenzentrale (245,5 Millionen Euro), den Firmenjet, zuletzt 75 Prozent der Logistik-Tochter Gefco (800 Millionen Euro). Gleichzeitig kündigte der Konzern an, das Werk in Aulnay-sous-Bois zu schließen. Das Werksgelände, verkehrsgünstig zwischen Paris und dem Flughafen Charles de Gaulle gelegen, lässt sich gewinnbringend vermieten oder verkaufen.

Ursprünglich wollte PSA nur 3200 Stellen bis 2012 abbauen, jetzt sollen weitere 8000 Arbeitsplätze folgen, von insgesamt 97 000 allein in Frankreich.

Mit den harten Schnitten hofft der Familienbetrieb, wieder wettbewerbsfähig in Frankreich produzieren zu können. 3000 Mitarbeiter sind in Aulnay betroffen und entsprechend aufgebracht reagierten sie mit wütenden Streiks auf die angekündigte Schließung. Die Proteste gipfelten in der Geiselnahme des Personalchefs von Aulnay im Oktober 2012.

Kein Geld für die Produktoffensive

PSA steht nah am Abgrund, aber der Konzern steht dort nicht allein. Auf den ersten Blick teilen die defizitären Hersteller Opel, Ford Europa und Fiat das PSA-Schicksal. Doch wo Ford und Opel in neue Modelle investieren, halten sich PSA und Fiat zurück. Sie haben schlicht kein Geld, um neue Modelle auf den Weg zu bringen.

Tradition: Peugeot ist die älteste noch existierende Automarke (Serienproduktion seit 1891). Blick in die Produktionsstraße des Peugeot 404, 1961. Tradition: Peugeot ist die älteste noch existierende Automarke (Serienproduktion seit 1891). Blick in die Produktionsstraße des Peugeot 404, 1961. Quelle: Peugeot Darum konzentriert sich PSA vorläufig auf drei strategische Schwerpunkte. Erstens: Die Dieselhybrid-Technologie. Hier ist PSA Vorreiter. Zweitens: Die Vermarktung günstiger Stufenheck-Limousinen in Schwellenmärkten auf bestehenden Plattformen und ohne Entwicklungsaufwand.

Drittens: In China das Premium-Segment erobern. Zukünftige Citroën DS-Modelle orientieren sich stark am chinesischen Geschmack. Das Design entsteht bereits vor Ort. Eventuell wird DS in China sogar als eigene Marke etabliert.

Ob PSA so ausreichend für die Zukunft gewappnet ist? Das Geld für Forschung und Entwicklung ist knapp. Zwar denken die EU und der französische Staat über Fördergelder für umweltfreundliche Antriebe nach. Doch im laufenden Geschäft hilft das wenig. Für den Konzern wird es zunehmend schwierig, sich neues Kapital am Finanzmarkt zu beschaffen. Die Banken kämpfen mit ihren eigenen Problemen.

Die Banque PSA braucht dringend Geld, um das Geschäft mit den Autofinanzierungen aufrechtzuerhalten. Zuletzt verhandelte die Auto-Bank mit der französischen Regierung über eine Bürgschaft von sieben Milliarden Euro.

Allianz mit General Motors

Gefco: Für 800 Millionen Euro verkaufte PSA 75 Prozent  seines Logistikers nach Russland. Gefco soll künftig auch die komplette GM-Logistik abwickeln. Gefco: Für 800 Millionen Euro verkaufte PSA 75 Prozent seines Logistikers nach Russland. Gefco soll künftig auch die komplette GM-Logistik abwickeln. Quelle: Gefco Zur geplanten strategischen Allianz mit General Motors urteilte Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer: „ Zwei Kranke machen noch keinen Gesunden“. Beide Seiten versprechen sich hohe Einsparungen bei Einkauf, Entwicklung und Logistik. Mittelfristig sollen es jeweils zwei Milliarden US-Dollar pro Jahr sein.

Schon fürchten deutsche und französische Gewerkschafter durch eine Zusammenlegung der Produktion um weitere Arbeitsplätze. Es wäre die logische Konsequenz aus gemeinsam entwickelten Fahrzeugen auf gemeinsamen Plattformen.

PSA fehlt der Partner

Warum die Situation für PSA so viel bedrohlicher ist? Weil der französische Konzern keinen Partner hat. Opel hat GM, Ford die große US-Mutter, Renault hat Nissan und Fiat Chrysler. Nur PSA hat niemanden, der den Fall bremsen kann.

Wenn die EU-Staaten ihre Arbeitsmarktkrise nicht überwinden, hilft alles Sparen nichts. Dann wird der Konzern weiter Arbeitslose statt Autos produzieren müssen, um überleben zu können.

2013 wird ein weiteres, schweres Jahr für die Autohersteller. Immer noch werden 3 Millionen Fahrzeuge zu viel gebaut. Es ist unwahrscheinlich, dass es bei der Schließung von Genk, Aulnay und Bochum bleibt. Zum Vergleich: Die US-Autoindustrie schloss zwischen 2007 und 2011 insgesamt 48 Produktionsstätten und entließ zehntausende Arbeiter.

Nordkoreanische Ökonomie in Frankreich?

GM, Chrysler und Ford verdienen heute wieder Geld. Doch der Abbau so vieler Arbeitsplätze in Europa ist umstritten. Das gilt besonders für das traditionell arbeiterbewegte Frankreich. Bernhard Tapie, eine Art französischer Gunter Sachs, attestierte dem Minister für Reindustrialisierung Arnaud Montebourg jüngst eine „nordkoreanische Idee von Ökonomie“.

"Nein zur Schließung von Aulnay": Französische Arbeiter protestieren gegen die Kürzungspläne. "Nein zur Schließung von Aulnay": Französische Arbeiter protestieren gegen die Kürzungspläne. Quelle: dapd Montebourg drohte dem indischen Stahlkonzern Mittal mit der Verstaatlichung eines Stahlwerks in Lothringen und wollte die Milliardenbürgschaft für PSA an die Rücknahme der Schließung von Aulnay knüpfen.

Diese Idee scheiterte am Veto von Präsident François Hollande. Im Land kommt Montebourgs radikaler Denkansatz trotzdem gut an. So fehlt der „Grande Nation“ auch das Verständnis für die zahnlosen Politiker im Nachbarland: „Berlin erlaubt Opel, Bochum zu schließen“, wundert sich die wirtschaftsliberale Zeitung „Les Echos“. So etwas können sich Franzosen nur schwer vorstellen.

Quelle: MOTOR-TALK

Bildnachweis Topteaser: © bajita111122 - Fotolia.com, © Jürgen Fälchle - Fotolia.com

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