Ein Rolls-Royce Wraith kostet rund 280.000 Euro, dafür spart man sich den Chauffeur. Auch wir haben uns selbst ans Steuer gesetzt und sind von Paris nach Bonn gefahren.
Paris/Bonn – Exklusivität bedeutet Luxus. Und Luxus verkauft sich gut. Für Rolls-Royce bedeutete das im vergangenen Jahr ein Wachstum von zwölf Prozent. Erstmals wurden mehr als 4.000 Rolls verkauft. Auf der Straße sieht man so viel Blechprunk dennoch selten. Das Absatzplus liegt nicht an der Nachwuchsfreude des klassischen Adels, sondern an selbstfahrenden Jung-Millionären. Viel weniger sollte man nicht auf dem Konto haben, denn Rolls fahren bleibt unverändert ein kostspieliges Vergnügen. Apropos Kosten: Menschen, die ihren Rolls-Royce selbst steuern, sparen sich den Chauffeur. Und wählen eher das Einsteigercoupé Wraith statt eines schwülstigen Phantoms. 1. Gang: Das BesteVerarbeitung und Spaltmaße beim Wraith sind so gut, dass Bentley- und S-Klasse-Fahrer neidisch rüberschielen. Besonders gefallen uns die hübschen Details: Das gravierte Doppel-R in den Scheinwerfern, das stets horizontale Emblem an den Radnaben, die beleuchtete Lady auf dem gewaltigen Grill. Unter der Haube steckt das stärkste Aggregat der Firmengeschichte: Der 6,6 Liter große Zwölfzylinder leistet 632 PS. Er wuchtet die britische 2,5-Tonnen-Fuhre in 4,6 Sekunden auf Tempo 100. Wenn wir ihn lassen würden. Der Rolls-Royce Wraith ist ein Gentleman, behält Leistung und Drehmoment für sich, selbst bei 250 km/h. Denn diese Pretiosen sind zum Fahren, nicht zum Rasen gebaut. Wer seinem Rolls-Royce die Sporen gibt, der trinkt auch Rotwein mit Cola gemischt, auf ex. 130 Sachen sind erst Wohlfühl-, dann Genießertempo. So ruhig, so sanft gleitet der Wraith. Das Getriebe schaltet sanft die acht Gänge, der V12 arbeitet ohne jeden Mucks. Innen hört man nichts. Allerdings auch nicht das viel zitierte Uhrenticken. 2. Gang: Das SchwächsteSportlichkeit und Luxus lassen sich schlecht vereinbaren. Trotz der Leistung fühlt man sich bei einer schnellen Fahrt wie ein Rotwein/Cola-trinkender-Läufer – zu schwer das Auto, zu unhandlich das Lenkrad. Der Lenkkranz ist dicker als bei anderen Rolls-Royce-Modellen. Zarte Klavierspielerhändchen finden das mäßig. Wraith-Besitzer haben fürs Schnellfahren ohnehin andere Autos. Und sie grinsen höchstens über 14.000 Euro Aufpreis zum Rolls-Royce Ghost. Für rund 280.000 Euro gibt es im Wraith schließlich 62 zusätzliche PS. Im Testwagen treiben Lammfell-Teppiche, Sternenhimmel und andere Luxusaccessoires den Preis über die 340.000-Euro-Grenze. Trotzdem ist an einigen Kleinigkeiten die Kostenkontrolle sichtbar. Am Ölnachfüllstutzen aus Plastik zum Beispiel. Hier gehört Edles hin – wie gebürsteter Edelstahl. Denn wer selbst fährt, der sollte selbst unter die Haube schauen. Wir haben das getan. Und mussten gleich am Anfang zwei Liter Öl nachfüllen. Und dann sind da die Blicke. Wer Rolls-Royce selbst fährt, der trägt sein großes Ego zur Schau. Auf der Autobahn oder in der Stadt stehen die Fahrer ständig unter Beobachtung. Nasebohren im Auto also besser lassen – könnte peinliche Fotos geben. 3. Gang: Die BasisDer Wraith bietet den Pomp seiner Verwandtschaft plus sportliche Note – oder zumindest das, was Rolls-Royce für sportlich hält: Die Ingenieure kürzen die Ghost-Plattform um 18 Zentimeter im Radstand, das Dach sinkt auf Schulter-Höhe. Trotzdem misst der Zweitürer 5,26 Meter in der Länge – und trägt die gleiche Haube wie sein Chassis-Spender. Der Namen hat das gleiche Thema: Auch Wraith bedeutet Gespenst. Das passt: Von außen wirkt das Coupé riesig. Per Definition ist der Rolls-Royce Wraith ein Coupé, tatsächlich so lang wie die Mercedes S-Klasse. Entsprechend genießen vier Passagiere das Raumgefühl eines Kaminzimmers mit abgehangener Decke. Kunststoff gibt es nicht im kleinsten Rolls-Innenraum. Auf der Haube thront der handgegossene Geist der Ekstase. 4. Gang: Das ÜberflüssigsteNatürlich benötigt kein Mensch ein 5,26 Meter langes Coupé mit 632 PS. Doch noch weniger benötigt ein Auto ein „Powermeter“. Das ist, very britisch, etwas spleenig. Statt der Drehzahl zeigt es die ungenutzte Kraft an. Bei normaler Fahrt stehen 80 Prozent Rest-Power zur Verfügung, bei Vollgas noch 20 Prozent. Tatsächlich nutzt der Wraith also „nur“ rund 500 PS. 5. Gang: Das WissenswerteLaut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kauften in Deutschland im vergangenen Jahr 48 Kunden einen Wraith, 80 Prozent melden das Fahrzeug auf eine Firma an. In der gleichen Zeit verkaufte Rolls-Royce 10 Phantom und 27 Ghost. Auch wenn Bentley-Fahrzeuge preiswerter sind: Die Briten kamen in Deutschland auf 388 Continental, weltweit auf 11.020 Fahrzeuge. Neben der Antriebstechnik stiftet BMW die Elektronik: Navi und Getriebe kommunizieren miteinander und passen die Schaltvorgänge dem Streckenverlauf an. 14 Liter säuft der Brite auf dem Prüfstand. Auf unserer Reise von Paris nach Bonn waren es 10,5, später bei entspannter Fahrt 11,4 Liter pro 100 Kilometer. 6. Gang: Das Besondere„Zweistellig ist aber der Verbrauch“, schimpft nun der Öko mit grünem Gewissen. Bei der Leistung und dem Gewicht angemessen, finden wir. Schließlich ist alles an Bord, was überflüssig und schwer ist: Fußmatten, die am Knöchel kitzeln, Türen, die per Knopfdruck schließen, zwei in der A-Säule integrierte Regenschirme und ein LED-Sternenhimmel, der Hubert Kah zu Ehren gereicht. Dazu Klimaregler wie Orgelzüge und ein Autoschlüssel mit Hantel-Qualitäten. Serienmäßig gibt es für Preisvergleicher, die einen Rolls fahren dürfen, eine Metamorphose. Die Angst vor dem Luxusobjekt verwandelt sich in Fahrspaß. Der Wraith rollt von seinem Thron und wird zu einem Auto. Für den Alltag, zum Einkaufen, für die Fahrt zum Kindergarten. Alles kein Problem. Platz ist vorhanden, dreckige Schuhe bleiben draußen. Nur der Parkplatz muss breit genug sein. Denn die hinten angeschlagenen Türen öffnen sehr weit. Da Behindertenparkplätze tabu bleiben, wären Rolls-Royce-Parkplätze toll. Nach zwei Tagen verschwindet die Erinnerung an den exorbitanten Preis aus dem Kopf. Morgens freut man sich auf das Auto, den Luxus. Im rollenden Verkehr fährt sich der Wraith, nun ja, irgendwie normal. Das Radio bleibt ausgeschaltet, man zirkelt lässig durch die Innenstadt, dicht vorbei an den Außenspiegeln des parkenden Pöbels. Ergötzt sich an der Ruhe im Auto und fühlt sich – gespenstig gut. ROLLS ROYCE WRAITH: TECHNISCHE DATEN
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