Jede Rennserie hat ihr eigenes Publikum verdient. Das der Formel E ist nach Ansicht von Robert Dunker, Autor für den PS-Blog "Der Welt", die Müslifraktion, das Rennen ein Verrat am klassischen Motorsport.
Quelle: picture alliance / dpa Von PS-Blog-Reporter Robert Dunker Monte Carlo - Auf der berühmten Terrasse des Restaurants „La Rascasse“ in Monte Carlo ist der Zuschauer der Formel 1 am nächsten. Ein dreigängiges Menü am Renntag kostet 1.000 Euro aufwärts, und die Tische sind schon jetzt für die nächsten zwei Grand-Prix-Rennen ausgebucht. Die Aussicht ist formidabel, die Model-Dichte hoch. Während der Hatz scheinen die Mädchen die vorbeirasenden Boliden mit ihren dünnen Ärmchen streicheln zu wollen, die sie durch den Maschendrahtzaun hindurch stecken. An den Tischen speisen ihre Begleitungen, ältere Männer im Zweireiher, Einstecktuch und Ray-Ban-Sonnenbrille. Der britische Schriftsteller Alex Garland hat seine Beobachtungen in der Kurzgeschichte Monaco auf den Quelle: picture alliance / dpa Punkt gebracht. „Die Männer schauen den Frauen nach, wie sie den Autos nachschauen.” Wer Ohropax trägt, hat keine AhnungUnd wenn die Rennwagen begleitet von Fehlzündungen in der Schikane auf Tempo 80 herunterbremsen und röhrend wieder beschleunigen, nehmen die Kellner in aller Ruhe die Bestellungen auf. Sie tragen nämlich wie die Models und ihre Männer auch: Ohrenstöpsel. Garland verhöhnte die Zaungäste als den versammelten „Eurotrash“, der vom Rennsport nicht die Bohne verstehe. Garland dürfte bei Niki Lauda auf offene Ohren stoßen. Vom österreichischen Ex-Champion stammt das schöne Bonmot: „Formel 1 mit Ohropax ist wie Sex mit Socken.“ Wer das Kreischen eines Achtzylinders aus der Nähe nicht aushalte, empfahl Lauda, solle gefälligst Zuhause bleiben und den Fernseher anschalten. Formel E: Rennserie für DünnhäutigeJede Rennserie hat ihr eigenes Publikum verdient, möchte man anfügen. Für die Dünnhäutigen und Blassgesichtigen gibt es jetzt die Formel E, die ist gewissermaßen auch wie Sex mit Socken. In Peking surrten am Wochenende zum ersten Mal Rennwagen mit Elektromotor wettbewerbsmäßig im Kreis. Die Wagen standen zwar unter Strom, aber es fehlte der Saft, die Wucht, das Explosionsartige. Schon der Start glich einer traurigen Prozession, die Hatz war alles in allem eine laue Leistungsschau für Matchbox-Autos. Noch absurder war, dass die Piloten in der Garage auf das Ersatzauto umsteigen mussten, als ihnen der Strom ausging. Erst als sich Quelle: dpa / picture alliance der ehemalige Formel-1-Hinterherfahrer Nick Heidfeld und der Weltmeister-Sohn Nicolas Prost auf der Piste in die Quere kamen und der Deutsche spektakulär in die Leitplanke krachte, fühlte man sich als Zuschauer daran erinnert, welch faszinierende Kräfte im Automobilrennsport wirken können. Motorsport für die MüslifraktionDas Schlimmste aber ist der gedämpfte Sound der Formel-E-Wagen. Die Formel 1 ist Lärm und gefährlich, jeder Besucher muss vor dem Besuch des Fahrerlagers und der Boxengasse eine Enthaftungserklärung unterschreiben. Die Formel-E-Autos aber haben einen Soundgenerator, weil Elektromotoren nur ein leises Surren von sich geben. Beim Topspeed erreicht der von allen Teams eingesetzte Standardwagen SRT_01E mickrige 80 (rein künstliche) Dezibel. Schon ein normales Straßenautos kommt im Durchschnitt auf 70 Dezibel. Neuer Kundenkreis: Familien und MüsliDie Serie ist der Verrat am klassischen Motorsport. Die Formel E hat nichts mehr zu tun mit verbranntem Sprit und Campingplätzen und Wurstbuden in Hockenheim oder am Nürburgring, mit Hunt und Lauda schon gar nicht. Dem Motorsport soll ein neuer Kundenkreis zugeführt werden: autobegeisterte Großstädter, Familien, die Müslifraktion. Daher kommt die Formel E nächstes Jahr auch nach Berlin und zum Finale nach London. So viel öko war noch nie, jetzt fällt auch noch die letzte Bastion ihrer Gegner, der Motorsport. Hilf Himmel! In Monte Carlo macht die Formel E übrigens auch noch Station. Kellner, Models und ihre Begleiter freuen sich schon. Sie können ihre Ohrenstöpsel zu Hause lassen. Hier geht es zum PS-Blog |