Volkswagen hat einen Aktionsplan vorgestellt. Demnach müssen weltweit rund fünf Millionen Pkw der Kernmarke VW in die Werkstatt. Einzelheiten gibt es erst im Oktober.
Wolfsburg – Seit mehr als einer Woche blickt die gesamte Auto- und Wirtschaftswelt auf den VW-Konzern. Der Grund: ein Abgas-Skandal und elf Millionen Diesel-Fahrzeuge mit manipulierter Software. Am vergangenen Mittwoch trat der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn zurück, weitere Spitzenmanager wurden beurlaubt. Doch das gesamte Ausmaß der Katastrophe ist bis heute noch nicht abzusehen. VW, Audi, Skoda, VW NutzfahrzeugeWeltweit sind laut Volkswagen rund elf Millionen Autos mit der betroffenen Software ausgestattet. Nach Angaben des neuen Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller ist diese jedoch nicht bei allen Autos aktiv. "Wir rechnen deshalb damit, dass die Zahl der tatsächlich betroffenen Fahrzeuge letztlich geringer sein wird." VW werde in den nächsten Tagen die betroffenen Kunden informieren, sagte Müller am Montagabend. Quelle: VW Der Skandal betrifft neben rund fünf Millionen Pkw der Kernmarke VW (u.a. Golf 6, Passat 7, Tiguan 1) auch andere Marken des Konzerns. Bei Audi ist die Software in 2,1 Millionen Fahrzeugen vorhanden (A1, A3, A4, A6, sowie Q3 und Q5), bei Skoda sind es 1,2 Millionen. Hinzu kommen laut der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ 1,8 Millionen VW Nutzfahrzeuge sowie laut spanischen Medienberichten 700.000 Seat. UPDATE: Volkswagen kündigte am Dienstag eine Aktionsplan an. Bis Oktober werde der Konzern eine technische Lösung zur Nachbesserung präsentieren. Dann sollen alle Fahrzeuge der Kernmarke in die Werkstätten gerufen werden. Jede Konzernmarke wird nationale Internetseiten schalten, auf denen sich Kunden über den aktuellen Stand der Dinge informieren können, schreibt VW. Der Hersteller betonte, dass alle betroffenen Fahrzeuge technisch sicher und fahrbereit seien. 6,5 Milliarden Euro werden bei Weitem nicht reichenDer Skandal stellt den Konzern nach Ansicht von Matthias Müller vor die "größte Bewährungsprobe" der Unternehmensgeschichte. "Es geht darum, verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen", sagte Müller vor Führungskräften des Konzerns. "Dazu braucht es eine schonungslose und konsequente Aufklärung." Müller sprach von einem "schweren Weg". Dabei werde es nur Stück für Stück voran gehen, und es werde Rückschläge geben. Auch finanziell dürfte der Schaden aus dem Abgas-Skandal alles bisher Dagewesene sprengen. Bislang hat VW 6,5 Milliarden Euro zurückgestellt. Diese Summe sei nach Angaben von Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch jedoch vor allem für technologische Lösungen und Service-Leistungen vorgesehen. Möglicher Schadensersatz, Anwaltshonorare und andere Kosten kämen dabei noch obendrauf. Davon kann der Konzern nur einen Bruchteil von der Manager-Haftpflichtversicherung zurückholen. Die hierfür vorgesehene Deckungssumme dürfte kaum bei mehr als einer halben Milliarde Euro liegen, sagte der Düsseldorfer Makler Hendricks & Co. der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Möglicherweise kann VW zudem noch Geld von den verantwortlichen Managern einholen. VW beauftragt Katastrophen-erfahrene KanzleiUPDATE: Volkswagen hat offenbar die bekannte Wirtschaftskanzlei Kirkland & Ellis beauftragt. Der Brandbrief der US-Umweltbehörde EPA war laut dpa auch an die Kanzlei adressiert war. Kirkland & Ellis hat bereits den britischen Rohstoffriesen BP nach dem Umweltdesaster um die "Deepwater Horizon" vertreten. Die Explosion der Ölplattform im Golf von Mexiko im Frühjahr 2010 kostete elf Arbeiter das Leben, verpestete weite Teile der US-Südküste und gilt als schlimmste Öko-Katastrophe in der US-Geschichte. BP akzeptierte eine Strafe von vier Milliarden Dollar. Im Juli zahlte der Konzern die Rekordsumme von 18,7 Milliarden Dollar, um diverse weitere Klagen beizulegen. Doch für VW könnte es noch schlimmer kommen. An den Abgas-Manipulationen der Wolfsburger sind zwar keine Menschen gestorben - dennoch wiegt der Fall nach Einschätzung von Rechtsexperten noch schwerer. "Bei VW haben wir einen ganz anderen Grad von ethisch-moralischem Unwert", sagte der auf Haftungs-, Verkehrs- und Versicherungsrecht spezialisierte Anwalt Jürgen Hennemann "Spiegel online". Bei BP sei es um Fahrlässigkeit und nicht um Vorsatz und kriminelle Energie gegangen, erklärt Hennemann. VW ist auf diversen rechtlichen Ebenen angreifbarErschwerend komme hinzu, dass der zurückgetretene Ex-Konzernchef Martin Winterkorn den Betrug bereits eingeräumt und damit ein vorbehaltloses Schuldbekenntnis eingeräumt habe. VW hat zugegeben, seit 2009 mit Hilfe einer speziellen Software Ergebnisse von Emissionstests für Diesel-Wagen in den USA geschönt zu haben. Damit ist das Unternehmen auf diversen rechtlichen Ebenen angreifbar. Die 18 Milliarden Dollar Strafe, die die EPA theoretisch gegen VW verhängen könnte, halten Experten allerdings für viel zu hoch gegriffen. Weil die Behörde bei der Kalkulation ihrer Bußgelder eine Art Mengenrabatt einräume, seien 7,4 Milliarden Dollar ein realistischeres Höchstmaß. "Wahrscheinlich deutlich weniger", sagt Max Warburton vom US-Analysehaus Bernstein. Staatsanwaltschaft ermittelt gegen WinterkornGegen den zurückgetretenen VW-Chef Martin Winterkorn hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig bereits ein Verfahren eingeleitet. Der Fokus liege auf dem Vorwurf des Betrugs durch den Verkauf von Autos mit manipulierten Abgaswerten, teilte die Behörde mit. Quelle: picture alliance / dpa Während die Aktie an der Frankfurter Börse um fast acht Prozent einbrach, wurden weitere Beurlaubungen von Top-Managern bekannt. Seit Tagen gibt es das Gerücht, dass die drei Vorstände Ulrich Hackenberg, Wolfgang Hatz und Heinz-Jakob Neußer beurlaubt seien. Eine offizielle Bestätigung lieferte VW jedoch bislang nicht. Am Mittwoch steht nach dpa-Informationen ein weiteres Krisentreffen des Aufsichtsrats-Präsidiums an. Ulrich Hackenberg wehrt sich Medienberichten zufolge gegen seine Beurlaubung. Der Erfinder von VWs Baukastensystem war viele Jahre ein enger Vertrauter von Martin Winterkorn und wechselte 2007 mit ihm von Ingolstadt nach Wolfsburg. Später kehrte er zu Audi zurück. Aus Fehlern lernenNoch vor der erneuten Krisensitzung am Mittwoch trifft sich VW-Markenchef Herbert Diess mit der EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska in Brüssel. "Wir erwarten von Volkswagen, dass sie die Situation erklären", sagte ein Sprecher der EU-Behörde mit Blick auf das anberaumte Treffen. "Unsere Botschaft wird deutlich sein: Wir erwarten, dass Volkswagen umfassend mit den nationalen Behörden zusammenarbeitet, und wir erwarten die Einhaltung der EU-Regeln." Matthias Müller sagte am Montagabend, VW müsse aus den Fehlern lernen. Dazu gehöre auch, eine neue Unternehmenskultur einzuführen. Der Aufsichtsrat hatte bereits einen Konzernumbau auf den Weg gebracht, bei dem die einzelnen Marken mehr Verantwortung bekommen sollen. Quelle: Mit Material von dpa |