Schluss mit der Schiebedach-Katastrophe bei den Targa-Modellen: Endlich gibt es wieder einen 911 mit Bügel. Der hat mit dem alten Targa aber nur wenig gemein.
Von MOTOR-TALK-Reporter Fabian Hoberg Stuttgart - Eigentlich ist es nur ein Bügel, der sich matt-grau über den Elfer spannt. Doch für Porsche ist es mehr. Es ist ein Stück Geschichte. Der Targa war vor 49 Jahren nur ein „Sicherheitscabrio“. Dann wurde der Name Synonym für eine ganze Gattung. Zuletzt verwässerte er. Heute setzen nur noch wenige Marken wie Lotus oder Alfa Romeo auf die Konstruktion. Ab sofort ist der Bügel bei Porsche wieder da, mit ganz neuer Funktion. Anders als die ersten Targa-Modelle von 1965 basiert der Neue nicht mehr auf dem Coupé, sondern auf dem Cabrio. Das hat Vorteile. So können die Ingenieure eine ähnliche Verdeckmechanik (mit hydraulischen Zylindern) nutzen. Vereinfacht gesagt ist der automatische Überrollschutz des Cabrios der Bügel des Targa. Also permanent ausgefahren und elegant verkleidet: Unter der Alu-Druckguss-Blende steckt heute ein massiver Stahl-Alu-Rahmen. Porsche 911 Targa: Von Coupé auf offen in 19 SekundenQuelle: Porsche Im geschlossenen Zustand dringt mehr Licht ins Auto als im düsteren Cabrio mit seinem Heckschacht. Allerdings kann während der Fahrt das Dach weder geöffnet noch geschlossen werden – der Deckel verdeckt dann aus bestimmten Perspektiven einen Teil der Rückleuchten. Dafür gibt es unter der Kuppe mehr Stauraum. Der reicht zwar nicht für den Golfbag, aber für das ein oder andere Täschchen. Die Ingenieure haben rund drei Jahre an der Lösung getüftelt. Produziert wird das Dachmodul bei Valmont in Osnabrück, montiert in Zuffenhausen. Beim Öffnen des Dachs hebt sich erst der Verdeckdeckel, dann fahren die Schulterklappen am Bügel auseinander. Das dreigliedrige Flächenspriegel-Verdeck mit Magnesium-Druckgussschalen zieht sich z-förmig nach hinten. Dort schiebt es sich hinter den Fondsitzen unter die Glaskuppel. Sechs hydraulische Zylinder und einige Seilzüge sind dafür nötig. Der Vorgang dauert 19 Sekunden, sechs Sekunden länger als beim Cabrio. Das ist aber höchstens im Regen ein Problem. Schwerer, teurer, langsamerEin Blick in die technischen Daten verrät einen weiteren Nachteil des Targa: Er ist verdammt schwer. Durch die massive Bodengruppe und die große Heckglaskuppe nimmt der Sportler zu. Im Vergleich zum Cabrio sind es 40, zum Coupé satte 110 Kilogramm. Kein Wunder, dass der Targa mehr trinkt und etwas träger ist als gleich motorisierte Varianten mit festem Dach. Ernsthaften Interessenten dürfte das bei einem Mindestpreis von 109.338 Euro ziemlich egal sein. Wer 970 Euro mehr zum Cabrio oder 11.781 Euro zusätzlich zum Coupé ausgibt, der will genau diese Form und Funktion. Quelle: Porsche Wenn der Sechszylinder mit einem kurzen Bellen im Heck seine Arbeit aufnimmt, sind Preis und Kilos fürs Erste vergessen. Es zählt der Genuss. Den bietet schon der 3,4-Liter-Boxer mit 350 PS. Ein beherzter Tritt, und der Elfer rennt in 5,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h (mit manuellem Siebengang-Getriebe). Maximal sind 282 km/h drin. Das passende Coupé hängt die halboffene Variante ab: es rast 0,3 Sekunden und 3 km/h schneller. 911 Targa: Nur mit AllradantriebSubjektiv unterscheiden sich Coupé und Targa nur marginal. Das Coupé fährt sich etwas leichter, spielerischer in den Kurven und beschleunigt aggressiver heraus. Am Cabrio gefällt seine Steifigkeit und der Frischwindfaktor. Die Mehr-Kilos machen sich im Alltag kaum bemerkbar. Der Elfer geht wie nur ein Elfer geht. Fein, stark, mit Vehemenz. Im Innenraum weht bei geöffnetem Verdeck dennoch nur ein laues Lüftchen, kitzelt kaum die Haarspitzen. Es funktioniert also wie ein überdimensioniertes Schiebedach. Deshalb kann man sich im offenen Auto noch unterhalten. Mit dem Bügel ist der Targa noch steifer als das Cabrio, selbst bei Längsrillen zittert die Karosserie nur minimal. Quelle: Porsche Rein optisch fällt der Targa alleine durch den Bügel auf. Die klassische 911er-Form mit dem breiten Heck und die ausgestellten Kotflügel behält er bei. Dazu kommt die breite Allrad-Karosserie – den Targa gibt es nicht als Hecktriebler. Es soll laut Porsche wieder ein „Sicherheitscabrio“ sein. Targa-HistorieEher aus der Not geboren, entwickelt Porsche 1965 den ersten 911 Targa. Um die strengen Zulassungshürden für Cabrios auf dem amerikanischen Markt zu umgehen, erfinden die Ingenieure einen Sicherheitsbügel, der die Karosserie umspannt. Statt einer B-Säule sitzt der breite Targa-Bügel hinter den Türen, die C-Säule fehlt. Das Dachteil wird von innen entriegelt, lässt sich falten und findet im Kofferraum Platz. Durch den stabilen Rahmen aus gebürstetem Nirosta-Edelstahl und einen massiveren Frontscheibenrahmen sollen die Insassen bei einem eventuellen Überschlag geschützt werden. Gleichzeitig wird auch die Karosserie insgesamt steifer, was dem Fahrverhalten zugutekommt. 1967 kostet die offene Version mindestens 20.400 Mark und damit 1.400 Mark mehr als das Coupé. Zum Vergleich: Einen VW Käfer 1200 Cabrio gibt es damals für 6.960 Mark. Porsche lässt sich den Namen schützen. Der stammt vom sizilianischen Straßenrennen Targa Florio, wird aber aus praktischen Gründen gekürzt. 27 Jahr lange wird der Ur-Targa gebaut, ab 1996 verwässern überdimensionierte Glasdächer die Konstruktion. Außerdem hat Porsche seit 1983 ein vollwertiges Cabrio im Programm. Technische Daten: Porsche 911 Targa 4
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