MOTOR-TALK-Redakteur Constantin Bergander hat getan, was jeder GTI-Fahrer einmal im Leben tun muss: Er ist zum VW-Treffen am Wörthersee gefahren. Was er rund um den Granit-GTI erlebt hat, lest Ihr hier.
Reifnitz – Ein Außenstehender versteht das nicht: Warum legt man einen Klein- oder Kompaktwagen tiefer und nimmt ihm durch verchromte Motorteile oder Plastik-Verspoilerung die Alltagstauglichkeit? Weil solche Modifikationen Sinn machen. Zumindest einmal im Jahr. Auf dem GTI-Treffen am Wörthersee: Wer sein Auto beim Schaulaufen in Reifnitz präsentiert, will, muss auffallen. Quelle: MOTOR-TALK Das Traditions-Treffen fühlt sich anders an als andere VW-Treffen: Was sonst auf abgesperrtem Gelände stattfindet, parkt und hupt hier mitten in Städten, Dörfern und Landkreisen. Die Region stellt sich auf 200.000 Besucher ein. Einheimische verkaufen an der Ecke Fastfood. Wohnzimmer werden zur Übernachtungsmöglichkeit. Und der Bürgermeister der Gemeinde Maria-Wörth, Adolf Stark, unterstützt die Organisation. Der Mann ist kein VW-Fan, aber weise. Viele Fans bedeuten viel Geld für die Gemeindekasse. Monster-Stau um den Wörthersee200.000 Menschen, Tausende von getunten Autos, viel Alkohol - was auf Fremde komisch wirken kann, ist angenehmer als sein Ruf. Sturzbetrunkene Halbstarke, die erhöhten Reifenabrieb fordern („GUMMIIII!“), treffe ich selten. Stattdessen interessieren sich diverse Grüppchen für den Sound meines Autos. Für einen Moment bin ich Kind und lasse den Motor meines Testwagens drehen. Wir grinsen gemeinsam. Quelle: MOTOR-TALK Richtig aufs Gas treten die GTI'ler jedoch nur abseits des Straßenverkehrs: Auf einem eigens für das „Radieren“ vorgesehenen Platz. Dort stillen spezielle Fahrzeuge den Durst der Zuschauer nach rauchenden Reifen, begleitet von Strong-Man- und Lowrider-Shows. Auf öffentlichen Straßen bleibt dafür kein Platz. Im wahrsten Sinn des Wortes. In Reifnitz reiht sich während des Treffens Auto an Auto, der Verkehr bewegt sich langsamer als eine Wanderdüne. Weil jeder zeigen will, was er hat, was das Auto kann, wieso die Freundin im Winter so oft hörte: "Ich muss noch in die Garage, schrauben." In diesem Stau stecken Spoiler-Monster, Klassiker, Ordnungshüter und einige verirrte Urlauber. Ein älteres Ehepaar im silbergrauen VW-Touran rollt verunsichert im Strom mit. Das originale VW-TreffenZwischen den Autoschlangen begutachten kleine Gruppen gebördeltes und ge-airbrushtes Blech. Einige diskutieren angestrengt über die Umbauten, andere urteilen oft hart und selten herzlich. Auf ihren T-Shirts prangen Logos oder Sprüche, so simpel wie wertvoll. Die Zugehörigkeit zu einem VW-Club, die Treue zum Treffen und die überholte Abneigung gegenüber der Marke mit dem Blitz. Einige tragen Statements spazieren, für die sie von Oma noch in den Schuppen gesperrt worden wären. Ein bisschen Trash und rasierte GTI-Waben im Haar gehören dazu. Genau wie der tornadorote Strich zum GTI-Kühlergrill. Das Wörthersee-Treffen profitiert vom Kult-Faktor. Seit 1987 steht in Reifnitz der Granit-GTI, ein 25-Tonnen-Denkmal des VW Golf 2. Zu ihm pilgern vier Tage lang die Fans, als sei er eine ehrwürdige Gottheit. Ist man meschugge, plemplem oder einfach nur beseelt, wenn man diesem Fels huldigt? Pflichtveranstaltung für den VW-VorstandEine klare Antwort auf diese Frage muss jeder für sich finden. Fakt ist: Auch der VW-Vorstand pilgert hier hin. Der Vorstandsvorsitzende selbst, Dr. Martin Winterkorn stellt gemeinsam mit Entwicklungschef Ulrich Hackenberg die Studie „Design Vision GTI“ vor. Das VW-Ehepaar Ursula und Ferdinand Piëch beobachtet das Geschehen distanziert, aber vor Ort. Davon bekommen viele VW-Fans nichts mit. Sie haben nur Augen für das Golf GTI Cabriolet, das VW-Auszubildende für das Treffen gebaut haben. Die 333 PS starke Studie trägt die österreichischen Nationalfarben. Sie ist indes nur ein Genuss für den Moment, genau wie der verspoilerte Skoda Rapid Sport und der Wörthersee-Amarok. Keines der drei Modelle wird in Serie gehen. Quelle: MOTOR-TALK Viele Besucher lehnen den massiven Auftritt aus Wolfsburg ab. Es gehe es ja um die eigenen Autos, nicht um eine Werbeveranstaltung. Sogar andere Marken mischen sich ein: Mercedes hat einige Jahre das GTI-Radio gesponsert, Opel versuchte sich im Guerillia-Marketing mit fluoreszierenden T-Shirts und Flugzeugbanner-Werbung. Das Treffen vor dem TreffenAls Reaktion auf die zunehmende Kommerzialisierung nehmen viele Fans nicht mehr am offziellen GTI-Treffen teil. Sie reisen früher an und feiern ihre Autos in kleinem Kreis. Ohne Konzern, ohne Show, ohne GTI als Götzenbild – dafür mit wunderschönen Autos aller VW-Marken. Ein Fan erzählt, dass offenbar jeder jemals gebaute Audi RS4 B5 dieses Jahr am Wörthersee war. Obwohl das Vorab-Treffen viel ruhiger und nüchterner ablief als die eigentliche Veranstaltung, sorgte die österreichische Polizei für miese Stimmung. Die Teilnehmer berichten von unnötigen Kontrollen mit fadenscheinigen Anschuldigungen, Bußgeldern ohne Quittung und der klaren Aussage: „Wir wollen euch hier nicht haben. (…) 80 Prozent von euch sind eh asozial.“ Quelle: MOTOR-TALK Viele Fahrzeuge sind bereits stillgelegt worden, weil sie die in Österreich vorgeschriebene Mindestbodenfreiheit von elf Zentimetern unterschritten haben. Eine Typisierung in Deutschland habe die Beamten nicht interessiert. Die Szene hat deshalb einen offenen Brief an den Tourismusverband verfasst und hofft auf Besserung. Nach dem Wörthersee ist vor dem WörtherseeDie nächsten Jahre werden zeigen, wie sich das Treffen rund um den Granit-GTI weiter entwickelt. Wenn ich kann, komme ich wieder hier her – ein paar Tage früher, mit viel Zeit und meinem eigenen Auto. Am Wörthersee gibt es mehr zu sehen, als ich an einem Tag angucken konnte. Allerdings sollte ich diese Reise bald buchen – und meine Bodenfreiheit an die österreichische Gesetzeslage anpassen. Man weiß ja nie… Quelle: MOTOR-TALK |