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Volkswagen: Investor Katar will Sanierung beschleunigen - Die Scheichs machen Druck bei VW

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Das Investment des drittgrößten VW-Aktionärs Katar verliert wegen des Abgasskandals an Wert. Laut "Handelsblatt" drängt das Emirat auf eine schnelle Sanierung.

VW-Stammwerk in Wolfsburg: Das VW-Gesetz zementiert bisher das Mitspracherecht des Landes Niedersachsen und des Betriebsrates. Dafür hat der drittgrößte Investor wenig Verständnis VW-Stammwerk in Wolfsburg: Das VW-Gesetz zementiert bisher das Mitspracherecht des Landes Niedersachsen und des Betriebsrates. Dafür hat der drittgrößte Investor wenig Verständnis Quelle: dpa/Picture Alliance

Wolfsburg – Als hätte VW-Konzernchef Matthias Müller nicht genug Ärger: Dem Mann an der Spitze von Deutschlands größtem Autokonzern droht ein interner Richtungsstreit. Im Kreuzfeuer: die Basis dessen, was VW bisher strukturell auszeichnete. Namentlich das Land Niedersachsen als dominanter Partner und der starke Betriebsrat.

Für diesen Streit sorgt das Emirat Katar. Über die staatseigene Qatar Holding besitzt das Emirat 16,99 Prozent an VW und ist damit der drittgrößte Aktionär, nach den Familien Porsche und Piëch (50,73%) sowie dem Land Niedersachsen (20%). 2009 waren die Araber nach der gescheiterten VW-Übernahme durch Porsche im großen Stil eingestiegen, und bisher äußerst zufrieden mit ihrem lukrativen Investment.

Das hat sich durch den Abgas-Skandal grundlegend verändert, wie das Handelsblatt berichtet. Über den Diesel-Betrug sei Katar „tief verärgert“. Kein Wunder: durch den Skandal verlor das Aktienpaket der Scheichs nach Berechnungen des Wirtschaftsmagazins rund 6,4 Milliarden Euro an Wert.

Beschränkte sich die Qatar Holding bisher in Wolfsburg auf das Kassieren der Dividende, wollen die Investoren nun stärker mitreden. Ein Dorn im Auge sei Katar vor allem der starke Betriebsrat und die dominante Rolle des Landes Niedersachsen, schreibt das Handelsblatt unter Berufung auf Holding-nahe Kreise.

Akbar Al Baker, seit Mai 2015 VW-Aufsichtsrat, leitet außerdem die Fluggesellschaft Qatar Airways Akbar Al Baker, seit Mai 2015 VW-Aufsichtsrat, leitet außerdem die Fluggesellschaft Qatar Airways Quelle: dpa/Picture Alliance

Angriff auf das VW-Gesetz?

Genau diese beiden Punkte gehen zurück auf das VW-Gesetz von 1960. Nach dem zweiten Weltkrieg hatten die Alliierten entschieden: VW solle bestehen bleiben und seinen Teil zum deutschen Wohlstand beitragen. Die Besatzungsmächte stellten das Unternehmen unter staatliche Aufsicht und schrieben weitreichende Befugnisse der Arbeitnehmervertreter fest.

So kann das Land Niedersachen über seine Sperrminorität ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen ausüben. Ohne Zustimmung der Arbeitnehmervertretung sind beispielsweise keine Produktionsverlagerungen ins Ausland möglich. Ein Bollwerk gegen ungezügelten Shareholder-Kapitalismus, das auch die EU-Kommission schon mehrfach schwächen wollte. Bisher mit mäßigem Erfolg.

"Zeit der Deals vorbei"

Droht nun ein Angriff von innen? Akbar Al Baker als Vertreter der Qatar Holding sitzt seit Mai 2015 im Aufsichtsrat und trifft dort auf seinen Landsmann Hussain Ali Al-Abdulla. Es gebe in seinem Umfeld „wenig Verständnis“ für die Eigenheiten des VW-Gesetzes, berichtet das Handelsblatt – denn durch die viele Mitbestimmung werde „das große Ganze aus dem Blick verloren“, zitiert das Magazin einen Vertrauten der Qatar Holding. „Die Zeit für Deals ist aber vorbei.“

Stützen möchte Al Baker dabei vorrangig den neuen VW-Markenchef Herbert Diess. Er will VW moderner ausrichten und die Produktivität um 10 Prozent steigern. Der Betriebsrat fürchtet, dies könne 10.000 Stellen in der Stammbelegschaft kosten. Aktuell verhandelt man deshalb laut „Handelsblatt“ bereits über Altersteilzeitmodelle.

„Einer weiteren Leistungsverdichtung“ in Verwaltungsbereichen werde er nicht zustimmen, ließ Betriebsratschef Bernd Osterloh verlauten. Auch das Land Niedersachsen will keine Werke in Frage stellen und die Stammbelegschaft möglichst erhalten.

Neue Strategie bis Sommer

Bis Sommer will der VW-Konzern eine neue Strategie vorlegen. VW will digitaler, dynamischer und elektrischer werden und außerdem neue Geschäftsfelder erschließen. Federführend ist der ehemalige Opel-Chef Thomas Sedran.

All das geht den Scheichs bisher zu langsam. Dem Betriebsrat droht daher aus dem Aufsichtsrat neuer Gegenwind. Katar will dem Sanierer Herbert Diess aus dem Aufsichtsrat heraus mehr Rückendeckung verschaffen und dafür die Linie der Nichteinmischung aufgeben.

Der Betriebsrat erkenne zwar „bei Katar kein besonderes Gesprächsinteresse“, schreibt das Handelsblatt. Gerüchte kursierten jedoch bereits, dass Katar seinen Anteil an VW auf 20 Prozent erhöhen könnte. Dann hätte Katar so viele Stimmrechte wie das Land Niedersachsen.

Quelle: Handelsblatt; bmt

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