Die Mercedes S-Klasse ist seit 41 Jahren ein Synonym für Luxus, Ingenieurskunst und Sicherheit. Diese Tradition soll der neue W222 fortsetzen. Eine erste Fahrt in der Stuttgarter Luxusklasse.
VON MT-REPORTER FABIAN HOBERG Stuttgart - Die S-Klasse. Sie ist nicht nur ein Auto, sondern ein Synonym: für Luxus, Ingenieurkunst und Sicherheit. Das ist seit mehr als vier Jahrzehnten so und das soll so bleiben. Wenn sich Mercedes etwas wünschen könnte, dann wäre es wohl, dass die neue S-Klasse das beste Auto der Welt wird. Mit der neuen Generation W222 wollen sich die Schwaben von ihren Wettbewerbern abheben. Mercedes spricht von einer neuen Generation, auch wenn vom Vorgänger Radstand und Hinterachse bleiben. Denn: Die neue Limousine teilt sich weniger als fünf Prozent mit dem W221. Vor allem bei der Elektronik und bei der Sicherheit hat der Benz deutlich zugelegt. Das sieht man von außen kaum, dafür spürt man es innen umso mehr. Quelle: Daimler Von dem 4,6-Liter-V8 (455 PS) hört man nach dem Start nichts. Nur der Wind säuselt leise um die Karosserie. Trotzdem, im S500 wäre man ruckzuck auf Tempo 100 (4,8 Sekunden, Wahnsinn!) und mühelos bei 250 km/h – die sich wie 180 Sachen anfühlen. Aber was bedeuten schon Hatz und Hetze in diesem Segment? Das Zwei-Tonnen-Auto fährt sich leicht und lässig wie eine E-Klasse. Das wird viele freuen, nur nicht Audi und BMW. Fast zwei Jahre haben die Ingenieure an der besonders geräuscharmen Karosserie gefeilt. „Stellmotoren noch so kleiner Bauteile sind nun entkoppelt, um nur ja keine Schwingungen in den Innenraum zu lassen“, sagt Baureihenleiter Hermann-Joseph Storp. Leise, leiser, S-Klasse. Außerdem wurde die Torsionssteifigkeit durch mehr Streben, andere Materialien und Schweißpunkte um 50 Prozent erhöht. Erstes Auto komplett ohne GlühlampenDer Fahrer kann bei der S-Klasse zwischen Jogging-Anzug (Sport-Modus) oder Bademantel (Comfort) wählen - daran passen sich Fahrwerk und Lenkung an. Im Sport-Modus wedelt die S-Klasse leichtfüßig über die Landstraße, fast wie ein Gentleman beim Lauftraining. Nicht aggressiv, nicht träge und überraschend dynamisch. Wer weniger Zurückhaltung übt, treibt den Verbrauch nach oben und landet am Ende deutlich über dem Normverbrauch von 8,6 Litern. Nach der 250 Kilometer langen Probefahrt zeigt der Bordcomputer 13,7 Liter. Quelle: Daimler Auf dem Papier hat Mercedes den Verbrauch gegenüber dem Vorgänger um 20 Prozent gesenkt. Einen Anteil daran haben neben der Start-Stopp-Automatik auch die rund 500 LEDs. Die neue S-Klasse ist das erste Auto der Neuzeit ohne Glühlampen. Alleine in einem Scheinwerfer finden sich 56 LEDs, in einer Rückleuchte 35. S-Klasse-VariantenDas Herz von Mercedes schlägt übrigens immer noch in Sindelfingen, diesem schnöden Vorort von Stuttgart. Dort wurde die S-Klasse gezeichnet, entwickelt und dort wird sie auch gebaut. Neben dem S500 noch der S400 Hybrid mit einer Systemleistung von 333 PS, der Sechszylinder-Diesel S350 mit 258 PS und der Vierzylinder-Diesel S300 Hybrid mit 231 PS. Letzter soll nur 4,4 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen, aber immer noch in 7,6 Sekunden auf Tempo 100 sprinten. Schluss ist bei 240 km/h. Ein Zwölfzylinder folgt, ebenso wie ein Plug-in-Hybrid für den S500. Außerdem plant Mercedes neben der kurzen und der langen Limousine weitere vier Karosserievarianten. Darunter eine besonders edle Version als Ersatz für den eingestellten Maybach. Auch ein Cabrio, eine Shooting-Brake-Variante und eine ultralange Pullmann-Version sind denkbar, wie ein Daimler-Mann unlängst erklärte. Der elektronische ChauffeurQuelle: Daimler Ebenfalls neu in der S-Klasse: Der elektronische Chauffeur Distronic Plus mit Lenk-Assistent (bis 200 km/h) und Stop-and-go-Pilot (0 bis 60 km/h). Er eignet sich vor allem für die langweiligen und nervigen Strecken. Morgens, Berufsverkehr, Stau. Ich tippe den Schalter am Lenkrad an und der Benz folgt dem vorausfahrenden Fahrzeug. Geradeaus, durch Kurven, über Kuppen, fast von allein. Möglich machen das räumlich sehende Stereokameras hinter der Windschutzscheibe. Fahrbahnmarkierungen sind für die Orientierung nicht nötig. Ich werde allerdings nach ein paar Sekunden aufgefordert, das Lenkrad in die Hände zu nehmen. Sicherheit geht vor, autonomes Fahren ist (noch) nicht erlaubt. Runter von der Autobahn und rein in das Stadtgetümmel. Ein Passant rennt plötzlich über die Straße. Ich bremse natürlich, hätte das aber gar nicht machen müssen. Denn die Presafe-Bremse hat eine Hindernis- und Fußgänger-Erkennung integriert. Der Benz bremst aus einer Geschwindigkeit bis 50 km/h automatisch bis zum Stillstand ab, ganz gleich, ob ein Auffahrunfall droht oder ein Fußgänger plötzlich die Straße quert. Wer einmal während der Fahrt am Handy oder am Radio gefummelt hat, wird das System zu schätzen wissen. Luxus: OberklasseQuelle: Daimler Nach dem Schreck können sich die Fondpassagiere erst mal in den weichen Kissen erholen. Sie zählen zwar nicht zu den Highlights der fünfjährigen Entwicklungszeit, sind dafür aber sehr bequem. Ergänzt wird der Komfort durch den eingebauten fliegenden Teppich: Das aktive Fahrwerk Magic Body Control scannt die Straße und bügelt Unebenheiten aus. Kaffeetrinken gelingt nun auch fleckenfrei. Nur bei tiefen Schlaglöchern muss das System passen. Die Krönung des Luxus: In der 5,25-Meter-Langversion genießt der Fondpassagier auf der rechten Seite einen Liegesitz mit einer maximalen Lehnenneigung von 43,5 Grad (bei der Kurzversion sind es 37 Grad). Hier sitzt man absolute Ober-Klasse. Dazu verwöhnt der Sound aus der Burmester-Anlage. Wie in der Business-Class der Lufthansa lassen sich zwei Klapptische aus der hinteren Mittellehne ziehen. Mehr geht nicht. In den Hauptabsatzmärkten USA und China wird deshalb nur die Langversion angeboten. Edles AmbienteQuelle: Daimler Der zweitschönste Platz im Benz ist der des Fahrers. Der Blick schweift über edles Ambiente, auf zwei riesige TFT-Bildschirme im Format 8:3 mit einer Bildschirmdiagonale von 30,7 Zentimetern. Werden auf dem rechten Monitor Navi-Karte (und KEIN Kärtchen) und Automenüs angezeigt, ist die linke Seite für Tacho, Drehzahl und weitere Infos reserviert. Mit einem Knopfdruck wird das Display auch zum Monitor für die Straßenkamera, die nun auch tagsüber funktioniert. Beim Vorgänger war es noch ein reines Nachtsichtgerät. Ein Head-up-Display wird Mercedes leider erst nächstes Jahr anbieten. Es sind vor allem die kleinen Dinge, die Luxus ausmachen. Dazu zählen die verdeckten Kameras, die nur beim Gebrauch ausfahren und so vor Schmutz geschützt sind. Oder die variable Innenraumbeleuchtung. Die lässt sich nicht nur dimmen, sondern auch farblich verändern. Quelle: Daimler Entspannung bieten die Sitze mit integrierter Massagefunktion. Zwei Klicks im Menü reichen und der Sitz drückt meinen Rücken hart und weich, heiß und kalt. Als würde ein behaarter 120-Kilo-Masseur mir die ganze Lebensenergie raus- und wieder reinquetschen. Das ist Wellness aus Stuttgart. Nur noch die Spitze ragt herausTrotz all der Elektronik bleibt der Benz ein Auto und lässt sich einfach bedienen. Der Dreh-Drück-Schiebe-Knopf führt den Fahrer schnell durchs Menü. Die wichtigsten Ordner haben in der Mittelkonsole eine Direkttaste. Wählhebel auf D und los geht es. Nervt denn irgendwas beim vermeintlich besten Mercedes? Neben den happigen Preisen von mindestens 79.789,50 Euro oder gar 104.601 Euro für den S500 und den wirklich monströsen Maßen eigentlich nur der Stern auf der Motorhaube. Denn der ist nicht mehr völlig zu sehen. Nur die Spitze ragt für den Fahrer sichtbar raus und will damit sagen: Wo ich bin, ist vorne.
Mercedes S-Klasse: Technische DatenMercedes-Benz S500
Mercedes-Benz S350 BlueTec
Mercedes-Benz S400 Hybrid
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