Die US-Kanzlei Hausfeld klagt gegen den VW-Konzern. Das Verfahren soll als Muster für alle Betroffenen des Diesel-Skandals dienen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Braunschweig/Berlin – VW-Kunden haben es nicht leicht hierzulande. Anders als in den USA können sie bislang nicht auf Schadenersatz hoffen, wenn ihr Auto mit dem Skandal-Diesel EA189 fährt. Wer seinen VW loswerden will, muss sich an den Händler wenden und gegebenenfalls einklagen, den Kauf rückgängig machen zu können. Mal klappt das, mal nicht. Richter beurteilen bei uns stets den Einzelfall. Mit all seinen Besonderheiten. Sammelklagen wie in den USA gibt es nach deutschem Recht nicht. Und wenn die VW-Kunden ihr Verfahren gewinnen, dann läuft die Rückabwicklung nach Kaufrecht. Der VW-Besitzer darf sein Auto zurückgeben, bekommt den Kaufpreis erstattet, muss sich aber eine Nutzungsgebühr anrechnen lassen. Mit einer neuen Klage soll nun alles anders werden. Das hofft die US-Kanzlei Hausfeld, die auf Verbraucherschutzklagen spezialisiert ist. Sie hat sich den Fall eines Eos-Fahrers ausgesucht, um ihn als eine Art „Musterklage“ durchzufechten. Das Verfahren läuft vor dem Landgericht Braunschweig. Am Ende soll eine Entscheidung stehen, auf die sich Kunden in ganz Europa berufen können. Wie argumentieren die Anwälte?Die Klage richtet sich nicht gegen einen VW-Händler, sondern gegen den VW-Konzern selbst. Weil VW Manipulations-Software in die Autos eingebaut hat, hätten sie nie zugelassen werden dürfen. Der Käufer des Eos habe daher „einen Kaufvertrag abgeschlossen, der niemals hätte zustande kommen dürfen“, sagte der deutsche Kanzlei-Sprecher Hausfelds der Nachrichtenagentur dpa. VW müsse das Auto zurücknehmen und den vollen Kaufpreis erstatten. Ohne Abzug von Nutzungsgebühren. Hausfeld beruft sich dabei auf EU-Recht. Die europäischen Typgenehmigungen der betroffenen Fahrzeuge seien nie gültig gewesen, argumentieren die Anwälte. Die Rückrufe und das Software-Update würden daran nichts ändern. Das soll auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigen. Die Anwälte erwarten, dass das LG Braunschweig ihn anruft. Die Argumentation ist nicht neu. Auch andere Kanzleien haben bereits Klagen gegen den Volkswagen-Konzern angestrengt, bei denen sie sich auf EU-Recht berufen. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer lässt nach eigenen Angaben bundesweit in „mehreren hundert Fällen“ EU-rechtliche Fragen für Mandanten überprüfen. Auch vor dem Landgericht Braunschweig sei eine solche Klage anhängig gewesen. Das Gericht wies sie jedoch ab. Demnächst beschäftigt sich im Berufungsverfahren das OLG Braunschweig damit. Wie wird daraus eine „Muster-“ oder „Sammelklage“?Anders als andere Kanzleien arbeitet Hausfeld mit my-right.de und wirbt über die Seite Klienten für die Klagen gegen VW. Betreiber des Portals ist die financialright GmbH, ein Hamburger Inkassounternehmen, das sich von VW-Käufern die Forderungen gegen den Konzern abtreten lässt. Die Anwälte würden so bereits mehr als 100.000 Autobesitzer vertreten, teilen sie mit. Die „Musterklage“ des Eos-Fahrers ist insofern nur ein Auftakt. Wenn das Landgericht Braunschweig der Argumentation folgt, könnten weitere Ansprüche gebündelt von Hausfeld geltend gemacht werden. Zunächst will Hausfeld weitere Einzelklagen in München und Berlin einreichen. Ein Muster für andere Fälle wird daraus, weil die Argumentation keine Besonderheiten berücksichtigen muss. Sie dürfte sich auf jeden Fall anwenden lassen, in dem ein Auto mit EA189-Motor vor Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft wurde. Was können VW-Besitzer erwarten?VW-Fahrern, die ihre möglichen Ansprüche abtreten, verspricht my-right.de auf der Internetseite „bis zu 5.000 € Schadenersatz oder Rückkauf durch den VW-Konzern“. Woher die Summe von 5.000 Euro stammt, wird nicht klar. Die Anwälte empfehlen den Rückkauf, weil „der Wertverlust im Einzelnen noch nicht absehbar ist“. Nach ihrer Argumentation würden Autofahrer gegen Rückgabe des Autos den vollen Kaufpreis erstattet bekommen. Ein Risiko sei damit nicht verbunden, my-right.de geht auf eigene Rechnung und eigenes Risiko gegen Volkswagen vor. Und verlangt nur im Erfolgsfall eine Provision – in Höhe von 35 Prozent. Was bedeutet das für Volkswagen?Zunächst mal noch nichts. Das Landgericht Braunschweig hatte im oben erwähnten, ähnlichen Fall gegen den Kläger entschieden. Die nächste Instanz hat sich noch nicht damit beschäftigt. Hausfelds Ziel ist es jedoch, dass schon das LG den Europäischen Gerichtshof anruft, damit der eine Einschätzung abgibt. Sollte der Europäische Gerichtshof (EuGH), wie von den Hausfeld-Anwälten erhofft, die Sichtweise bestätigen, dass die Skandal-Diesel nie auf die Straße hätten kommen dürfen, könnte es für den Konzern teuer werden. In Deutschland sind rund 2,6 Millionen Autofahrer betroffen. Würde ein Großteil davon sich der MyRight-Klage anschließen, dürfte es um einen zweistelligen Milliardenbetrag gehen, wie Spiegel-Online schätzt. Für Volkswagen stünde dann die Pleite im Raum. Wird VW jetzt verhandeln?In den USA konnte Volkswagen Vergleiche mit den Behörden über Schadenersatzzahlungen erreichen. In Europa kommt so etwas wegen der anderen Rechtslage bisher nicht in Frage. Verbraucherschützer kritisieren das seit Langem und fordern, dass auch hierzulande ähnliche „Sammelklagen“ möglich gemacht werden sollen. Ein Signal von Volkswagen, auch ohne rechtlichen Druck, über Entschädigungen in Deutschland zu verhandeln, gibt es bisher nicht. Zur neuen Hausfeld-Klage und dem Vorgehen der Kanzlei wollte sich VW bislang nicht äußern. Quelle: Mit Material von dpa |