Die elektrische B-Klasse sieht so unauffällig und normal aus, wie jede andere B-Klasse. Zu Unrecht. Denn der kompakte Mercedes hat es in sich: Er wird von einem Tesla-Motor angetrieben.
Palo Alto/Kalifornien - Ja, wir gehören zu denen, die kurz noch die Welt retten wollen, die sorgfältig die grünen von den weißen Flaschen trennen und den Joghurt-Becher ausspülen, bevor er eingeschmolzen wird. Und ja, wir gehören zu denen, die an die abgasfreie Mobilität glauben. Deshalb sitzen wir heute am Steuer der Mercedes B-Klasse Electric Drive, mit unserem guten Gewissen als Beifahrer. Der normale Mercedes-Kunde muss noch bis Ende des Jahres warten, um in den Genuss des lautlosen Fahrens zu kommen. Dann kann der erste fünfsitzige Mercedes mit rein elektrischem Antrieb gekauft werden. Tesla-Antrieb spart zwei Jahre EntwicklungQuelle: Daimler Wir befinden uns in Palo Alto in Kalifornien, ganz nah am Silicon-Valley. Hier wird die Zukunft ständig neu erfunden. Hier sitzen Apple und Google, genau wie die noch junge Automarke Tesla, die für die B-Klasse den Antrieb liefert. „Das hat uns zwei Jahre eigener Entwicklungszeit erspart“, sagt Chefingenieur Andreas Soens. Für die Amerikaner ist die B-Klasse ein völlig neues Auto. Erst seit sie elektrisch unterwegs ist, wird sie auch in die USA verschifft. Trotzdem erntet der kompakte Mercedes keinerlei Aufmerksamkeit. Niemand dreht sich um, keiner stellt Fragen nach Preis und Reichweite, niemand zückt seine Handy-Kamera. Dieses Auto fällt nicht auf. Es ist zu normal. Das würde einem BMW i3 nicht passieren - in den USA ebenso wenig wie in Europa. So viel Platz bietet kein anderes E-AutoMercedes-Kunden wollen nicht um jeden Preis auffallen, sagt Jochen Mager, Produktmanager der elektrischen B-Klasse. "Wir haben unsere Kunden befragt". Die meisten wünschten sich die neueste Technik in einem alltagstauglichen Auto mit viel Platz, sagt er. Und davon hat die B-Klasse jede Menge. Da die Batterie im Untergeschoss des Quelle: Daimler doppelten Bodens verschwinden, bleiben 510 Liter Laderaum, bei umgelegten Rücksitzen sind es sogar bis zu 1.456 Liter. So viel Raum bietet kein anderes Elektroauto. Im Vergleich zur normalen B-Klasse ist die Elektrovariante um vier Zentimeter in die Höhe gewachsen. Das ist mit bloßem Auge aber ebenso wenig zu erkennen, wie die leichten Retuschen an den Stoßfängern vorne und hinten. Da wirkt es fast schon niedlich, dass alle blauen B-Klassen weiße Außenspiegel und alle weißen blaue Spiegel bekommen. Der Schriftzug ist Option. Es geht in die Berge, den topographischen Feind aller Elektroautos. Enge Serpentinen, steile Anstiege und Geduldsproben hinter schleichenden Logistik-Trucks - all das kostet Strom. Die Anzeige der Reichweite schmilzt. Gut 1,6 Tonnen müssen nach oben geschoben werden. Vor dem Start hat der verantwortliche Ingenieur Andreas Soens uns die verschiedenen Rekuperationsmodi ans Herz gelegt. „Die besten Werte werden erreicht, wenn man mit der Radarhilfe den Abstand zum Vordermann hält und dessen Bewegungen automatisch mitmacht“, sagt Soens. Werde der andere langsamer, könne die B-Klasse segeln und dabei laden. Übrigens dient der im Mercedes-Stern versteckte Radarsensor sonst dem Kollisionswarnsystem. Der Stromer schafft maximal 160 km/hEine andere Taste erlaubt der B-Klasse, die volle Kraft des Tesla-Motors zu nutzen. Der „S“-Modus liefert Quelle: Daimler die ganze Durchzugskraft von 340 Newtonmetern und lässt das Auto mit seinen 180 PS in weniger als acht Sekunden auf 100 km/h spurten. Schluss ist erst bei 160 km/h. Das alles klingt gut, lässt die maximale Reichweite von rund 200 Kilometern aber schmelzen. In der Stellung „E“ wird die Motorleistung auf gut 130 PS gedämpft. Beim Überholen mobilisiert ein kräftiger Tritt aufs rechte Pedal aber auch bei dieser Wahl alle elektrischen Pferde. Die Fahrt führt an zahllosen Einfamilienhäusern und Villen mit hohen Zäunen vorbei. Kein Problem, hier eine sogenannte Wallbox zu montieren, die Spezial-Steckdose mit bis zu 400 Volt. Nach weniger als zwei Stunden ist wieder Saft für gut 100 Kilometer an Bord. Nach weniger als drei Stunden ist die Batterie sogar vollgeladen. Doch was macht ein Römer oder ein Berliner? Wo sollte er sein Elektroauto laden? Per Verlängerungsschnur vom Balkon aus dem 5. Stock? Ein Problem, das alle trifft – nicht nur die B-Klasse. Noch verraten die Mercedes-Manager nicht, was die elektrische B-Klasse kosten soll. Wir gehen von einem Preis haarscharf unter der 40.000-Euro-Marke aus. Hinzu kommen Mehrkosten für die Wallbox, für die Vernetzung per Handy, ein Navi, das den kürzesten Weg zur nächsten freien Ladestation weist und für vieles andere mehr. |