Renault baut seit Jahren am feuchten Traum vieler Nostalgiker und Gearheads. Und quält uns seit Monaten mit fast fertigen Studien. Auch diesmal gibt es kein Serienauto.
Nizza – Er genießt das. Renaults Herrscher Carlos Ghosn schreitet in Monaco am Hafen entlang, ein Napoleon inspiziert seine Truppen. Der Himmel ist grau, die Legenden stehen Spalier. Fast 90 Alpine A110 hat Renault an die Cote d’ Azur gelockt, um ein Ereignis zu feiern, das eigentlich keins ist. Ghosn verkündet, was schon alle wissen: „Ich bringe Alpine zurück“, sagt er und präsentiert eine Studie namens Alpine Vision. Bevor er das tut, fährt er noch mal mit einer bekannten Studie am A110-Spalier vorbei. Die Neue ist nicht blau, sondern weiß, die Scheiben sind nicht verdunkelt. Diese Alpine Vision hat einen Innenraum. Einen richtig schönen sogar. Trotzdem: Wieder kein Serienmodell. Das wird später im Jahr gezeigt und kommt im zweiten Quartal 2017 auf die Straße. Vermutlich sind wir von gestern, hoffnungslos nostalgisch, weil Autos wie dieses uns in Aufregung versetzen. Wir wollen, dass sie gebaut werden. Die neue Alpine dürfte es eigentlich gar nicht geben. Deshalb gefällt sie uns so. Die Neuauflage der kleinen Motorsport- und Rallye-Legende der 60er- und 70er-Jahre passt in keine Baukasten-Strategie, die Fahrzeug-Architektur ist nicht modular. Vom Motor abgesehen. Aber der sitzt in der Mitte, davor zwei Sitze, minimaler Alltagsnutzen. Sie passt so gut in die Zeit wie ein Kolibri in eine Taubenkolonie. Auf dem Markt wird sie nicht annähernd so viel Aufregung verursachen wie der nächste Mégane oder Clio. Historie und soQuelle: Renault/Angelika EmmerlingAuch wenn die Strategen bei Renault an ein Wachstum von 50 Prozent bis 2020 im Markt der „Premium-Sportwagen und Roadster“ glauben: Weltweit sind das derzeit 200.000 Fahrzeuge pro Jahr. Selbst wenn die Alpine Gewinn machen sollte – in der Konzernbilanz wäre es nur Portokasse. Plus ein bisschen Image-Gewinn für Renault und Carlos Ghosn. Aber, Alpine klingt immer noch gut in den Ohren von Petrolheads, Rallye-Verrückten und Renault-Fans. Nur deshalb kann die Wiederbelebung funktionieren. Deshalb der museale Rahmen mit den vielen A110 und ihren, meist französischen, älteren Fahrern. Deshalb der Ort der Präsentation: Rallye Monte Carlo und so, daher eine Ausfahrt auf den Col de Turini. Das ist viel Symbolik für noch eine Studie. Die Studie sieht gut aus. Nah am A110, trotzdem modern. Die Form kennen wir seit Mitte 2015. Da fuhr die Studie Alpine Celebration in Goodwood über die Rennstrecke. Inzwischen ist ein Vierzylinder-Turbo als Motor bestätigt, die Sprintzeit der Vision (4,5 Sekunden), dürfte in etwa der des Serienmodells entsprechen. Alles andere sind offene Geheimnisse. Renault präsentiert: Das CockpitNeu an dieser Vision in Grimaldis Vorgarten ist, dass der Innenraum nicht mehr hinter dunkel getönten Scheiben steckt. Richtig gut gelang das Cockpit. Microfaser, gestepptes Leder, Aluminium, Sichtkarbon - ein stimmiges Bild. Das wirkt technisch und zitiert trotzdem die Historie. Die Grafiken auf dem rahmenlosen Bildschirm auf dem Armaturenbrett passen. Man sucht nach Vergleichen, findet ein wenig Audi TT in den Grundformen, ein wenig McLaren in der Mittelkonsole. Renault sagt, die Studie entspricht zu „80 Prozent“ dem Serienmodell. Wenn es nur 50 Prozent des Interieurs in die Serie schaffen, ein Traum wäre das. Einsteigen und losfahren bleibt schließlich weiterhin ein Traum. Noch anderthalb Jahre lang. Es fehlen noch 20 Prozent. Sie müssen im nächsten Jahr bis zum Serienstart hinzugefügt werden. Dann sind fünf Jahre vergangen seit der Ankündigung, dass Alpine zurückkommt. Seit der ersten Ankündigung, muss man korrekterweise sagen. Die spinnen, zum GlückQuelle: RenaultVielleicht liegt in dieser langen Zeit eine Erklärung dafür, dass Renault sich die Alpine leisten kann. Ghosn hat eine „flexible und unabhängige Business Unit“ geschaffen, ein agiles, leidenschaftliches Team, wie er sagt. Dem steht „die Leistungskraft aller Fachbereiche der Renault Gruppe“ zur Verfügung. Wie viele Menschen konkret an Alpine arbeiten, sagt man bei Renault nicht. Unwahrscheinlich, dass die vielen Renault-Ressorts sofort alles stehen und liegen lassen, wenn die Alpine-Unit um den neuen Chef Michael van der Sande ruft. Die gute Nachricht ist, zu den Fachbereichen gehört auch die Renault-Sport-Abteilung. Dass man dort Autos bauen kann, die fahrdynamisch besser sind als die meisten, hat Renault Sport oft bewiesen. Und dass sie bei Renault gerade genug spinnen, manchmal, um ein Projekt wie die Alpine konsequent durchzuziehen, wissen wir auch. Gern erinnern wir uns an R5 Turbo (mit Mittelmotor) oder V6-Clio (mit Mittelmotor) oder auch Sport Spider (mit Mittelmotor). Wenn die Alpine all ihre Versprechen hält und relativ bezahlbar bleibt, hat sich das Warten gelohnt. Für uns hoffnungslose Nostalgiker jedenfalls. |