Mit dem Marco Polo setzte Daimler VW unter Druck. Die Niedersachsen reagieren mit dem California auf T6-Basis. Ein Camping-Trip mit dem Schweizer Messer unter den Bullis.
Quelle: Volkswagen Nutzfahrzeuge Stavanger/Norwegen - Fahr, wohin Du willst? An diesem Abend ächzt das Hippie-Versprechen des California-Bulli. Hilflos rutschen die Straßenreifen am seifigen Hang über nasses Geröll. Ein Allradantrieb wäre gut, oder ein deaktivierbares ESP. Ende im Gelände. Solche Missgeschicke kratzen nicht am zentralen Verkaufsargument für den VW California: Freiheit. Alles, was Du brauchst, in einem VW-Bus. Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche und natürlich ein Auto. Am Konzept hat sich seit den ersten Westfalia-Umbauten der 1950er-Jahre nichts geändert. Und seit T2-Zeiten steht das Erkennungszeichen wie ein Klassenstreber: Mit wenigen Handgriffen wird aus dem Autodach ein Schlafzelt für zwei Personen. Quelle: Volkswagen Nutzfahrzeuge In den Hippietraum der 68er passt VWs Freizeitmobil allerdings kaum noch. Aus der einfachen Campingkabine mit Kochnische wurde mit den Jahrzehnten eine Art iPad für die Wildnis. Ein edel ausgepreistes Lifestyle-Produkt mit mehr Funktionen als eine ganze Kiste Schweizer Messer. Wer in der Jugend ein Zelt auf den Rücken schnallte, dürfte kaum Gedanken verschwendet haben an Dinge wie Außendusche, Safe, Campingtisch und -stühle, Spülschüssel, Lattenrost oder Standheizung. Tetris im Camping-BulliIm VW California von 2015 ist Platz für all dies, und noch einiges mehr. Namentlich denkt VW an Badeurlaub und schickt den Bus vom Strand über die Küste ins Meer: Die Basis-Ausführung „Beach“ kommt ohne Küchenzeile und Kleiderschrank, aber mit serienmäßigem Campinggestühl. Der „Coast" ist ein vollwertiger Camper mit Küche, der "Ocean" dessen Luxusversion. Hier öffnet das Dachzelt elektrisch, eine Standheizung gibt es serienmäßig. Wir parken auf einer schlammigen Wiese und tasten uns heran ans Luxuscamping im VW-Stil. Erkenntnis: Erst wer die notwendigen Handgriffe auf wenig Raum blind beherrscht, kann den „Cali“ voll auskosten. Denn vieles im California erinnert ans Computerspiel Tetris. Die neue Arretierung für das Frontrollo muss irgendwie am Innenspiegel vorbei. Das Fenster öffnet nur bei geschlossener Herdabdeckung. An den Campingtisch kommt man nicht bei geöffneter Schiebetür. Nur bei geöffnetem Fenster darf das Dachzelt eingeklappt werden. Am kalten Morgen hakte es etwas - elektrisch funktioniert das Ausklappen in der Topversion "Ocean" oder gegen 1.500 Euro Aufpreis. Auch beim Bettaufbau führt an der richtigen Reihenfolge kein Weg vorbei. Erst die Kopfstützen umklappen, dann Sitzbank komplett vorfahren. Etwas hakelig. Dann Lehne herunterklappen. Das geht leicht, wenn man weiß wie. Zum Schluss die Matratze entfalten. Camping als RaketenwissenschaftDas abendliche Ritual erfordert Kenntnisse, die Stammkunden bereits besitzen und nicht neu lernen möchten. Deshalb änderte VWs Nutzfahrzeugtochter nichts Grundlegendes, optimierte aber viele Details. So besteht das Dachzelt jetzt aus Polyestergewebe statt aus Baumwolle. Das Imprägnieren entfällt, der Stoff saugt kein Wasser auf. Im Zelt und an der Heckklappe findet der moderne Abenteurer LED-Lampen vor. Die Schublade in der Küchenzeile gleitet gebremst in ihr Fach. Quelle: MOTOR-TALK Das California-Prinzip: Alles passt zusammen, kostet aber. Symbolisiert wird das durch ein kleines, feines Detail. Zum stolzen Preis von 75 Euro steht eine abnehmbare Taschenlampe-Nachtlichtkombination in der Preisliste. Sie lädt in ihrem Slot am Beifahrersitz und haftet zusätzlich magnetisch an Metall - also außen am Bulli, wenn bei Dunkelheit noch etwas zu erledigen ist. Das sind teilweise überkomplexe, dafür aber endgültige Lösungen. Der serienmäßige Campingtisch rastet in der Schiebetür ein, die dazugehörigen Stühle verstaut der Camper in der Heckklappe. Der Junge in uns, der mit dem Zelt auf dem Rücken, will rufen: Camping ist doch keine Raketenwissenschaft? VW hat im California-Bulli jedenfalls eine daraus gemacht. Volkswagen California 2015: Motoren und Preise
Schwerfälliger als ein T6Der California profitiert von den Neuerungen beim sechsten Transporter. Assistenten wie den adaptiven Abstandstempomaten oder den Notbremsassistenten lässt sich VW extra bezahlen, großes Infotainment und Vernetzung ebenso. Klima und Radio gibt es serienmäßig. Beim Fahren spürt man deutlich die zusätzlichen Pfunde im Vergleich zum einfachen T6. Am Berg dreht der Motor mühsamer, durch die Kurve rollt er schwerfälliger. Trotzdem fährt der VW California so komfortabel, wie es bei einem Langstrecken-Freizeitmobil wünschenswert ist – dabei aber dem Pkw-Verkehr nicht hinterher, solange man nicht zum schwächsten Motor (84 PS) im Programm greift. Der Benziner mit 204 PS und Doppelkupplungsgetriebe dürfte kaum eine Rolle spielen. Die kleineren Diesel mit 84 und 102 PS liefert VW mit Fünfgang-Getriebe, die Diesel mit 150 und 204 PS mit Sechsgang-Getriebe oder Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Marco Polo motiviert EntwicklerLange gab es im Feld der rollenden Reise-Alleskönner kaum Wettbewerb. Spezialisten wie Westfalia liefern natürlich, aber nur VW leistet sich seit 2004 in Hannover-Limmer eine eigene Umrüstung. Ebenfalls in Kooperation mit Westfalia, brachte zuletzt Mercedes mit dem Marco Polo Bewegung in das Feld. Plötzlich zählen die Details in Hannovers Campingbus: Wer kann was besser? Das fordert heraus, lassen die VW-Leute durchblicken. Hier ein effektiverer Verschluss, dort eine bequemere Arretierung. Und: ein 70 bis 80 Liter großer Tank bietet mehr Reichweite. Mercedes hält dagegen mit Ledersesseln, Yachtboden, schickerem Cockpit und modernerer Assistenztechnik. Ohne Küche verlangt Mercedes rund 2.000 Euro weniger, mit Küche beginnt das Rechnen: Welche Ausstattung soll es sein? VWs neue, mittlere „Coast“ Ausstattung unterbietet die Daimler-Preise deutlich. Nach unserer Campingnacht auf der nassen Wiese vermissen wir jedenfalls keine Ledersitze. Vielmehr fragen wir uns: Wie oft wird so ein California eigentlich mit heller Innenausstattung bestellt? VW California 2015: Technische DatenDer Einfachste
Der Einfachste mit Küchenzeile
Luxus-Camping mit 204 PS
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