Am Anfang war dieser VW ein Audi. Heute ist der Audi 50 vergessen, ein Polo steht weiterhin beim Händler an der Ecke. Wir blicken auf die erste Generation des Polo.
Köln - Es war der kälteste aller Wintereinbrüche in der Automobilbranche. So der Tenor der Konzernchefs beim traditionellen Frühjahrstreff auf dem Genfer Salon 1975. Die Folgen der Ölkrise waren noch nicht überwunden, da sorgte die frostige Jahreszeit erneut für tiefrote Zahlen in den Auftragsbüchern. Was also tun, fragte sich (nicht nur) Volkswagen. Die Antwort lautete: Den Käfer endgültig in den Ruhestand schicken, mit einem Kleinwagen auf Audi-50-Basis das Konzernangebot komplettieren, den französischen und italienischen Kleinwagenherstellern die Kunden abziehen. Italienisches Design für deutsche SparfüchseSeine Form verdankte der Polo einem genialen Italiener. Das Designstudio Nuccio Bertone führte den Zeichenstift. Wobei Bertone damals eigentlich den Audi 50 zeichnete. Dessen Entwicklern war zwar von Anfang klar, dass ein Ableger als VW-Käfer-Nachfolger an den Start gehen sollte. Dass der aber letztlich ihren Audi überleben würde, ahnten sie nicht. Anfangs war das aufpreisfreie, puristische Atlasweiß die ideale Farbe. Denn die frühen Polo waren in der Ausstattung ähnlich abgemagert wie ein Formelrennwagen auf der Suche nach dem niedrigsten Kampfgewicht. Nur knapp 600 Kilogramm (trocken) wog so ein Polo.
Der VW verzichtete auf jegliche Annehmlichkeit: Kein Chromzierrat, dafür kahle Blechflächen im Interieur und billigste Pappverkleidungen an Türen und Seitenwänden sowie Trommel- statt Scheibenbremsen. Fehlanzeige bei Gürtelreifen, Halogenlicht, Gepäckraumabdeckung, klappbarer Rücksitzbank und Tankanzeige. Sogar das Gaspedal war zur armseligen Drahtschlinge abgemagert. Als Antriebskraft mussten 40 PS genügen, im Export waren es nur 34 PS wie bei Renault 4 oder DAF 46. Trotz allem konnte sich der Volkswagen in verschiedenen Disziplinen einen Punktvorsprung sichern. Dies galt vor allem für den günstigen Einstiegspreis von 7.550 Mark, der Importfabrikate herausforderte und auf einem Niveau mit dem 44-PS-Käfer lag. Kein Angst vor der KonkurrenzAm Ende konnte der Polo den Käfer aber nicht ersetzen. Dies gelang erst dem größeren Golf. Daran änderten auch Polo-Sondermodelle wie Jeans (eine Reminiszenz an den Jeans-Käfer) und gehobene Ausstattungslinien (ab 1976) wenig. Auch der 1977 vorgestellte Derby, ein Polo mit klassischem Stufenheck und riesigem Kofferraum, konnte nur einen Teil der Käfer-Kunden erreichen. Stattdessen warb er den ein oder anderen Opel-Kadett- oder Ford-Escort-Fahrer ab. Mit wachsendem Erfolg konnte sich der kleine Volkswagen auch Experimente leisten. Etwa die auf Effizienz getrimmte Formel-E-Spezifikation. Verbrauchsdisplay, Schaltanzeige und damit Verbrauchswerte, die deutlich unterhalb der DIN-Norm lagen. Das war 1981 ebenso innovativ wie sensationell. Zumindest in der Theorie. Im Alltag wollten die Autokäufer nur sparen, wenn der Spaß nicht auf der Strecke blieb. Doch das war bei einem Viergang-Getriebe mit extra lang übersetztem größtem Gang zwangsläufig der Fall. Formel E blieb ein Ladenhüter. Die VW-Fans griffen lieber zum 60-PS-Polo GT mit Spoiler und anderen Sportattributen. Auch wenn dieser GT um fast ein Viertel teurer war als Wettbewerber wie der Fiat 127 Sport, der obendrein in der 75-PS-Liga spielte. Billig musste der Ur-Polo am Ende seines Lebenswegs ohnehin nicht mehr sein. Er war ein Maßstab seiner Klasse geworden. Und der wurde durch die Ende 1981 eingeführte zweite Polo-Generation noch höher gesetzt. Mit kombiartigem Steilheck und kleinem Coupé schrieb der komplett erneuerte Polo ein frisches Kapitel Kleinwagengeschichte. Und verdrängte so den Vorgänger aus dem Straßenbild. Vor allen, weil es diesem lange Zeit an effektiver Korrosionsvorsorge mangelte. Heute braucht es viel Glück, einen der rund 300 überlebenden Polo erster Generation zu sichten. Quelle: SP-X |
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