Das Maut-Konzept von Verkehrsminister Dobrindt erregt anhaltenden Unmut. Kritiker monieren rechtliche und finanzielle Schwächen. Ein Experte erwartet weit geringere Einnahmen als geplant.
Quelle: picture-alliance/dpa (Archivbild) München - Die Pläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für eine Pkw-Maut stoßen in der Koalition weiter auf erhebliche Bedenken. „Mit dem Vorschlag, eine Mautpflicht für alle Straßen in Deutschland einzuführen, wird der Koalitionsvertrag überstrapaziert“, sagte der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Landesgruppe in der Unionsfraktion, Peter Hintze, dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Die Eckpunkte aus dem Verkehrsministerium bedürfen einer grundlegenden Überarbeitung, um den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag gerecht zu werden.“ Die Maut sei kontraproduktiv in GrenzregionenHintze wies auf die engen Verflechtungen in den Grenzregionen hin, etwa zwischen Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden sowie Belgien. Für jede grenzüberschreitende Fahrt zum Arbeitsplatz, Einkauf oder zur Disco von den EU-Nachbarn Maut „zu kassieren, könnte sich als teurer Fehler herausstellen“. Das belaste den Wirtschaftsstandort und die nachbarschaftlichen Beziehungen. Hintze sieht zudem einen Verstoß gegen die Finanzverfassung, wenn der Bund die Gebühr auch für Gemeinde-, Kreis- oder Landesstraßen erheben würde. Hintzes NRW-Landesgruppe ist mit 63 von insgesamt 311 Unionsabgeordneten die größte der CDU/CSU-Fraktion. Auch der CDU-Haushaltsexperte Norbert Brackmann nannte Dobrindts Konzept unausgegoren. Mögliche Steuerausfälle in Grenzgebieten seien nicht einkalkuliert. „Da bleibt am Ende kaum ein zusätzlicher Ertrag“, sagte Brackmann. „Dann gibt der Koalitionsvertrag die richtige Konsequenz vor: Wir sollten es lassen.“ Weniger Gewinn, unter Umständen sogar VerlustDer Verkehrswissenschaftler Alexander Eisenkopf zweifelt ebenfalls an Dobrindts Rechnung. Während das Ministerium nach Abzug der Kosten jährliche Einnahmen von 600 Millionen Euro durch ausländische Fahrer erwarten, geht der Forscher von der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen von nur 100 Millionen aus. „Viel zu hoch“ sei die Kalkulation, dass jährlich fast zehn Millionen Fahrzeuge über die Grenze kämen und für durchschnittlich 88 Euro eine Vignette erwürben. Er erwarte weniger als acht Millionen Fahrzeuge und einen geringeren Durchschnittspreis. „Ich gehe davon aus, dass nur jeder vierte Ausländer eine Jahresvignette kauft und nur jeder Vierte eine Zweimonatsvignette“, sagte Eisenkopf der „Wirtschaftswoche“. Der Rest greife zum Zehn-Tages-Pass. Nach seinen Berechnungen seien pro Jahr allenfalls 350 Millionen Euro Einnahmen zu erwarten - abzüglich der Kosten blieben 100 Millionen. Ausländische Kaufkraft könnte sinkenBaden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dessen Stimme bei der Bundesratsabstimmung wichtig werden könnte, warnte vor zusätzlichen Ausfällen. „Ich werde der Pkw-Maut nicht zustimmen, wenn sie meinem Land schadet“, sagte der Grünen-Politiker der „Welt am Sonntag“. „Die Schweizer, die bei uns Urlaub machen, einkaufen und essen, bringen Baden-Württemberg einen Kaufkraftzuwachs von zwei Milliarden Euro im Jahr. Wenn das einbricht, weil eine Pkw-Maut auch auf jeder normalen Straße erhoben wird, dann können wir im Saldo negativer rauskommen als vorher.“ Dobrindt will ab 2016 eine Infrastrukturabgabe für das gesamte Straßennetz kassieren. Dafür sollen Vignetten verkauft werden, deren Preis sich nach Öko-Klassen und Hubraum der Pkw richtet. Inländische Fahrzeughalter würden die Vignette automatisch erhalten. Im Gegenzug werden sie über eine geringere Kfz-Steuer voll entlastet. Ausländische Fahrer sollen Vignetten an Tankstellen und im Internet kaufen. |