Kaum rollen die Zwillinge Twingo und Smart in den Markt, fragen sich Renault-Manager laut: Bauen wir den Nachfolger auch mit Daimler? Oder lieber mit dem Allianzpartner Nissan?
Paris/Frankreich - Es geht nichts über Harmonie in der Partnerschaft. Erst vor zwei Wochen vermeldete die Pressestelle der Daimler AG: „Die Renault-Nissan Allianz und die Daimler AG haben eine langfristige und stabile Zukunft vor sich, und alle gemeinsamen Projekte verlaufen nach Plan.“ Sichtbarer Beleg sind die neuen Stadtautos Renault Twingo und Smart. Sie wurden gemeinsam entwickelt, die Viertürer laufen sogar gemeinsam vom Band – bei Renault in Slowenien. Jetzt folgen Dissonanzen. Ausgerechnet in dem Moment, in dem Smart und Twingo in den Markt starten. Hochrangige Manager von Renault-Nissan stellen die Zukunft des gemeinsamen Projekts in Frage, berichtet das Branchenblatt „Automobilwoche“. "Ob der Nachfolger für den neuen Twingo wieder gemeinsam mit Daimler entwickelt wird, steht noch nicht fest", sagte ein Renault-Manager dem Magazin. Faust-Tisch-Eruptionen bei Renault-NissanQuelle: Smart Wie das? Kaum ist ein Modell im Markt, wird seine Zukunft in Frage gestellt? Die Planspiele basieren auf einer dieser Faust-Tisch-Eruptionen, die ein guter Chef beherrschen muss. Einer wie Carlos Ghosn. Renault hält zwar 43 Prozent an Nissan, und Ghosn führt beide Unternehmen in Personalunion. Trotzdem existiert eine gemeinsame Modellstrategie zwischen Renault und Nissan nur in Ansätzen. Und das kostet Geld. Zwischen Paris und Yokohama wird viel Arbeit doppelt erledigt, schon lange und immer wieder. Hier und da gemeinsame Komponenten, ja. Aber enge Kooperation, gemeinsame Entwicklung? Oftmals Fehlanzeige. Ghosn wünscht sich viel mehr Baukasten zwischen stolzen Japanern und stolzen Franzosen. Und deshalb schlug, irgendwann Anfang 2014, seine Faust ein, auf einem Konferenztisch zwischen Yokohama und Paris. Dazu gab es die klare Ansage: So geht es nicht weiter. Gemeinsame PlattformstrategieBei Renault und Nissan sucht man seitdem deutlich mehr Nähe: „Wir sind dabei, die Plattformstrategie zwischen Renault und Nissan immer weiter auszubauen“, sagte Renaults Europa-Chef Stefan Müller der „Automobilwoche“. Ausbaufähig ist sie in der Tat: Zwar teilen sich Nissan Qashqai und X-Trail sowie der kürzlich in Paris gezeigte Renault Espace eine Plattform. Auch der nächste Laguna soll sie ab Herbst 2015 nutzen. Aber die gemeinsam aufgesetzte B-Plattform für die mittlerweile abgelösten Modelle Micra K12 oder Clio III entwickelten Renault und Nissan jeweils getrennt weiter. Genau das kann Carlos Ghosn nicht gefallen, und das weiß auch Nissans Europa-Chef Paul Wilcox. Er würde gern Micra und Twingo wieder vereinen: „Natürlich wären die Synergien noch höher, wenn wir auch im A-Segment mit Renault zusammenarbeiten würden. Diese Frage wird eine Rolle spielen bei der Beurteilung künftiger Generationen des Micra", sagte der Manager zur „Automobilwoche“. Dazu passt, dass Renault ohnehin den nächsten Nissan Micra bauen soll: Ab 2016 im Werk Flins. Was bedeutet das für Daimler?Das alles heißt noch lange nicht, dass Daimler sich einen neuen Partner suchen muss. Wenn 2016 der neue Nissan Micra anläuft, wird Renault den dritten Twingo noch einige Jahre verkaufen wollen. Die Synchronisierung der Modellzyklen von Micra und Twingo ist keine Kleinigkeit. Auch rangiert der Micra bisher eine Klasse über dem Twingo. Außerdem: Die Allianz zwischen Renault und Daimler steht und fällt nicht mit einem Kleinwagen. "Der globale Umfang unserer Projekte wird weiter wachsen und wir gehen von einer langfristigen Partnerschaft aus“, sagte Carlos Ghosn erst kürzlich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Daimler-Chef Dieter Zetsche. Harmonie pur also? Renault beliefert Daimler mit einem 1,6-Liter-Diesel für die C-Klasse, die Nissan Tochter Infiniti baut in Tennessee (USA) Zweiliter-Turbobenziner für Mercedes. Anfang 2015 beginnen beide Parteien mit dem Bau eines gemeinsamen Werks in Mexiko. Dort soll ein gemeinsam entwickeltes Kompaktmodell für Infiniti und Mercedes produziert werden. Angepeilt ist eine Kapazität von 250.000 Fahrzeugen jährlich. Auch Renault-Mann Stefan Müller sagt: „Es gibt kein Dogma, gemeinsame Projekte nur mit Nissan zu entwickeln“. Der Unterschied zwischen der Allianz Renault-Nissan und einem Konzernverbund wie der Volkswagen AG wird nicht über Nacht verschwinden. Quelle: automobilwoche/bmt |