Die Unternehmensberatung KPMG befragte Automanager: Welche Trends halten sie für wichtig? Die Ergebnisse überraschen. E-Mobilität oder Vernetzung sind es nicht.
Frankfurt – Trends, Trends, Trends. Jede Messe braucht einen, und jeder Autohersteller will dabei sein. Die CES (Consumer Electronics Show) in Las Vegas ist eigentlich eine Messe für Fernsehgeräte, Smartphones und Co. Doch die Autoindustrie versorgt uns mit einem Feuerwerk vernetzter, autonomer Mobilität und neuen Infotainment-Systemen. Das wirkt manchmal, als seien Touchscreens und Hotspots wichtiger als Motoren, Bremsen und Blech. Wenn schon nicht für die Autofahrer, dann doch zumindest für Daimler, BMW und Audi. Aber dieser Eindruck täuscht. In Wahrheit investieren die Automanager rund um den Globus nur wenige Gedanken in Themen wie Vernetzung, autonomes Fahren, Carsharing oder alternative Antriebe. Das behauptet zumindest eine Umfrage der Unternehmensberatung KPMG. Jährlich befragt KPMG 200 Führungskräfte der Autobranche: Was sind die wichtigen Trends der nächsten Jahre? Das Ergebnis zeigt: Die neuen Themen sind es nicht. Wie wichtig sind die Modethemen?Quelle: Steven Lewis via Unsplash.comAn eine starke Bedeutung von Mobilitätsdienstleistungen, vernetzten und selbstfahrenden Fahrzeugen glaubt die Branche in den nächsten zehn Jahren nicht. Nur acht Prozent der befragten Manager halten Vernetzung für einen Schlüsseltrend (2013: 18 %). Drei Prozent glauben, dass autonome Fahrzeuge mittelfristig eine wichtige Rolle spielen. Selbstfahrende Autos setzen sich demnach frühestens in 20 Jahren auf breiter Front durch. Alternative Antriebe: Kein wichtiger TrendWasserstoff und Strom mögen die Antriebe der Zukunft sein, aber das Geld wird in der Gegenwart verdient. Das Ergebnis der KPMG-Umfrage unter 200 Führungskräften der Autobranche überrascht trotzdem. Seit 2013 halbierte sich das Interesse der Manager an Wasserstofftechnik. Noch überraschender ist, dass nur noch neun Prozent der Befragten die Elektromobilität für einen wichtigen Trend (2013: 38 %) halten. Obwohl die Abgas- und Verbrauchsnormen in allen wichtigen Märkten strenger werden, misst die Automobilwirtschaft den alternativen Antrieben heute weniger Bedeutung zu als vor zwei Jahren. Viel näher ist den Autobossen das Wachstum in aufstrebenden Märkten (56 %) und die weitere Verbesserung althergebrachter Verbrennungsmotoren (49 %). Die genießen absolute Priorität. Die meisten Investitionen plant die Branche für die Verbesserung von Verbrennungsmotoren. Stark gesunken ist dagegen die Bereitschaft, Geld für batterieelektrische Antriebe auszugeben. 2013 wollten noch 24 Prozent der Manager hier investieren, heute sind es 15 Prozent. Im Gegenzug möchten heute mehr Befragte in Wasserstoffantriebe investieren als vor zwei Jahren. Langfristig traut man der Technik wohl doch mehr zu. Die Ausgabe-Bereitschaft für Forschung an Hybridtechnik stagniert der Umfrage zufolge. Marktchancen alternativer AntriebeIst die Technik hinreichend durchleuchtet? In jedem Fall lohnt sie sich nicht. Zwar rechnen die Manager mit einer stetigen Steigerung der Produktion alternativer Antriebe. Allerdings rechnen sie auch in Zukunft mit insgesamt niedrigen Marktanteilen. Im Jahr 2020 erwartet die Autobranche einen Marktanteil von 0,01 Prozent für Wasserstoffautos und von 0,99 Prozent für Plug-in-Hybride. Reine Batteriefahrzeuge erreichen 0,62 Prozent der weltweiten Fahrzeugproduktion. Für Vollhybride wie den erfolgreichen Toyota Prius erwartet die Branche einen Marktanteil von 2,96 Prozent. Das heißt aber auch: 95,4 Prozent aller neuen Autos werden auch 2020 noch ausschließlich von Verbrennern angetrieben. Immerhin, bis 2025 könnte dieser Anteil auf 85 bis 90 Prozent sinken, schätzen die Manager. Was wollen die Kunden?Die Autohersteller halten es also mit bewährter Technik. Und genauso schätzen sie auch ihre Kunden ein: Nach Ansicht der befragten Manager sind Verbrauch, Haltbarkeit, Sicherheit und Komfort neben dem Preis die wichtigsten Faktoren beim Autokauf. Die Modethemen Vernetzung, personenbezogene Dienste und alternative Antriebe spielen dagegen nur eine Nebenrolle. 38 Prozent der Manager glauben, dass ihre Kunden ein Smartphone mit dem Auto verbinden wollen. Ihr aktuelles Geschäftsmodell erachtet die Autobranche noch für mindestens zehn Jahre als tragfähig – und damit als maßgeblich für den wirtschaftlichen Erfolg. Auch, wenn Manager wie Martin Winterkorn sich anderes auf die Fahnen schreiben. Quelle: Casey Fyfe via Unsplash.com Braucht es mehr Innovationsgeist? Der KPMG-Automobilexperte Dieter Becker glaubt: die Kunden werden immer technikaffiner. „Ich fürchte, die Bedeutung dieser Themen, und deren Bearbeitung in dem tradierten Geschäftsmodell, wird in vielen Unternehmen stark unterschätzt.“ Daher müsse die Branche weiter in Vernetzung und Co. investieren. Von Las Vegas in die old economyBecker empfiehlt der Industrie, ihre Geschäftsmodelle stärker an der „total cost of ownership“ auszurichten – also maßgeschneiderte Mobilitäts-Angebote zu entwickeln. Nutzen statt besitzen, eine Flatrate für Betriebskosten. Nicht nur inklusive Versicherung und Wartung, sondern auch mit Angeboten für das Parken oder einen gelegentlichen Leihwagen. Um alternative Antriebe kommt die Industrie schon wegen politischer Regularien nicht herum - um die Gegenwart aber auch nicht. Vom warmen Las Vegas zieht der Autozirkus schon nächste Woche ins winterliche Detroit um. Dort, im „Rust Belt“, dem Herz der „old economy", geht es nicht um Apple oder Google. Sondern um das, womit das Geld verdient wird. Zum Beispiel mit dem Mercedes GLE, dem Audi Q7 oder dem Pick-up Toyota Tacoma.
Die komplette Studie zum Nachlesen: http://www.kpmg.com/GAES2015 Quelle: KPMG |