Das KBA hat Autos auf den Schadstoffausstoß überprüft. Angeblich unabhängig. E-Mails legen jedoch nahe, dass die Hersteller beim Ergebnis-Bericht mitentscheiden durften.
Berlin - Die deutschen Autobauer und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) haben offenbar ein recht partnerschaftliches Verhältnis. Bei dem umstrittenen KBA-Bericht zu überhöhten Abgaswerten, soll es sogar eine Menge Abstimmung dazu gegeben haben, welche Informationen veröffentlicht werden sollen. Das geht aus E-Mails hervor, die die Nachrichtenagentur dpa, "Spiegel Online" und "BR Recherche" jetzt einsehen konnten. In einer Notiz des KBA von Mitte Januar heißt es zum Beispiel, es werde mit den Herstellern "zuvor konkret besprochen", was veröffentlicht werde. An anderer Stelle ist die Rede von einem "abgestimmten Vorschlag" für einen Bericht der "Untersuchungskommission Volkswagen". Die hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) infolge des VW-Dieselskandals um manipulierte Abgastests im September 2015 eingesetzt. Außerdem ordnete er Abgas-Nachmessungen durch das KBA bei VW und anderen Herstellern an. Die Ergebnisse dieser Messungen finden sich in dem Bericht der Untersuchungskommission, der im April veröffentlicht wurde. Enge Abstimmung zwischen KBA und AutoherstellernDemnach bestanden bei 22 von 53 getesteten Dieselmodellen Zweifel, ob das Herunterregeln der Abgasreinigung bei niedrigeren Temperaturen wirklich mit dem Schutz von Motorbauteilen zu tun hat. Es wurde ein Rückruf von insgesamt 630.000 Fahrzeugen von Audi, Mercedes, Opel, Porsche und VW beschlossen, um die Technik zur Abgasreinigung zu ändern. Die Hersteller sprachen von einem "freiwilligen" Update und betonten, es gebe keine Hinweise auf unzulässige Software. E-Mails zwischen der Aufsichtsbehörde KBA und den Autoherstellern legen nun nahe, dass sich beide Seiten über Inhalte des Berichtes enger abgestimmt haben als bislang belegt. Die Opposition im Bundestag wirft Dobrindt schon seit Bekanntwerden des Dieselskandals zu große Nähe zu den Autobauern vor. In den E-Mails schrieb ein Vertreter von Opel an einen KBA-Mitarbeiter, der Autohersteller könne Formulierungen in einem Entwurf des Berichts nicht zustimmen. "Uns geht es um einen Maßnahmenplan im Rahmen einer von uns vorgeschlagenen, freiwilligen Produktverbesserung." Es könne daher nicht von "Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftmäßigkeit" gesprochen werden. Dies impliziere einen Gesetzesverstoß, was nicht angemessen sei. Bericht in der Rohfassung ein "Porsche-Text"An anderer Stelle schreibt ein KBA-Vertreter an einen Mitarbeiter des Bundesverkehrsministeriums, in der Rohfassung des Berichts sei ein "Porsche-Text" mit dem Hersteller abgestimmt. Ein VW-Mitarbeiter schrieb an das KBA, man wolle einen "abgestimmten Vorschlag" an die Untersuchungskommission versenden. In den Unterlagen taucht auch KBA-Präsident Ekhard Zinke auf. Er schrieb an einen seiner Mitarbeiter, er halte Opel-Ausführungen "insbesondere im techn. Teil im Grunde nach für nachvollziehbar." Der Behördenchef schließt dann: "Mit industriefreundlichem Gruß." In einer gemeinsamen Stellungnahme von Bundesverkehrsministerium und KBA zu den Recherchen hieß es: "Mit den Herstellern wurden im Rahmen dieser Untersuchungen Gespräche geführt und technische Fragen erörtert. Ein solches Prozedere ist international üblich und notwendig." Schlussfolgerungen im Untersuchungsbericht seien durch die Untersuchungskommission getroffen worden. "Die Meinungsbildung erfolgte unabhängig." VW: "naheliegende" Rücksprachen mit "betroffenen Unternehmen"Ein VW-Konzernsprecher teilte mit: "Die beteiligten Marken haben konkrete Lösungen erarbeitet und dem KBA zur Überprüfung und Freigabe vorgestellt." Weiter hieß es: "In dem gesamten Prozess haben wir gegenüber dem KBA sensible und vertrauliche Daten offengelegt. Wenn das KBA mit Blick auf die angekündigte Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes Rücksprachen mit betroffenen Unternehmen führt, ist dieses aus unserer Sicht erst einmal nachvollziehbar und naheliegend." Opel wollte sich zu dem Bericht nicht äußern. Die Grünen sehen sich in ihrem Vorwurf bestätigt, Verkehrsminister Dobrindt und das KBA handelten nicht unabhängig. Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck sagte: "Hier hat offenbar die Industrie dem KBA die Feder geführt. Das ist ein Problem. Schon allein der Anschein einer Kultur der Kumpanei ist fatal." Dies schädige das Vertrauen in die Unabhängigkeit der staatlichen Institutionen. Die logische Konsequenz könne nur sein, dass eine unabhängige Kommission das Ganze noch einmal aufrolle, sagte Habeck. Die Frage, ob alle Hersteller bei der Abgasreinigung illegal handelten, sei von hohem öffentlichen Interesse. "Das dürfen das KBA und das Verkehrsministerium nicht verschleiern." Verbraucherschützer: KBA muss "dringend reformiert" werdenDer Verkehrsclub Deutschland (VCD) sprach von einem "Skandal". Die E-Mails bestätigten den schon lange gehegten "Verdacht der Mauschelei" zwischen KBA und Herstellern, sagte der VCD-Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert am Freitag in Berlin. Das Umweltbundesamt solle nun noch einmal Abgas-Nachmessungen vornehmen. Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller, sagte dem "Handelsblatt", das KBA müsse "dringend reformiert" werden. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte ein "Versagen" staatlicher Kontrollgremien. "Es wird überdeutlich, wie notwendig der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Bundestages ist." Im Juli hatte ein Untersuchungsausschuss zum Dieselskandal seine Arbeit aufgenommen. Der von der Opposition beantragte Ausschuss soll für die Zeit seit 2007 beleuchten, was die Bundesregierung in Bezug auf Abgasregeln unternommen hat und wann sie von Manipulationen erfuhr.
Quelle: dpa |