Verwirrender kann eine Modellpalette nicht sein. Den neuen Toyota Proace gibt es in 16 Varianten. Wir fuhren zwei komplett verschiedene davon, um herauszufinden, was der Proace kann.
Warschau – Der polnische Sprinter-Fahrer mustert den Toyota. Erst die Front, dann den Innenraum, dann wieder die Front. Also die Beifahrerscheibe runter und ihm ein „Brandnew. Toyota“, zur Erklärung zugerufen. „Too small“, grinst er und brettert los über die grüne Ampel. Zu klein also. Dabei soll doch genau das der Pluspunkt bei diesem Auto sein. Das Auto ist ein Toyota Proace Transporter als Kastenwagen in der neuen Kompakt-Variante. 2,20 Meter breit, 1,90 Meter hoch, mit 4,60 Metern Länge und 2,90 Metern Radstand. Quelle: Toyota Konzept: Außen nicht zu groß, innen groß genug. Im Blechkasten hinterm Fahrer verbirgt sich eine 2,10 Meter lange und 1,60 Meter breite Ladefläche, vorn schuftet ein Diesel von PSA. 4,6 Kubikmeter Laderaum, 1.000 Kilogramm Zuladung, 2.500 Kilo zulässige Anhängelast. Damit ist das Auto trotz seiner Kürze irgendwo bei Opel Vivaro, Renault Trafic oder Ford Transit Custom verortet. Also eine Klasse unter dem Sprinter. Toyota hätte allerdings noch 15 andere Versionen des gleichen Autos zur Auswahl. Die verschiedenen Varianten beim ProaceDer bislang in Valenciennes gebaute Proace war mit Citroën- (Jumpy), Peugeot- (Expert) oder Fiat-Emblem (Scudo) bekannter ist als mit Toyota-Zeichen. Erst 2013 ersetzte Toyota Fiat in der Dreierbeziehung. Nachdem die Japaner bei der ersten Generation des Proace nur umgelabelt haben, wollten sie bei der zweiten auch in der Entwicklung mitreden. Heraus kam dabei unter anderem die neue Kompakt-Version. So weit, so einfach. Weil einem beim Blick auf die Modellpalette schnell schwindlig wird, noch mal ganz von vorn: Toyota bietet den Proace als Transporter, also in der Arbeiterversion und als Pkw-artigen Verso für Familien und Personentransport an. Beide Versionen gibt es in drei Längen - als Kompakten, L1 und L2 (für genaue Angaben siehe technische Daten) - sowie mit fünf verschiedenen Dieselmotoren (95, 115, 122, 150, 170 PS, alle von PSA). Mit Fünfgang- bzw. Sechsgang-Schalter oder einer Sechsgang-Automatik. Quelle: Toyota Unübersichtlich wird es bei den Grundkonfigurationen der beiden Modelle. Den Verso gibt es als Family mit verschiebbaren Sitzen, als Shuttle mit feststehenden Sitzreihen und als „Executive“ zur gehobenen Personenbeförderung. Den Transporter gibt es als normalen Kasten mit drei Sitzen vorn, als verglaste Version, als Doppelkabine und als neunsitzige „Combi“-Version. Außerdem wiederum als „Basis“-Ausstattung und als „gehobene“ „Comfort“-Version. Noch alles klar? "Executive" und "Doppelkabine" lassen sich zwar nicht mit der Kompaktvariante kombinieren, trotzdem gibt es am Ende unabhängig von den Motoren acht Verso-Varianten und acht verschiedene Kastenwagen. Also 16 Proace-Varianten. Berücksichtigt man die Motoren (nicht die Getriebe oder die Ausstattung), dann bietet Toyota in Deutschland 16 verschiedene Varianten für den Verso und 17 für den Kastenwagen an. Dazu kommt ab 2017 eine leere Fahrgestell-Variante für den Pritschenaufbau. Kleinster Kasten, kleinster DieselUnser Sprinterfahrer würde bei Toyota wohl trotzdem nicht fündig. Der größte Proace Kastenwagen L2 bietet 5,30 Gesamtlänge, 1.360 Kilo Zuladung, 2,5 Tonnen Anhängelast. Mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,1 Tonnen und einem Ladevolumen von 6,1 Kubikmetern reicht er an das kleine 3,0-Tonnen-Modell der Sprinter-Kompaktversion heran. Eigentliches Daimler-Pendant wäre aber der Vito. Wir fahren den kompakten Proace mit dem kleinsten verfügbaren Diesel. Der 1,6-Liter-Vierzylinder mit 95 PS macht seine Sache im Warschauer Stadtverkehr gut. Die Beschleunigung reicht für die Stadt aus, es wird nicht allzu laut im Auto. Einzig das Fünfgang-Getriebe wirkt selbst in dieser Klasse irgendwie alt – ein Sechsgang-Getriebe gibt es erst ab der 115-PS-Version. Quelle: Toyota Die Toyota-Jungs haben dem Transporter artgerecht ein paar Sandsäcke auf die Ladefläche geworfen, damit er nicht zu sehr poltert. Damit rollt der Proace angenehm ab, nur bei groben Kanten knallt es im Kasten. Über die seitliche Schiebetür und die 180 Grad öffnenden Hecktüren ist die Ladung gut zugänglich. Am Ende stehen nach einer Runde durch den dichten Stadtverkehr 7,0 statt 5,6 Liter Verbrauch im Display. Das geht in Ordnung. Der große Vorteil der Kurzversion – laut Toyota lässt sie sich so leicht rangieren wie ein Pkw – kommt allerdings kaum zum Tragen. Ein Transporter bleibt ein Transporter. Der Innenspiegel wirkt beim komplett geschlossenen Modell etwas sinnlos. Ein Bulli von Toyota?Wie üblich gibt es in der Handwerkerklasse kaum Komfort. In der Basis fehlen Radio und Klimaanlage. In unserem „Comfort“-Modell steckt beides, das Plastikarmaturenbrett wirkt trotzdem billig und zerkratzt schon beim Anschauen. Schön muss es ja nicht sein, aber halten sollte es. In der Pkw-Variante Verso ist das deutlich anders. Wir fahren einen L1 mit 4,96 Metern Länge (VW T6 Multivan: 5,0 m), sieben Sitzen und 2,0-Liter-Diesel. Aufgehübscht mit Ledersitzen, einem schicken Aluknauf für die Sechsgang-Schaltung und einer Aluleiste im Armaturenbrett. Die Materialien gehen in Ordnung, die Verarbeitung nicht überall. Unter dem Navi sitzt die Verkleidung nicht richtig fest – das muss an der Vorserie liegen, Toyota! Ansonsten bietet die Family-Ausstattung Komfort und Praxistauglichkeit. Armlehnen für Papa, ausklappbare Tischchen in den Rückenlehnen, verschiebbare Sitzreihen, zwei Schiebetüren und viel Platz. Alle Sitze sind einfach umzuklappen und der Raum gut nutzbar. Das kostet der Toyota ProaceLeider logisch: Die mittellange Version reagiert schon komplett unbeladen empfindlicher auf Unebenheiten. Trotzdem geht der Fahrkomfort in Ordnung. Auch der Durchzug und die Geräuschkulisse bei 120 km/h fühlen sich auf der Autobahn gut und nicht zu laut an. Der 150-PS-Diesel beschleunigt in 11 Sekunden auf 100 km/h, maximal ist Tempo 170 möglich. Der Toyota sprintet damit schneller als der vergleichbare VW Multivan, fährt aber 12 km/h langsamer. Der Verbrauch liegt am Ende einer flotten Runde bei 8,0 Litern statt der angegebenen 5,5. Obendrauf gibt es beim Proace Verso ein schickes geteiltes Panorama-Glasdach (900 Euro). Das bietet VW im Transporter nicht an. Die Preise für den Proace beginnen bei 20.900 Euro (ohne MwSt.) für den kleinsten Kastenwagen. Der größte Kastenwagen kostet mindestens 26.150 Euro (ohne MwSt.). Der Bruder Peugeot Expert ist in der kleinsten Version teurer (ab 22.990 Euro). In der größten ändert sich das: mit 25.880 ist hier der Expert günstiger. Ein vergleichbarer Ford Transit Custom (1 Tonne Nutzlast) kostet mindestens 26.650 Euro (ohne MwSt.) - bietet dann aber auch 105 PS und Sechsgang-Schaltung. Der Preisvergleich ist angesichts der Vielfalt bei den Nutzfahrzeugen schwierig, Käufer sollten genau wissen was sie wollen und vergleichen. Die Preise für den kompakten Verso beginnen bei 35.300 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Als von uns gefahrene Multivan-Alternative mit Familiy-Ausstattung kostet der Proace Verso L1 mindestens 37.900 Euro. Der vergleichbare VW Multivan startet bei 39.900 Euro. Technische Daten – Toyota Proace Transporter und VersoDer Transporter
Der Verso
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