Nürburg - In der Eifel gibt es mehr Rehe, Hirsche und Wildschweine als Menschen. Zumindest pro Hektar. Das mag einer der Gründe sein, warum in dieser Gegend so viel Jägerlatein gesprochen wird.
Ein anderer Grund heißt Nordschleife. Mannoman, wer hier alles Fabelzeiten in den Asphalt gebrannt und wer in seinem alten Clio gerade den jungen Porsche versägt haben will. Mit diesen Geschichten könnte man ein ganzes Reh-Rudel erschlagen.
Helden in Hosenträgern
Die Einheimischen rund um die Nordschleife kennen das zur Genüge. Die ewigen Geschichten von Helden in Hosenträgergurten. Doch wer so viel Jägerlatein hört, der spricht selbst meist bescheidener von seinem eigenen Hab und Gut und Können.
So wie Rudi Adams, 51, in Ahütte geboren. Wikipedia weist diesem tief in der Eifel gelegenen Örtchen 173 Einwohner zu. Die drei hinter der 170 gehören zu Rudis Familie.
Rudi selbst ist das, was man einen Riesen auf der Nordschleife nennt. Ein sehr stiller Riese, denn prahlen hört man diesen Mann nie.
Arbeitsgerät Popometer
Wer aus dem Karussell rast, sieht auf Fotos oft sehr schick aus
Der 51-Jährige arbeitet bei Pirelli als Reifeningenieur, sein Popometer ist also in einer glänzenden Verfassung. Er braucht es schließlich jeden Tag zum Arbeiten. Technisches Wissen hat er ohnehin und da wundert es nicht, dass der Rudi Autos abstimmen kann wie nur wenige Menschen.
Erst im hohen Alter von 34 Jahren entdeckte dieser Rudi die Rennfahrerei für sich. Auf der Nordschleife, im Langstreckenpokal. Dabei offenbarte sich spät (aber immerhin) ein ganz ordentliches Potenzial für das Drehen von sehr schnellen Runden.
Kein Privat-Pilot fährt schneller
Jetzt können alle Jäger aufschreien und sagen: Schnell sind hier viele. Stimmt. Aber der Rudi redet nicht darüber. Die, die ihn mal live treffen (und das ist bei fast jedem VLN-Lauf und bei jedem 24-Stunden-Rennen möglich), die treffen einen fröhlichen, freundlichen, vor allem aber einen sehr bescheidenen Rudi Adams.
Man muss schon genau in den Jahrbüchern nachschauen, wie flott der Rudi rollt. In den vergangenen zehn Jahren war kein Privat-Pilot ohne Profi-Team im Rücken erfolgreicher als dieser Adams. Wenn er mit seinem Team von Dörr-Motorsport startet und ins Ziel kommt, dann meist unter den ersten 10 des Feldes. Das war 2003, 2006, 2007, 2009 und 2012 so. Immer mit Dörr-Motorsport, immer auf einem BMW. Und immer als Privat-Team.
Nicht Tempo ist das Problem
Rudi Adams, live und ansprechbar. Die Mütze stammt vom Arbeitgeber.
Für uns bei MOTOR-TALK, die wir dem 24-Stunden-Rennen (18. - 20. Mai 2013) schon sehr entgegenfiebern, ist Rudi Adams deshalb der größte unter den vielen kleinen Helden am Ring. Ihm gilt besonders der Druck unserer Daumen.
Seit 2012 startet dieser Mann aus Ahütte allerdings auf einem Wagen, der vom Tempo her locker unter die Top 5 fahren könnte. Einem McLaren MP4-12C GT3 mit rund 500 PS. Am Tempo lag es also nicht, das im vergangenen Jahr kein Zieleinlauf erfolgte. Sondern an einem Testfahrer von McLaren. Er lenkte bei voller Fahrt sein Gefährt in ein anderes, beide schieden aus.
Drei Profis und ein Rudi
In diesem Jahr soll es für Rudis Team besser laufen. Vier Fahrer sitzen während des 24-Stunden-Rennens abwechselnd auf so einem Auto und die drei Team-Kollegen von Adams sind allesamt Profis. Peter Kox fährt aktuell für Lamborghini in der FIA-GT-Weltmeisterschaft, Niklas Kentenich startete zuletzt beim ADAC GT Master und Arno Klasen hat bislang 34 Klassensiege bei der VLN auf seinem Konto.
Fragt man den Rudi, wie viel schneller denn seine Teamkollegen derzeit seien, dann bekommt man nur ein Lächeln. Das Jägerlatein überlässt man in der Eifel anderen. Die Einheimischen, die sagen nichts. Die fahren lieber.
Wer Rudi live erleben will, kann noch bis Sonntag hier sein Glück versuchen. Oder einfach als normaler Zuschauer zur größten Motorsport-Party des Jahres fahren.
Quelle: MOTOR-TALK